Irgendwas billiges, aber mit Tier

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Um Pferdefleisch, das als Rindfleisch deklariert wurde, geht es also beim ersten Lebensmittelskandal des noch jungen Jahres. Auch das werden die Verbraucherinnen und Verbraucher überstehen. Doch welche Lehren können aus Skandal 1/2013 gezogen werden?

Seit vor rund zwei Wochen bekannt wurde, dass in Fertiglasagnen und anderen Fertiggerichten nicht das Fleisch enthalten war, das laut Etikett verarbeitet worden sein sollte, sind die inzwischen bekannten Lebensmittelskandal-Argumente weitgehend ausgetauscht worden. Wie bei vorangegangenen Fleisch- und Lebensmittelskandalen sind die Positionen relativ übersichtlich. Die Öffentlichkeit ist ein bisschen empört, EU-Kommissare fordern Vorsicht vor übereilten politischen Schritten, die deutsche Agrarministerin hat einen Nationalen Aktionsplan präsentiert, die Medien stellen jeden Tag fest, der Skandal „weite sich aus“, es seien „immer mehr Betriebe betroffen“, und – na sowas – innerhalb weniger Tage erreicht der Skandal eine Vielzahl europäischer Staaten.

Politische Statements werden ritualisiert abgespult und wiederholt. Die einen stellen fest, es gehe um handfesten Betrug, und deshalb sei strafrechtliche Verfolgung geboten, während überstürzte politische Konsequenzen mit Vorsicht zu genießen seien. Das wichtigste sei in jedem Fall die Lebensmittelsicherheit; und natürlich: Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die anderen stellen fest, das ganze sei wenig überraschend, schließlich könne es niemanden wundern, dass bei industrieller Produktion von Nahrungsmitteln getrickst und getäuscht werde. Lasagne, die für unter zwei Euro im Supermarktregal angeboten wird, die aber trotzdem zuvor quer durch Europa gereist ist, das gehe eben nicht ohne Nachteile und Risiken. Das wichtigste: die Lebensmittelsicherheit. Und nicht zu vergessen: Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Alle haben wie üblich irgendwie Recht.

Schuldige gibt es natürlich, und das sind jene, die bewusst getäuscht haben, und Fleisch falsch etikettiert haben. Eigentlich schön blöd: Hätten die Hersteller der billigen Fertiggerichte auf die Verpackungen gedruckt, es sei irgendeine Form eines beliebigen und preisgünstigen Fleisches oder Fleischersatzprodukts enthalten, wäre aus der Angelegenheit vermutlich kein Skandal geworden. Doch die Frage ist, ob die Hersteller der betroffenen Fertiggerichte überhaupt gewusst haben, dass sie Pferd statt Rind verarbeiten. Wenn ein Industriebetrieb wirklich wissen wollte, müsste er es doch auch wissen können, sollte man meinen. Doch die stichprobenartigen Kontrollen in der weit verzweigten und global organisierten Fleischindustrie reichen bei weitem nicht aus, um lückenlos die Herkunft und Qualität des verarbeiteten Fleischs zu überprüfen. Es ist naheliegend, Transparenz zu fordern. Doch Transparenz kostet Geld, denn jede Qualitäts-Überprüfung kostet Geld. Bisher wird an den Kontrollen gespart. Regelmäßig wird die Forderung nach besseren Lebensmittelkontrollen reflexartig aufgestellt, wenn wieder irgendwo skandalträchtige Nahrungsmittel aufgetaucht sind, verschwindet jedoch wieder aus dem öffentlichen Diskurs, wenn die mediale Aufmerksamkeit wieder gesunken ist.

Dünne Personaldecke bei Fleischkontrollen

Laut der EU Verordnung 178/2002 haben die Mitgliedstaaten der EU zu überwachen, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts von den Lebensmittelunternehmen in allen Produktionsschritten eingehalten werden. Im Fall von Fleischprodukten also von der Schlachtung bis zur Auslieferung an den Einzelhandel. Die EU verlangt die Einführung systematischer amtlicher Kontrollen sowie das Aufstellen mehrjähriger Kontrollpläne, die genau vorschreiben, was, wann, wie oft und wo kontrolliert wird. In Österreich entspricht der Revisions- und Probenplan (RuP) des Bundesministeriums für Gesundheit diesem Plan. Jährlich wird er vom Wiener Gesundheitsministerium erlassen. Die gesetzliche Grundlage im österreichischen Recht stellt das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) dar.

