Pfadfinderlager „Home 2018“: Sonderzüge, Kompostklos und kaum Flurschäden

Eines der prämierten Projekte: Die Kinder der Pfadfindergruppe Oberpullendorf bastelten sich selbst Energie-effiziente Öfen, eine Solardusche und kompostieren ihren Abfall mit Kompostwürmern (Foto: PPÖ)

Pfadfinder gelten als naturverbunden und verbringen viel Zeit draußen. Alle paar Jahre gibt es neben den regulären Zelt- und Sommerlagern auch internationale Pfadfinderlager. Eines dieser sogenannten Jamborees fand Mitte August im oberösterreichischen Attergau statt: das „Home 2018“, mit insgesamt 4.200 Pfadfinderinnen und Pfadfindern. Weit über die übliche Beschäftigung mit Umwelt und Natur hinaus, sollte es auch eine ökologisch vertretbare, diesbezüglich vorbildliche Zusammenkunft sein. Welche Schwierigkeiten es dabei gab und wie sich die Kinder und Jugendlichen selbst aktiv in die Eco-Challenge einbrachten, wollten wir von Projektkoordinatoren Martina Bergsleitner wissen. Ein Gespräch über Sonderzüge, Öko-Klos und Flurschäden.

Das Siegerprojekt der „Eco Home Challenge“: die Kochstelle der Pfadfindergruppe Gallneukirchen-Engerwitzdorf. Diese „perfekte Küche“ erzeugt Strom, wiederverwertet Abwaschwasser und verfügt über Warmwasser. Ein Dunstabzug, ein Backofen und ein Kräuterhochbeet ergänzen das Bauwerk der Jugendlichen. (Foto: OÖ Pfadfinder und Pfadfinderinnen)

BIORAMA: Einer der acht Schwerpunkte der Pfadfinder lautet „Einfaches und naturverbundenes Leben“. Am „Home 2018“ wolltet ihr euch diesem Öko-Schwerpunkt aber besonders widmen. Da für solch ein großes internationales Pfadfinderlager Jahre im voraus intensiv geplant wird, ist da vermutlich einiges möglich. Was waren denn relevante Maßnahmen im Vergleich zum Landeslager im Jahr 2013?
Martina Bergsleitner: 
Eine wesentliche Veränderung war die Jugendpartizipation. Es gab eine Gruppe von Jugendlichen, die von Beginn an im Projektteam integriert war und so in sehr vielen Bereichen mitsprechen und mitbestimmen konnte. Diese jugendliche Handschrift hat man auch erkannt, wie ich finde. Weiters wurde ein umfangreicher Krisenplan entwickelt. Es wurden in Summe weniger Lagerbauten erstellt bzw. wurde mehr Augenmerk auf sturmsichere Bauten gelegt.

Was mir bei meinem Kurzbesuch am „Home 2018“ neben den Müllsammelinseln aufgefallen ist, sind die Öklos, die ich zwar von diversen Veranstaltungen kenne, aber bislang noch nie auf einem Pfadfinderlager gesehen habe. Haben sich die Öklos aus Sicht der Lagerleitung bewährt?
Martina Bergsleitner: 
Ja, auf jeden Fall. Alle Benutzer beurteilten die Öklos als sehr gute Alternative zu den bisherigen Chemietoiletten. Keine Geruchsbelästigung, einfach Handhabung – auch für die Reinigungskräfte, gefühlt hygienischer als die Chemievariante und darüber hinaus der Gedanke, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, weil alles kompostiert wird. Wir werden in 5 Jahren sicher wieder auf diese Variante zurückgreifen.

 

Erstmals auf einem großen Pfadfinderlager vertreten und nun in der Praxis bewährt: die Öklos, wo die Hinterlassenschaft völlig geruchsneutral kompostiert wird. (Foto: Thomas Weber)

War es im Vorfeld schwer, die Lagerleitung von Öklos zu überzeugen oder war von Anfang an klar, dass es keine herkömmlichen Mobilklos braucht?
Martina Bergsleitner: 
Nein, der Vorschlag kam sogar von der Lagerleitung. Die Öklos entsprechen dem Credo der Pfadfinderinnen und Pfadfinder.

