Tourismus und Umweltschutz: Entwicklungsland Österreich (?)

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Sommers wie winters ist Österreich Magnet für Touristen aus aller Welt – doch wie verträgt sich das mit dem Anspruch, Natur und Klima zu schützen?

Einfach nur malerisch: Eine Almhütte irgendwo in der Steiermark. Nur ein kleiner Pfad führt hinauf. Oben ist die Luft wunderbar klar, man kann buchstäblich kilometerweit sehen. Autos und sonstige Umweltverschmutzer gibt es hier weit und breit keine, selbst das, was auf der Alm verkauft wird, kommt per elektrischer Materialseilbahn auf den Berg. Und alle Wanderer verhalten sich absolut vorbildlich und nehmen jedes Kaugummipapier, jede Müsliriegel-Verpackung wieder mit. Eigentlich das Idealbild eines umweltschonenden Tourismus, oder? Leider nein, denn selbst vermeintlich naturnaher Tourismus ist ziemlich oft ein ziemlicher Umweltschädling. Und gerade Österreich hat überreichlich davon, wie der folgende Artikel zeigt.

1. Es rauscht im Wald – und trampelt und murmelt

Normalerweise sollte man glauben, dass es kaum eine nachhaltigere Urlaubsweise gäbe, als das Wandern. Und zumindest was den CO2-Ausstoß anbelangt, stimmt das auch. Da ist der Mensch mit 0,7 Gramm pro Minute kein wirkliches Problem.

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Nein, das Umweltproblem von Wanderern ist ein ganz anderes. Denn es ist leider Fakt, dass viele Touristen gerade deshalb nach Österreich kommen, weil sie sich dort einen ungestörten Aufenthalt in der Natur erhoffen. Und hier kommt der Wald ins Spiel. Österreich ist zu fast 50% davon bedeckt. Je mehr Wald, desto mehr Gäste „ist ja so herrlich ruhig hier“. 41,5 Millionen Touristen besuchten das Land 2016, 23 Mio. davon im Sommer. Selbst wenn man davon nur für die Hälfte annimmt, dass sie sich auf Wanderpfaden amüsieren, muss man schlussfolgern, dass sich da im Sommerhalbjahr das Anderthalbfache unserer eigenen Bevölkerung in der Natur bewegt.

Schon allein diese Zahl an Menschen ist für den Wald schwer verdaulich, ganz einfach weil dabei Wildtiere, selbst von stillen Wanderern, immer wieder hochgeschreckt werden, sich weiter zurückziehen und an sicheren Revieren einbüßen. Jedoch muss man hinzurechnen, dass die Touristen auch hofiert werden: Immer besser ausgebaute Wanderwege, mehr Infrastruktur bis in den letzten Winkel. All das drängt die Umwelt in die Defensive – ohne dass man im Entferntesten die Belastungen durch Reiseverkehr einbeziehen müsste.

Nun ist es nicht so, dass Österreich seine Wälder beim Umweltschutz ausklammern würde, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, der Wald ist sogar ein sehr zentraler Punkt dieser Bemühungen, wie sich beispielsweise in der Waldstrategie 2020 wiederspiegelt. Aber just in diesem Projekt zeigt sich auch etwas anderes, denn die Faktoren, für die unsere Wälder wichtig sind:

  • Klimaschutz
  • Artenvielfalt
  • Schutzfunktion

müssen eben auch mit der wirtschaftlichen Bedeutung durch Tourismus und Holzindustrie in Einklang gebracht werden. Und bei so vielen Punkten, wird im Zweifelsfall das den Kürzeren ziehen, das weniger Geld einbringt. Die Mär vom Wanderer, der im Wald kein Wässerchen trübt, ist leider Augenwischerei, dazu sind die Zahlen einfach zu gigantisch. Selbst wenn jeder der 23 Millionen Sommertouristen auf den Wegen bliebe, sich an alle Umweltregeln hielte, wären Schäden dennoch nicht zu vermeiden.

2. Lass uns die Berge umgestalten

3400 Kilometer. Das entspricht in etwa der Distanz zwischen Wien und Kuwait. Oder der Zahl an Pistenkilometern im gerade einmal 12000km² großen Tirol. In ganz Österreich sind es übrigens 7500 Kilometer, damit kommt man von Wien bis Sri Lanka.

