Leerstand in bester Lage

Den Hunger nach Boden für neue Betriebe lässt sich durch Recyclen von verlassenen Produktions- oder Gewerbegebäuden lindern.

Zu sehen ist ein leerstehender Parkplatz.
Vorher: Diesen tristen Lkw-Parkplatz unweit des Businessparks Campus 21 in Brunn am Gebirge gibt es nicht mehr. Bild: Ecoplus.

Einzelne Industrieruinen mögen reizvoll sein. Doch das Gros der Gewerbegebäude und Produktionshallen, in denen kein geschäftiges Treiben herrscht, ist hässlich und verbraucht Boden. Der wird in Österreich immer rarer: Laut WWF versiegeln Baumaschinen österreichweit etwa 11,5 Hektar täglich. Zwei sind es allein in Niederösterreich. Hier befinden sich ob der bewegten Industriegeschichte viele stillgelegte Produktions- und Gewerbeflächen. Die Idee liegt nahe, bereits versiegelte Flächen für neue Firmen zu nutzen, um so den Hunger nach neuem Bauland zumindest ein wenig einzudämmen. Bisher wird dieses Flächenrecycling noch nicht sehr oft genutzt. Denn jedes Unternehmen hat für seinen neuen Standort sehr spezifische Vorstellungen und die lassen sich am besten auf der »grünen Wiese« realisieren. Die ungewisse Höhe der Baukosten und das Risiko einer Kontaminierung des Areals würden Betriebe ebenfalls davon abhalten, auf Bestehendes zurückzugreifen, betont Andreas Kirisits, Geschäftsfeldleiter des Investorenservice der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus. 

Schneller Umzug

Dass es durchaus vorteilhaft sein kann, bei der Wahl des neuen Standorts auf Altes zu setzen, zeigt die Marinomed Biotech AG. Das börsenotierte Unternehmen, das sich mit der Entwicklung innovativer Produkte im Bereich Atemwegs- und Augenerkrankungen beschäftigt, fand für seinen neuen Standort ein passendes Gebäude im Betriebsgebiet Korneuburg Süd – Hovengasse. Geschäftsführer Andreas Grassauer erinnert sich: »Für Marinomed waren eine bestehende exzellente Infrastruktur sowie die gute Erreichbarkeit sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Auto eine Grundvoraussetzung.« Beide Faktoren habe das Betriebsgebiet Süd in Korneuburg erfüllt und die bestehende Bausubstanz habe ebenfalls für den Standort in Korneuburg gesprochen. Dadurch konnte Marinomed auf vorhandene Infrastruktur wie Strom, Gas und Kanalanschluss am Grundstück zurückgreifen. »Innerhalb von nur neun Monaten nach dem Kauf konnten wir bereits das renovierte Bestandsgebäude beziehen«, betont Grassauer. Außerdem bot das Grundstück genügend Platz für einen zusätzlichen Neubau des eigenen Labors und weitere Büroflächen. Selbst ein Parkplatz mit versickerungsfähigem Schotterrasen und Grünflächen mit verschiedenen Bäumen, Sträuchern und Blumen fanden Platz.  
Der Zeitfaktor spielte auch für IMS Nanofabrication eine wesentliche Rolle, als sich das Hightech-Unternehmen dazu entschloss, eine ehemalige Lkw-Werkstatt samt riesigem Parkplatz im Industriegebiet in der Wolfholzgasse in Brunn am Gebirge zu kaufen. In der alten Lkw-Halle fand auch das Herzstück des Unternehmens – ein Reinraum – Platz. Mittlerweile befindet sich die Zentrale von IMS Nanofabrication ebenfalls am neuen Standort. 

Nachher: Auf dem ehemaligen Lkw-Parkplatz in Brunn am Gebirge produziert jetzt IMS Nanofabrication Hightech-Equipment für die weltweit führenden Chiphersteller. Bild: Ecoplus.

Ungewisses Potenzial

Wie viele alte Produktions- oder Gewerbeflächen sich in Niederösterreich tatsächlich für ein neues, zweites oder gar drittes Wirtschaftsleben eignen, ist allerdings ungewiss, bestätigt Kirisits von Ecoplus. Um mehr Licht in den Leerstand zu bringen, fordern die niederösterreichischen Grünen eine Leerstandsdatenbank. Ein Teil der ungenützten Betriebsgebäude ist auf dem Standortkompass von Ecoplus zu finden. Die Webplattform soll Unternehmen bei der Standortsuche helfen. Aktuell listet die Plattform 100 Objekte auf. Laut Kirisits sind 15 davon klassische Brachflächen, die seit mehr als drei Jahren leer stehen und sich in den Widmungen »Bauland-Betriebsgebiet« oder »Bauland-Industriegebiet« befinden. Das Investorenservice Ecoplus bemüht sich durch Nachnutzungsberatung und Prozessbegleitung für Gemeinden und Eigentümer, diese Flächen wieder einer adäquaten betrieblichen Nutzung zuzuführen. Kirisits rechnet damit, dass das Interesse an Brachflächen in Zukunft steigen wird. Verantwortlich dafür ist das Bodenschutzpaket, das der niederösterreichische Landtag im Jahr 2020 beschlossen hat. Dieses soll die Ansiedelung von neuen Betrieben auf der grünen Wiese erschweren und damit auch die Recyclingquote für alte Betriebsgelände erhöhen. Kurzum: dazu animieren, stärker dort wieder etwas anzufangen, wo andere aufgehört haben. 

Der Standortkompass der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus enthält auch leer stehende Betriebsobjekte, die sich zum »Recyceln« eignen. 

Hier sind alle Artikel gesammelt, die BIORAMA zum Thema Nachnutzung von leerstehenden Gebäuden und Flächen, verfasst hat.

BIORAMA Niederösterreich #10

Dieser Artikel ist im BIORAMA Niederösterreich #10 erschienen

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