Das Energieferien-Paradoxon

Warum die erste Ölkrise dem Tourismus half und die Energieferien ihre Bestimmung weit verfehlen. Ein Bashing zum Start der Semesterferien.

Vermutlich war es ein gespenstiger Anblick, als am 25. November 1973 auf den Straßen und Autobahnen der Bundesrepublik Deutschland gähnende Leere herrschte. Und noch irritierender als diese Leere muss die Stille an dem Tag gewesen sein. Der Grund für die autofreien Straßen war das erste von insgesamt vier verordneten Sonntagsfahrverboten. Rund ein Monat zuvor hatte die Organisation der Erdöl exportierenden Staaten (OPEC) ein Embargo über ihre Erdöl-Exporte verhängt, um politischen Druck auf die westliche Länder auszuüben. Die Folge war eine Ölkrise mit globalen Auswirkungen, die nicht nur die Abhängigkeit vieler Staaten vom Öl deutlich machte, sondern in kleineren und größeren Zusammenhängen auch heute noch präsent ist; denn die österreichische Regierung führte damals nicht nur einen autofreien Tag pro Woche ein, sondern auch: Ferien. Fast alle Schulen des Landes waren Anfang der 1970er-Jahre mit Öl beheizt. Um die teuer gewordene Ressource zu sparen, setzte der Schulbetrieb im Februar 1974 erstmalig für eine Woche aus. Der Begriff „Energieferien“ wird heute oft noch als Synonym für die Semesterferien verwendet, auch wenn die meisten Schüler und die von den Ferien profitierenden Tourismusregionen gar nicht wissen, welchem prekären Umstand sie ihr Glück eigentlich verdanken.

Bildungspolitik statt Ferien

Was in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts als intelligente Energiesparmaßnahme gegolten hat, wirkt in einem sehr kleinräumigen Denken weiter. Ein klassisches Beispiel für den sogenannten Rebound-Effekt: Das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen wird nicht oder nur teilweise verwirklicht. Energiesparlampen regen zum Mehrverbrauch an. Autos werden energieeffizienter und sie werden mehr gefahren. Oder: Die Energie und damit das Geld, das bei einer Effizienzsteigerung gespart wird, wird anderweitig investiert. Die Energieferien werden ad absurdum geführt. Die heimische Wintertourismusbranche freut sich in den Semesterferien über Rekord-Buchungszahlen. Und wer nicht auf einer der Skipisten des Landes unterwegs ist, bucht einen Flug auf die Malediven. Langstreckenflug. 29 Grad, leicht bewölkt.
Das Energieferien-Paradoxon wirft nicht nur Fragen über die Nachhaltigkeit eines wohlstandsorientierten Wirtschaftswachstums auf, sondern auch darüber, welchen Preis wir zu zahlen bereit sind, um das Gleichgewicht unserer Umwelt mit der Last des eigenen Vergnügens aufzuwiegen. Wir haben uns nicht nur an Ferien im Februar gewöhnt, sondern auch an den Komfort, den unser modernes Leben mit sich bringt. Gehören die Energieferien, das fragwürdige Erbe der ersten Ölkrise, wirklich noch zur ökologisch orientierten Bildungspolitik des Landes? Ihr Auftrag sollte besser sein, eine nachhaltige und innovative Vorbildfunktion zu liefern, die gemeinsam mit einer ebensolchen Energiepolitik Rahmenbedingungen setzt, um einen oft aus Unwissenheit und Bequemlichkeit resultierenden Rebound-Effekt in unserer Gesellschaft einzudämmen und nachhaltige Konsummuster zu diskutieren.

… Überlegt wurden 1973 übrigens auch Energiesparmaßnahmen wie die Verkürzung der Sendezeit im Fernsehen auf 22.30 Uhr. Es wäre wohl unser Schaden nicht gewesen.

 

 

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