Die Betriebsrevisionen, sprich Überprüfungen in Lebensmittel produzierenden Betrieben, und Proben durch die Aufsichtsorgane fallen laut diesem Gesetz in den Zuständigkeitsbereich der Landeshauptleute. Deshalb gibt es in den Bundesländern jeweils eine Behörde zur Lebensmittelaufsicht.

Die Lebensmittelaufsichten der neun Bundesländer ziehen Lebensmittelproben bei Herstellern, Einzelhändlern, in Lagerbetrieben usw. Dabei werden sowohl routinemäßige Planproben genommen, als auch Verdachtsproben. Die Länder Wien, Kärnten und Vorarlberg lassen die Proben durch die eigene Lebensmittelaufsicht auswerten. Für die Analyse der Proben aus den übrigen sechs Ländern ist die zentrale AGES, die bundeseigene Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit zuständig.

Die Personaldecke bei den für die Lebensmittelkontrollen zuständigen Behörden ist relativ dünn. In Niederösterreich zum Beispiel, wo die Landesabteilung für Veterinärangelegenheiten und Lebensmittelkontrolle zuständig ist, sind in der Dienststelle Korneuburg, die eine von fünf Dienststellen ist, sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Überprüfung von rund 8.500 Betrieben zuständig. Jährlich werden rund 1.250 Proben genommen. In anderen Regionen und Ländern Europas ist die Situation ähnlich. Mancherorts sind  einzelne Lebensmittelkontrolleure für bis zu 2000 Fleisch verarbeitenden Betriebe zuständig.

Wege zu sicherem Fleisch

Wenn bei Lebensmittelskandalen der Ruf nach „mehr Kontrolle“ ertönt, dann bedeutet das auch: mehr öffentliche Ausgaben für die Lebensmittelsicherheit.

Daraus ergibt sich die Situation, dass mit steigendem Preisdruck durch größere Nachfrage nach Billignahrung, die Forderung nach öffentlichen Ausgaben für Qualitätssicherung bei Lebensmitteln steigt. Für dieses Problem gibt es Lösungen, die allerdings nur sehr verhalten diskutiert werden.

Wie bessere Kontrollen funktionieren könnten, machen zum Beipiel die Bioverbände vor. Sie verleihen ihr Biosiegel den Produzenten nur, wenn diese sich von verbandseigenen Kontrolleuren überprüfen lassen. Das kostet Geld, doch immer mehr Verbraucher sind bereit, für das Bio-Qualitätsversprechen auch mehr zu zahlen. Ein Teil des Geldes, das für Bio-Lebensmittel ausgegeben wird, fließt direkt in die Kontrollen.

Würde die gesamte Lebensmittelindustrie zur finanziellen Beteiligung an mehr Kontrollen verpflichtet, würde das die Verbraucherpreise wohl ebenfalls steigen lassen. Qualität jedoch, kostet eben Geld.

Eine andere Lösung wäre die direkte Besteuerung von Fleisch.  Eine EU-weite Besteuerung von Fleisch brachte jüngst die schwedische Regierung ins Gespräch, und auch Tierschutz- und andere Umweltorganisationen treten seit Jahren für diese Idee ein. Eine EU-weite Steuer auf Fleisch, könnte dazu verwendet werden, die Kontrollen auszuweiten. Dabei ist eine europaweite Koordinierung zwingend notwendig. Der Skandal um das Pferdefleisch zeigt, in welchem europäischen Maßstab heute beim Thema Lebensmittelsicherheit gedacht und gehandelt werden muss. Das Erheben von Steuern auf fleisch hätte einen weiteren Effekt als Regulationsmechanismus: steigende Fleischpreise würden im besten Fall zu weniger Fleischkonsum führen. Das käme Umwelt und Klima zugute, die unter intensiver Massentierhaltung leiden.

Letztlich, bleibt die Forderung nach neuen Wegen bei den europäischen Regelungen zur Lebensmittelsicherheit und zum Fleischkonsum generell vermutlich eine ebenso temporäre Erscheinung, wie all die anderen ritualisierten Forderungen und Statements, wenn gerade wieder ein Lebensmittelskandal die Schlagzeilen bestimmt. Dass beim Thema Nahrung und insbesondere beim Fleisch ein Umdenken notwendig ist, und dass Niedrigstpreise immer wieder zu Schlamperei und Betrug in der Produktionskette führen, sollte jedoch langsam den meisten Konsumentinnen und Konsumenten klar werden.

 

 

Eine Vielzahl von Informationen rund um die Fleischwirtschaft bietet der Fleischatlas von BUND, Heinrich Böll Stiftung und Le Monde diplomatique.

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