Im Jahr 2026 fahren 100% der Neuwagen elektrisch. Wirklich?

Ein Physiker hat ausgerechnet, wann sich Elektroautos endgültig gegen Autos mit Verbrennungsmotor durchsetzen. Die Berechnung überzeugt nicht jeden. 

Wann sich die Elektromobilität wirklich durchsetzt, fragen sich viele. Ein junger, deutscher Physiker hat’s ausgerechnet. „Im Sommer 2022 wird mindestens jeder zehnte Neuwagen weltweit ein E-Auto sein,“ antwortet der Physiker Richard Randoll im Spiegel Online Interview auf die Frage, wann das Elektroauto einen signifikanten Marktanteil erhält. Zu dieser überraschend konkreten Zeitangabe kommt er durch Berechnungen, die er im Rahmen seiner Doktorarbeit angestellt hat. Seine Methode ist gar nicht so kompliziert. Randoll hat die Verkaufszahlen von Elektroautos seit 2011 ausgewertet. Und die haben sich seinen Quellen nach seither alle 15 Monate verdoppelt. Ein exponentielles Wachstum. Angenommen, das Wachstum geht im gleichen Tempo weiter – dann werden 2026 schon 100 Millionen Elektroautos jährlich verkauft. Randoll geht davon aus, dass das bis dahin der gesamten Autoproduktion weltweit entspricht. In anderen Worten: Im Jahr 2026 werden keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr verkauft. Für jene, denen die rein rechnerische Prognose ein bisschen zu kühn ist, hat Richard Randoll noch eine zweite Argumentation auf Lager, die ihn zum gleichen Ergebnis führt. Er geht davon aus, dass ein Technologiewandel genau so lang dauert, wie die Lebensdauer einer Produktgeneration. Bei Verbrennungsmotoren rechnet der Physiker mit einer mittleren Lebensdauer von 15 Jahren. Ausgehend vom Nissan Leaf, dem laut Randoll ersten Elektroauto, das in Großserie produziert wurde und das im Jahr 2011 auf den Markt kam, ergibt sich daraus ein Technologiewandel hin zum Elektromotor, der im Jahr 2026 abgeschlossen sein sollte.

Eine Milchmädchenrechnung?

Nun stellt sich die Frage, weshalb die Hersteller von Autos mit Verbrennungsmotor oder die Autofahrer den technologischen Wandel hin zum Elektromotor wie eine Art Naturgesetz betrachten sollten. Physiker Randoll belegt seine These mit Beispielen aus der Technologiegeschichte, die angeblich ganz ähnlich verlaufen sind. Zum Beispiel den Wandel vom Röhrenfernseher zum Flachbildschirm oder von der Glühbirne zur LED. So ganz überzeugend findet nicht jeder die Berechnung des jungen Physikers. Ein Kommentator auf Spiegel Online meint: „Ein deutscher Physiker, der letztes Jahr seine Promotionszeit abgeschlossen hat, eine Hochrechnung, die so simpel angesetzt ist, dass sich der Begriff „Milchmädchenrechnung“ förmlich aufdrängt…“. Ein anderer Kommentator findet: „Sorry, aber da hat ein weltfremder Physiker mal Zahlenspiele angestellt. Die lassen leider Punkte wie Marktsättigung, Preis, Reichweite, Umweltverträglichkeit usw. außen vor. Es gab schon mal solche Glaskugelversteher, die eine Verdopplung der Akkukapazität voraussagten anhand der technologischen Entwicklungskurven. Alles nicht eingetreten.“

Dass sich der Zeitpunkt, zu dem sich das Elektroauto 100 Prozent Marktanteil sichert, auf den Monat genau berechnet lässt, darf bezweifelt werden. Schließlich gibt es auf dem Weg zur Elektromobilität auch einige politische Stellschrauben, an denen man drehen kann, um die Entwicklung zu beschleunigen – oder um sie zu verlangsamen.


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