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Man muss kein Umweltforscher sein, ja nicht einmal ein großer Aktivist, um sich auszurechnen, welche Arbeiten erforderlich waren und sind, um eine solch gigantische Strecken so zu bearbeiten, dass sie den verschiedenen Ski-Schwierigkeitsgraden gerecht werden. Dafür werden nicht nur Abhänge ein wenig begradigt, wie das früher der Fall war. Nein, heute wird dafür die ganz grobe Kelle hervorgeholt. Wie es geht, konnte man erst kürzlich sehen, als St. Anton, Lech-Zürs und Warth-Schröcken ihre Skigebiete miteinander verbanden. Da werden nicht nur Hänge frisiert, sondern neue aufgeschüttet, werden ganze Berggipfel abrasiert, Bachläufe und Seen um- oder neu angelegt.

Das Ergebnis ist in etwa der Vergleich zwischen einem nach allen Regeln der Schönheitschirurgie optimierten Supermodel und einem Mädel vom Lande. Was in diesen Mega-Skigebieten noch nach Natur aussieht, ist mit Absicht dort – wenig mehr als eine Illusion zwar, aber wenigstens wirkt es auf die Touristen gut. Und es sind ja nicht einmal hausgemachte Probleme. Der Klimawandel ist Schuld, dass jährlich immer weniger Naturschnee auf die Hänge rieselt. Was macht man da? Man setzt Kunstschnee ein. Dieser Kunstschnee:

  • verbraucht pro Hektar etwa 3000 Kubikmeter Wasser
  • kostet pro Kubikmeter rund 4 Euro
  • benötigt pro Hektar zirka 12500kW/h Energie
  • wiegt etwa das fünffache von Naturschnee

Selbst auf einer ansonsten vollkommen unpräparierten Piste würde allein schon letzteres dafür sorgen, dass der Boden darunter auf Beton-Niveau verdichtet wird. Da ist es kein Wunder, dass derselbe Hang dann im Sommer die völlig normalen Regenmassen nicht aufnehmen kann – wie sollen sie bei einem so verdichteten Boden auch versickern? Und dass die gigantischen Kunstschnee-Wassermassen irgendwo herkommen müssen, ist auch klar. Die Wasserknappheit in Österreichs Skigebieten kommt nicht von ungefähr.

Und warum macht man das alles? Geld. Elf Milliarden Euro jährlich werden allein durch den Wintersport hierzulande erwirtschaftet, jeder 14. Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt daran. Ohne mit der antikapitalistischen Axt darauf einschlagen zu wollen, muss man allerdings auch fragen, was diese Milliarden uns (noch) wert sein müssen. Denn schon jetzt vermelden die Skigebiete alljährlich neue Rekorde bei den Besucherzahlen. Doch wo liegt die Grenze? Rein theoretisch erst dort, wo auch der letzte Berg umgestaltet ist.

Dass in vielen Touristen mittlerweile das Umweltgewissen erwacht und einige Skigebiete damit beginnen, nachhaltigen Wintersport anzubieten, ist zwar tröstlich, aber für die Masse und durch die bereits angerichteten Schäden bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Um wirklich etwas zu ändern, müsste wirklich großmaßstäblich umgedacht werden.

3. Überall hin mit dem Auto

Was haben Österreichs Touristikexperten nicht schon alles versucht: Autofreie Skigebiete, bestens per ÖPNV verbundene Lifte, Elektrotaxis. Alle Register, um die touristische Mobilität auf ein maximales Komfort-Level zu hieven ohne Mutter Natur noch schwerer zu schädigen.

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Genutzt hat es bislang wenig: 27% der CO2-Emissionen von Wintertouristen und nur 14% der von Sommergästen konnten dadurch eingespart werden.

Das liegt daran, dass Österreich so zentral gelegen ist. Ganz gleich woher die Touristen kommen, das eigene Auto ist für sie die komfortabelste und günstigste Form, hierhin zu gelangen – das gilt leider auch und erst recht für die Einheimischen. Mit der Folge, dass nur das Auto summa summarum für 40% aller durch den Tourismus entstehenden C02-Emissionen verantwortlich ist.

