Holz im Design-Labor

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Alpenländischer Sessel-Klassiker neu interpretiert. BILD Breaded Escalope

Über Holz als Werkstoff und einen persönlichen Zugang zum Material sprach BIORAMA mit Martin Schnabl, einem Drittel des Design-Studios Breaded Escalope.

Die drei Menschen von Breaded Escalope sind seit ihrer Jugend in Kärnten befreundet und studierten gemeinsam an der Kingston University in London. Seit 2008 arbeiten Sascha Mikel, Martin Schnabl und Michael Tatschl unter diesem appetitlichen Kollektiv-Namen, der zu Deutsch »Wiener Schnitzel« bedeutet. Sie stellen Stühle während Performances an Lavagestein oder in einem Bergbach her, verwenden mit Vorliebe einfache Küchenutensilien, um Holz zu biegen, und sind Befürworter eines neugierigen Dilettantismus. BIORAMA traf Martin Schnabl, passenderweise im Wiener Café Das Möbel, zu einem Gespräch gewürzt mit Kärntner Humor und spritzigem Wein.

BIORAMA: Erkläre uns bitte, wie Breaded Escalope und das Material Holz zusammen gefunden haben.

Martin Schnabl: Holz war nicht in unserem Arbeitsspektrum. Wir haben ganz woanders angefangen. Aus Antipathie zu Polyurethan (Anm.: ein Kunststoff) und aus der Anfrage des Museum für angewandte Kunst in Wien für einen Workshop zum Thema Holzbearbeitung im Jahr 2011 kamen wir zum Holz. Es ging um das Holzbiegen, einen mittlerweile industrialisierten Prozess, den man nur mehr von Ablaufdiagrammen kennt. Dann ist Harald Gründl vom Institute of Design Research Vienna an uns mit einem anderen Projekt herangetreten, in dem unter dem Titel »Werkzeuge für die Design-Revolution« kritisch hinterfragt wurde, was Nachhaltigkeit ist. Wir stellten uns die Frage, was passiert, wenn man in einem technologischen Entwicklungsprozess oder in einem wissenschaftlichen Forschungsprozess bereits relativ früh ein Gestalterteam mit ins Boot nimmt. Wir arbeiteten mit Alfred Teischinger von der Universität für Bodenkultur zusammen. Der Ansatz war, dass man auf ein noch unbekanntes Potenzial von Holz zurückgreift.

Um welches Potenzial von Holz handelt es sich dabei?

Man gewinnt Lignin aus einem Holz-Aufschluss. Das passiert im Forschungsbereich schon sehr lange. Lignin ist ein hochtechnologisches Ausgangsmaterial, um Biopolymere herzustellen. Es ist aber viel einfacher, Polymere aus Erdölprodukten herzustellen. Doch jetzt sind wir an diesem Wendepunkt, wo es interessant sein könnte, was Holz noch so alles kann, außer, dass man Platten daraus macht. Das Holz-Aufschluss-Verfahren hat für uns interessant geklungen, weil es für den Laien unzugänglicher ist. Diese Unzugänglichkeit haben wir versucht, durch den Einsatz von einfachen Küchenutensilien aufzulösen.

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Das zweite Leben des gemeinen Plastikstuhls: Ein billiges Massenprodukt wird vom Designstudio Breaded Escalope zum handgemachten Einzelstück upgecycled. BILD Breaded Escalope

Was passiert während diesem sogenannten Holz-Aufschluss?

Es ist nicht mehr als ein relativ simpler chemischer Prozess, in dem das Holz zuerst unter einem gewissen Druck und einer gewissen Temperatur in Alkohol gekocht wird. Eine Flüssigkeit, in der Lignin enthalten ist, wird durch Ethanol herausgelöst. Dann füllt man zwei Flüssigkeiten, die man in jeder Apotheke bekommt, dazu. Diese lassen das Lignin ausfallen. Wir haben eine sehr kleine Menge an reinem Lignin aus dem Kochprozess erhalten. Das war der Endpunkt dieses Projekts. Dieser gibt die Aussicht auf ein zukünftiges Ausgangsmaterial. Das war nur eine Reduktion eines Prozesses, der sonst im Labor stattfindet.

Gibt es eurerseits weitere Pläne, mit Lignin zu arbeiten?

Momentan noch nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dass man diesen Ausgangsstoff weiter prozessiert. Man könnte dann irgendeinen Grundkunststoff, und sei es nur ein kleiner Würfel, herausbekommen. Der Prozess vom Ausgangsstoff Holz zu einem kunststoffähnlichen Stoff ist sehr interessant. Man könnte das dann auch gießen. Es gibt heute schon einen Werkstoff, der sich Argoform nennt. Über diesen sind wir hauptsächlich zu Lignin gekommen. Die Herstellung von Argoform funktioniert über Lignin. Inzwischen wird der Stoff in der Autoindustrie für Gehäuse verwendet. Diese Art von Stoffen wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, weil sie nicht abhängig von erdölbasierten Erzeugnissen ist.

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In der Lignin-Küche. BILD Breaded Escalope

Wie geht ihr als Designer mit Holz als klassischem Werkstoff um?

Ich glaube nicht, dass wir unter dem Namen Breaded Escalope klassisch mit Holz umgehen, sondern eher auf eine dilettantische Art und Weise. Dilettantismus ist nicht per se negativ. Es ist mehr eine Aneignung von etwas, was dir noch nicht gehört, also Appropriation. Keiner von uns hat eine Tischler-Lehre. Was haben Tischler, Technologen und Thonets vor uns gemacht? Das nehmen wir als Ausgangspunkt. Es ist ein sehr spielerischer und ein möglichst unbeeinflusster Zugang, du gehst zum Ursprungspunkt zurück und schaust, wie du diesen Baum anders zeichnen kannst, wie du das anders interpretieren kannst. Du setzt an der Wurzel an und gehst deinen eigenen Weg. Die Geschichte ist dann einfacher kommunizierbar, weil du deine eigene erzählst und nicht die von irgendjemand anderem.

Werdet ihr auch in Zukunft wieder mit Holz arbeiten?

Ja. Wir haben momentan ein recht großes Projekt, das gerade ein bisschen neu strukturiert wird, ursprünglich mit der Firma Thonet in Deutschland, die Hersteller der Bug-Holzmöbel. Wir werden noch ein weiteres Projekt machen, welches sich erneut mit Holz beschäftigen wird. Wir werden einen demokratischen Entwurfsprozess anstreben, das heißt, nicht mit uns als Autoren, sondern einer größeren Menge an Leuten, die den Entwurf vorab kritisieren kann, der dann später umgesetzt wird. Es werden z.B. Tischbeine und -winkel in einer großen Produktionsstätte hergestellt und danach geht man mit dem Paket zu einem lokalen Tischler und lässt sich eine eigene Tischplatte aufsetzen. Du entscheidest über diese Attribute, wenn du das Ding spürst und riechst. Das passiert erst vor Ort, also ein Shared-Production-Modell.

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Was ist eigentlich Lignin?

Lignin ist ein Biopolymer und eine Art Stabilisationsmaterial, das im Holz eingelagert ist. Durch Lignin wird Holz so widerstandsfähig. Die organische Verbindung ist sehr fest bis spröde und hell- bis dunkelbraun gefärbt. Bisher galt Lignin als Abfallprodukt der Papier- und Zellstoffindustrie. Das »flüssige Holz« könnte allerdings zukünftig in der Kunststoffindustrie das teure Erdöl ersetzen und so eine nachhaltige und klimaneutrale Alternative zu den fossilen Rohstoffen darstellen.

www.breadedescalope.com

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