100 Jahre Niederösterreich – die 1930er

Was Arbeitslosigkeit bedeutet und wo sie hinführt. 1933 erscheint »Die Arbeitslosen von Marienthal«.

Eine Postkarte für Grüße aus Marienthal – gezeichn et am 31. Dezember 1898. Bild: Rosenberger.

1820 noch als Flachsspinnerei errichtet, wurde das Fabriksgelände, das über ein Jahrhundert später international als Marienthal bekannt wurde – es liegt an der Grenze der Gemeinden Gramatneusiedl und Reisenberg –, nach Kurzem wieder geschlossen. Der Baumwolle gehörte weltweit die textile Zukunft und im Zuge einer Neuübernahme 1830 wurde die Spinnerei umgestellt, es folgten Jahre der Expansion. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Arbeiterbaracken auf Werksgelände gebaut, da die benötigte Arbeitskraft nicht mehr von der ortsansässigen Bevölkerung erfüllt werden konnte, und aus Böhmen und Mähren ArbeiterInnen zugezogen. Erst das Ende und die Folgen des Ersten Weltkriegs brachten durch die Verkleinerung des Marktes, wie sich Tibor Schwab, Obmann des Museums Marienthal, Anfang des Jahres in einem ORF-Interview erinnert, Schwierigkeiten und eine Kündigungswelle.
Nach einer letzten Neuübernahme und Modernisierungsinvestitionen Mitte der 1920er-Jahre waren 1929 1300 Menschen in der Textilfabrik beschäftigt und Marienthal hatte 1500 BewohnerInnen. Im Laufe eines Jahres wurde das Werk bis Februar 1930 geschlossen, Arbeitsplätze waren zur Zeit der Weltwirtschaftskrise auch andernorts rar – so erreichte die Arbeitslosigkeit im Ort 50 Prozent. Im Herbst 1931 begannen die Untersuchungen zu den sozialen und psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit durch die »Österreichische Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle«. Es folgte in methodischer, aber auch inhaltlicher Hinsicht Pionierarbeit der empirischen Sozialforschung von WissenschafterInnen um die StudienleiterInnen Marie Jahoda, Hans Zeisel und Paul Lazarsfeld. Unter den erschwerten Bedingungen des Ständestaats durchgeführt und publiziert, wurde die »Marienthal-Studie« der vor dem NS-Regime geflohenen WissenschafterInnen erst in der Übersetzung in den 1960er-Jahren international bekannt.

Marie Jahodas »Ich habe die Welt nicht verändert. Lebenserinnerungen einer Pionierin der Sozialforschung« ist 1997 als Übersetzung aus dem Englischen erschienen.

Derzeit setzt das AMS wohl nicht ganz zufällig auf dem historischen Arbeitsboden Marienthals ein Jobgarantieprojekt für Langzeitarbeitslose um: »MAGMA – Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal«. Hintergrund des Projekts mit Laufzeit von 2020–2023 ist laut dem Leiter des AMS Niederösterreich, Sven Hergovich, »seriöse und evidenzbasierte Arbeitsmarktpolitik« und daher werde vor Projektabschluss auch wenig zur Übertragbarkeit des Versuchs zu sagen sein. Das Projekt wird von einer Forschungskooperation der Universitäten Wien und Oxford begleitet. Immerhin 30 der 100 TeilnehmerInnen seien aus dem Projekt seit dem Start in Arbeitsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt gewechselt.

Das Niederösterreich der 1940er:
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