Feigenbäume

Bäume zu pflanzen ist in den vergangenen Jahren zu einer Währung in Marketing und Corporate Social Responsibility geworden.

Screenshot aus dem Spiel Anno
Die Baumpflanzaktionen vieler Unternehmen sollen KundInnen beim Einkauf ein besseres Gefühl geben. Bild: Ubisoft.

Die Formel 1 ist nicht nur langweilig, sondern auch als zivilisatorische Errungenschaft generell nicht mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Das hat die FIA, den Verband hinter dem Motorsport, aber nicht daran gehindert, eine »Kommission für Umwelt und Nachhaltigkeit in der FIA« zu gründen, die nun den Passus 3.2.8 in das sportliche Reglement der Formel 1 schreiben ließ. Dieser besagt, dass die FIA für jeden von einem Team erkämpften Punkt in der KonstrukteurInnenmeisterschaft zehn Bäume im Rahmen des Projekts #score4trees pflanzen lässt. Auf Kosten des jeweiligen Teams. Hätte dies 2020 schon gegolten, wären dies rund 17.190 Bäume gewesen – 5730 davon hätte Mercedes gezahlt, 3190 Red Bull. 2018 soll der gesamte F1-Zirkus über 255.000 Tonnen CO2 ausgestoßen haben. Um diese Menge CO2 zu binden, bräuchte es mindestens 25 Millionen Bäume, nicht 17.190.

Pflanz mich!

Bei der Formel 1 ist der Einfluss von ZuseherInnen und KonsumentInnen auf die Anzahl der Bäume und wer deren Pflanzung bezahlt, gering. Aber immer mehr Unternehmen nutzen das Pflanzen von Bäumen als Weg, um KundInnen für ihren Einkauf ein besseres Gefühl mit auf den Weg zu geben.

So pflanzt etwa der österreichische Anbieter von gebrauchten, servicierten Elektrogeräten Refurbed seit Jahren für jedes verkaufte Gerät einen Baum – und war damit in diesem Feld ein Vorreiter. Das weiterhin wachsende Unternehmen hilft damit nicht nur, Elektroschrott zu verringern und CO2 in der Produktion einzusparen. Gepflanzt werden die Bäume von den weltweit tätigen Organisationen One Tree Planted und The Eden Projects. Die Suchmaschine Ecosia wirbt nicht nur mit Datenschutz, sondern hat bisher durch Werbeeinnahmen finanziert mehr als 140 Millionen Bäume in 30 Ländern pflanzen lassen.

A1 und Mastercard haben gemeinsam die A1 Priceless Planet Mastercard entwickelt. Pro 1000 Euro Umsatz eines oder einer KundIn mit der Kreditkarte pflanzt die Priceless Planet Coalition einen Baum. Das Ziel ist es, bis 2025 eine Million Bäume zu pflanzen. Dazu kooperiert Mastercard mit den globalen Umweltorganisationen Conservation International und World Resources Institute, die für die Koordination der Aufforstungsmaßnahmen verantwortlich sind und global mit lokalen Communitys auf eine langfristige nachhaltige Forstwirtschaft hinarbeiten.

Virtuelle Bäume für echte Bäume

Spieleentwickler Ubisoft arbeitet für das Spiel »Anno 1800« mit Ecologi zusammen, einem sozialen Unternehmen, das Aufforstungs- und andere Projekte zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes finanziert. Ab Mitte Dezember können SpielerInnen den Zusatzinhalt »Pflanz einen Baum« im Spiel kaufen, um einen virtuellen Zierbaum zu erhalten, den sie in ihrer Stadt pflanzen können. Mindestens ein Euro von jedem Kauf wird von Ubisoft an Ecologi gespendet.

Auch für Modemarken wird das Bäumepflanzen zur eigenen Währung. Dedicated hat statt einer Black-Friday-Aktion einige Tage lang pro Bestellung einen Baum von der Organisation »One Tree Planted« pflanzen lassen und so für 20.000 Bäume mehr – in dem Fall Obstbäume – gesorgt. One Choice Apparel aus Großbritannien hat so 6532 Bäume pflanzen lassen, einen pro verkauftes Kleidungsstück.

Das deutsche Unternehmen United Kiosk bietet Verlagen Distributionslösungen in Print und Digital an und hat mit der Aktion »Magazines for Future« mittlerweile 150.000 Bäume in einer Kooperation mit Eden Reforestation Projects pflanzen lassen – 10 Bäume für jedes verkaufte Abo.

Anno 1800 Plant a Tree
Wer im Spiel »Anno 1800« einen virtuellen Baum kauft, sorgt dafür, dass Entwickler Ubisoft 1 Euro pro Kauf für die Aufforstung von Bäumen spendet. Bild: Ubsioft.

Das deutsche Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt die  CO2-Emissionen pro Kopf im globalen Durchschnitt 2021 mit 4,9 Tonnen an. Jene in Deutschland und Österreich sind mit rund 8,5 und 8,3 Tonnen pro Jahr nochmal deutlich höher. Die globalen CO2-Emissionen liegen damit bei rund 35 Milliarden Tonnen pro Jahr. Im Durchschnitt kann ein Baum pro Jahr rund 10 Kilogramm CO2 binden – es bräuchte also 3500 Milliarden Bäume.

Aktuell gibt es global schon – oder noch – etwas mehr als 3000 Milliarden Bäume, wobei es jährlich um 15 Milliarden weniger werden. Im Jahr 2020 erstreckte sich der Wald über rund vier Milliarden Hektar – das entspricht etwas weniger als einem Drittel der weltweiten Landfläche. Mehr als die Hälfte der globalen Waldfläche liegt dabei auf dem Gebiet von nur fünf Staaten: Russland, Brasilien, Kanada, USA und China.

Treellionaire hat die 1-Million-Bäume-Challenge gestartet und bietet Unternehmen an, Bäume pflanzen zu lassen – wobei das Pflanzen dann wieder von verschiedenen Stiftungen umgesetzt wird. So hat etwa das FM4 Frequency Festival mit der Aktion »1 Zelt = 1 Baum« für jedes Zelt, das nicht hinterlassen, sondern wieder mit heimgenommen wird, einen Baum pflanzen lassen.

2019 waren dies 2000 Bäume – Veranstalter Harry Jenner geht davon aus, dass sich diese Zahl in Zukunft auf rund 10.000 steigern lassen sollte. Jeder Baum mehr hilft. Dass diese Art von Motivation, seinen Mist nicht einfach liegen zu lassen oder mehr zu konsumieren, als Umweltschutz verkauft wird, kann als Missverständnis eingeordnet werden.

BIORAMA #76

Dieser Artikel ist im BIORAMA #76 erschienen

Biorama abonnieren

VERWANDTE ARTIKEL