Eierkrise in Europa

Dass Eier derzeit weltweit Mangelware sind, liegt an der Geflügelpest (»Vogelgrippe«) und an europäischen Klimaschutzmaßnahmen.

Ein einzelnes Ei in einem Eierkarton.
Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland ist um acht Eier gestiegen. Bild: Istock.com/Igraddesign.

Eier führen selten zu außenpolitischen Verwerfungen. Zu Redaktionsschluss beschäftigte die Weltöffentlichkeit eine Bitte des US-Präsidenten: Donald Trump bat einige europäische Länder um höhere Eierexporte. Die Vogelgrippe hatte in den USA zu einer Eierknappheit geführt, der dadurch gestiegene Eierpreis ihn innenpolitisch unter Druck gebracht. Als erstes Land sicherte die Türkei zu, 420 Millionen Eier zu liefern. Auch in Europa ist die anzeigepflichtige Infektionskrankheit gerade wieder ein Thema. »In zahlreichen Geflügelbetrieben kam es zu massiven Bestandsverlusten«, sagt Martina Rittsteuer, stellvertretende Geschäftsführerin von Geflügelwirtschaft Österreich. Betriebe mussten Tiere keulen und durften erst nach umfangreichen Hygienemaßnahmen wieder produzieren. Besonders betroffen waren osteuropäische Länder, wo sich das Virus großflächig ausbreitete. »Dies führte zu einem drastischen Rückgang der Eierproduktion und einer erheblichen Verknappung von Importware«, sagt die Branchenvertreterin. Zusätzlich machen hohe Kosten für Stallbau, Futter und Löhne den Einstieg in die Eierproduktion unattraktiv. Auch Hühner sind teurer geworden. »Vor fünf Jahren kostete eine konventionelle Henne in Deutschland fünf Euro«, sagt Hans-Peter Goldnick, der Präsident des Zentralverbands der deutschen Geflügelwirtschaft und Vorsitzende des Bundesverbands Ei, »durch den Ausstieg aus dem Kükentöten, den Getreidepreis und die Inflation kostet eine Henne heute zehn Euro.« Die Folge: Hühner werden länger in Produktion gehalten, um sie wirtschaftlich über einen längeren Zeitraum abzuschreiben. Statt wie früher zwölf Monate bleibt eine Henne heute bis zu 20 Monate lang im Einsatz. »Junge Hennen legen aber mehr Eier«, erklärt Goldnick. So sinkt die Eierproduktion trotz gleichbleibender Platzzahlen.

Der Hype um das Ei

#Auch das Image des Eis hat sich gewandelt. Galt es früher als Cholesterinbombe, wird es heute als Eiweißquelle und »Superfood« gegessen. »Es ist ein Hype um Eier entstanden«, sagt Goldnick. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland ist um acht Eier gestiegen. »Das sind in Summe 240 Millionen Eier, für die es 2,2 Millionen Hennen bräuchte«, so der Experte. Auch Klimaschutzmaßnahmen verschärfen die Lage. »In Holland hat der Staat Legehennenbetriebe aufgekauft, um sie zu schließen, da man die Tierhaltung reduzieren will«, so Goldnick. »Das betrifft zwei bis drei Millionen Hennen.« Dass die Niederlande nur noch für den Eigenbedarf produzieren, wirkt sich auf den deutschen Markt aus. Bislang wurde ein Viertel der von den Deutschen gegessenen Eier importiert. Diese Mengen fehlen nun.
Verschärft wird die außergewöhnliche Knappheit nun durch das Ostergeschäft. Die Eierfärbeindustrie hat große Mengen am Spotmarkt eingekauft, um die Eier zu kochen und zu färben. »Dadurch fehlen für etwa 14 Tage Eier am Markt«, weiß der Verbandssprecher und erklärt weiter: »In einem ohnehin unterversorgten Markt entsteht ein Vakuum.«

Pro-Kopf-Verbrauch

In Deutschland isst jedeR BürgerIn pro Jahr 236 Eier, in Österreich 248 (beide Zahlen: 2023). Tendenz da wie dort steigend.
Nicht berücksichtigt wird dabei das von der Lebensmittelindustrie verarbeitete Flüssigei.

Bio ist anders.

Der Biomarkt ist von solchen Entwicklungen weniger betroffen. Es gibt keine vergleichbare Eierfärbeindustrie. Auch ist der Hype um das »Superfood Ei« kein Hype um das Bioei. KonsumentInnen, die Wert auf besonders proteinreiche Lebensmittel legen, sind mehrheitlich keine BiokäuferInnen. Zudem funktioniert der Biomarkt insgesamt anders. »Auf dem freien Markt gibt es de facto keine Bioeier«, sagt Goldnick. »Die meisten BioproduzentInnen haben längerfristige Verträge mit dem Handel.«
Das bestätigt Spar Österreich. Genau wie Rewe Österreich und Hofer hat sich der Handelskonzern verpflichtet, ausschließlich einheimische Eier zu verkaufen. Um ausreichend Ware zu haben – besonders bei Bio gibt es derzeit Engpässe – sei »der persönliche Kontakt mit den LandwirtInnen und eine faire Partnerschaft besonders wichtig«, sagt Spar-Sprecherin Magdalena Gottschall.
Eine erste Entspannung erwartet die Branche nach Ostern, bis Jahresende werde es aber keine signifikanten Überschüsse geben, sagt Jens Eipper, Verkaufsleiter beim oberösterreichischen Eiermacher: »Preissenkungen sind daher nicht zu erwarten.« Auch in Deutschland würde der Markt mehr Bioeier vertragen. Doch laut Markus Fadl vom Verband Naturland fehlt es teilweise an Motivation zur Umstellung auf Bio: »Konventionelle Freilandeier werden aktuell gut bezahlt.«
Für die US-Exporte spielt Bioqualität keine Rolle. Sollte Europa im großen Stil Eier in die USA exportieren, wären das – ökologisch besonders bedenklich – konventionelle »Flugeier«. Frische Eier würden in Containern verderben. Mit dem Schiff kämen beim US-Präsidenten nur noch faule Eier an.

Was ein Biohuhn von einem Freilandhuhn unterscheidet, warum der Dotter beim Kochen manchmal blau wird und weiteres nützliches Eierwissen hat BIORAMA hier gesammelt.
Wer auf Eier lieber mal verzichtet, findet dazu hier wissenschaftlich fundierte Tipps.

BIORAMA #96

Dieser Artikel ist im BIORAMA #96 erschienen

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