Neben der Batterie an Öklos ist mir auch ein barrierefreies Öklo aufgefallen. Wurde das eigens für die Pfadfinder entwickelt?
Martina Bergsleitner: Nein, ist im Standardprogramm der Firma Öklo.

Ganzheitlich betrachtet: Was sind denn aus ökologischer Sichtweise wunde Punkte, die sich schwer oder noch nicht bewältigen lassen?
Martina Bergsleitner: 
Die Anreise der Lagerteilnehmer per Auto und Bus bzw. der Materialtransport per LKW – zumindest bei großen Gruppen. Unser Angebot mit dem Sonderzug war schon ein sehr guter Ansatz und der Zug war auch ausgebucht. Trotzdem möchten wir für das nächste Landeslager noch mehr Teilnehmer zur öffentlichen Anreise animieren. Problematisch ist auch der hohe Strombedarf etwa für die Lebensmittelkühlung, der nicht über erneuerbare Energien und über das Ortsnetz bereitgestellt werden kann.

Am Lager selbst fand eine „Eco Challenge“ für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen statt, bei der Projekte gesucht und dann auch ausgezeichnet wurden. Seid ihr mit den Einreichungen zufrieden?
Martina Bergsleitner: 
Mit den Einreichungen sind wir sehr zufrieden. Zunächst hat uns die hohe Beteiligung überrascht. Mit schlussendlich 24 Projekten haben sich rund 600 Pfadfinderinnen und Pfadfinder damit beschäftigt, ihren Lagerplatz noch umweltfreundlicher zu gestalten. Die Bereitschaft, noch mehr auf die Umwelt aufzupassen, war beeindruckend. Dann war auch noch die Kreativität der Kinder und Jugendlichen überraschend. Denn es kann oft mit ganz einfachen Mitteln ein großer Erfolg erzielt werden.

In einer Presseaussendung zum Pfadfinderlager hieß es „Wie man sogar ein Pfadfinderlager noch umweltfreundlicher macht“. Kann man überhaupt guten Gewissens sagen, dass ein Pfadfinderlager immer umweltfreundlicher ist als beispielsweise ein Musikfestival wie das Acoustic Lakeside in Kärnten, das heuer annähernd gleich viele Besucher hatte wie das „Home 2018“?
Martina Bergsleitner: 
Ja, das können wir ruhigen Gewissens behaupten. Das Müllaufkommen ist wesentlich geringer als auf einem Festival, da nur Mehrweggebinde verwendet werden. Sämtliche Lebensmittel werden frisch, regional, in Großeinheiten und möglichst wenig verpackt geliefert. Für die Jause für unterwegs erhält z.B. jeder Teilnehmer eine praktische Jausenbox, die über viele Jahre wiederverwendet werden kann. Es gibt kaum Wohnmobile am Lagerplatz und die Teilnehmer reisen zu einem Großteil gemeinsam an, und nicht jeder für sich im eigenen PKW. Von den Teilnehmern wird täglich selbst frisch gekocht und auch die Teamverpflegung ist darauf bedacht, möglichst wenig Lebensmittel zu entsorgen und Übriggebliebenes am nächsten Tag zu verwerten. Ich denke auch, dass der Flurschaden bei uns wesentlich geringer ist als auf einem Festival.

Noch ein Ausblick aufs nächste Landeslager in fünf Jahren. Was wird 2023 anders sein?
Martina Bergsleitner: 
Mit dem Ausblick auf das nächste Landeslager tun wir uns noch schwer, da wir erst am Beginn unserer Reflexionsarbeit stehen. Ein Punkt, der zu diskutieren sein wird, ist der infrastrukturelle Aufwand und ob der wirklich dafürsteht. Denn obwohl wir auf einem Pfadfinderlager mit 4.200 Menschen im Vergleich zu anderen Bewegungen oder Festivals sehr naturverbunden zusammenleben, muss man sich immer wieder die Frage stellen, ob nicht weniger mehr ist. Im Bezug auf den Programmablauf bei den CaEx und RaRo (Jugendliche von 13 bis 16 Jahre bzw. im Alter von 16 bis 20 Jahre, Anm.), die für einen bzw. zwei Tagen zu einem Großteil mit Bussen das Lager verlassen, ist hier sicher noch Potential vorhanden.

VERWANDTE ARTIKEL