Und auch hier ist einmal mehr die Wirtschaft der Hebel, der strengere Maßnahmen verhindert. Denn es zeigt sich immer wieder, dass dort, wo Autos sehr engen Beschränkungen unterliegen, die Touristenzahlen zurückgehen. Besserung ist erst dann zu erwarten, wenn sich Elektrofahrzeuge wirklich einmal so weit durchgesetzt haben, dass sie die Majorität bilden – bloß sind wir davon noch gut und gerne 15 oder mehr Jahre entfernt.

Bis dahin kann Mutter Natur also nur hoffen, dass das mobile Umweltgewissen der Touristen in einem wesentlich größeren Ausmaß zulegt, als es bislang der Fall war.

4. In Österreichs DNA

Das mit Abstand größte Problem all dieser Faktoren ist jedoch ein Hausgemachtes. Denn Österreich kann und will gar nicht mehr ohne den Tourismus. Zu präsent sind noch die Zeiten der 40er und 50er, als Ischgl und Co. kleine und vor allem bettelarme Bauerndörfer waren. Da verwundert es nicht, dass der Vorsitzende des Tourismusverbandes von Ischgl Sätze spricht wie „Dass Pflanzen, die niemand kennt, wichtiger als die Menschen sind, verstehe ich nicht“. Und es sind nicht einmal nur die Großen, die solche Worte im Munde führen. Auch die Einwohner der Orte haben den durch den Tourismus ausgelösten Wohlstand mit der Muttermilch aufgesogen und sehen in jeder Änderung eine Gefahr.

Solche Sätze zeigen, dass vielerorts nicht einmal der jetzige Status quo weit genug ist, sondern nach wie vor eine „da geht noch mehr“-Mentalität vorherrscht. Selbst der größte Verfechter des Umweltschutzes spricht mit keiner Silbe davon, dass man, um unsere Natur zu schützen, wieder auf ein Tourismuslevel wie vor dem Krieg kommen müsse – doch genau diese Befürchtung scheint in den Köpfen, sowohl der Entscheider als auch der Einwohner umzugehen. Hier scheint es nur „entweder oder“ zu geben. Und genau daran krankt die österreichische Tourismusindustrie: Jegliches Zaudern, jegliche Vorsicht wird sofort als Versuch gewertet, die Wirtschaft anzutasten. Vorwärts immer, Stillstand nimmer.

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Dabei weiß selbst das Ministerium für Wirtschaft genauestens Bescheid, was uns blüht und formuliert in seiner Studie Klimawandel und Tourismus 2030 ein wenig schwammig „Der Trend zum naturnahen Tourismus und zu naturbezogenen Reisen, zu Umweltverantwortung, zum Wandern und Urlaub in den Alpen, zum nachhaltigen Lebensstil, zum bewussten Konsum- und Reiseverhalten eröffnen der Destination Österreich neue, zusätzliche Chancen“.

Wer um Österreichs Umwelt besorgt ist, kann da nur hoffen, dass diese neuen und zusätzlichen Chancen darin bestehen, nicht nur Naturnähe durch noch mehr Künstlichkeit vorzugaukeln, sondern jetzt schon die verbliebene Natur vor noch mehr touristischem Raubbau zu bewahren. Und das geht nur durch konsequentes Pochen vonseiten der Touristen. Nur das Packen der Verantwortlichen am Portemonnaie kann Änderung bringen. Dass es klappt, zeigen die Zahlen.

Fazit

So hart es klingt, aber für Österreichs Umwelt ist der Tourismus eine Katastrophe. Leider hängt bei uns aber ein solch gewaltiger Teil der Wirtschaft an den Gästen aus dem In- und Ausland, dass jede Maßnahme sich daran messen muss, wie negativ sie sich auf den Tourismus auswirken könnte. Es ist somit ein ungleicher Kampf, der nur durch die Touristen gewonnen werden kann, indem sie konsequent auf Naturnähe pochen – und nicht bestens präparierte Wanderwege und noch mehr Pistenkilometer. Dann kann und wird der Umschwung gelingen – auch ohne dass Österreich in ärmliche Zeiten zurückfällt.

 

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