#armeleuteessen – Worum geht’s?

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Ist Bio wirklich nur etwas für Besserverdiener? Muss man sich Nachhaltigkeit erst einmal leisten können?
Wir wollen das nicht glauben – und machen deshalb den Selbstversuch: einen Monat möglichst nachhaltig essen am Existenzminimum. Tu es uns gleich: blogge auf deiner Website oder auf www.biorama.eu – und wir vernetzen via #armeleuteessen.

Bio wäre Luxus und biologisch Produziertes unerschwinglich für Arme – das hören wir bei BIORAMA immer wieder. Die Segnungen der Agrarindustrie allerdings verursachen gigantische Kosten für Umwelt und Klima. Sie können außerdem – und das gilt gerade auch für in der Region erzeugtes – oft nur deshalb so günstig angeboten werden, weil Saisonarbeiter ausgebeutet werden, weil Tiere geschunden werden. In etwa das führen wir dann als Gegenargument an. Stimmt ja auch: Fast Fashion, Fast Food, Fast Anything ist immer irgendwie billiger, verlagert die Folgekosten in andere Gegenden oder wälzt sie auf künftige Generationen ab. Oder, wie es das Motto der Wintertagung des Ökosozialen Forums auf den Punkt bringt: „Billig gibt‘s nicht. Irgendwer zahlt immer (drauf).“

Wie aber umgehen mit dem Dilemma, dass an der Supermarktkasse oder am Wochenmarkt der Blick ins Portemonnaie genauso oberflächlich wie entscheidend ist? Wenn das Geld knapp ist, liegt vielen der Griff zum konventionellen Produkt näher als der ins Bio-Regal. Alles andere wäre zwar ehrenwerter Idealismus, aber im Zweifelsfall eben auch existenzbedrohend.

Aber kann es sein, mit wenig Geld zur Verfügung nur überleben kann, wer Budgetprodukte kauft, für die Produzenten gepresst werden und die letztlich meist das Gegenteil von Fairtrade bedeuten?

Wir sind überzeugt: Nachhaltigkeit ist nicht zwingend teuer und sie darf nicht am Geld scheitern. Viele Wege, ressourcenschonend zu leben, sind sogar ganz besonders preiswert. Dazu gehört, sich auf Wesentliches zu beschränken und sich seine Bedürfnisse bewusst zu machen. So weit die Binsenweisheit. Selbstversorgung, Tauschhandel, Sharing Economy – das sind alles Ansätze, mit denen sich Geld sparen lässt. Das heisst nicht, dass man nicht Zeit und Nerven, Mühe und Fleiß einsetzen muss, um ein zufriedenes Leben irgendwie nachhaltig zu führen. Aber teuer im klassischen Sinn ist das nicht.
Trotzdem, der Verdacht bleibt: Sich und seine Familie vollständig Bio zu ernähren, das schaffen womöglich nur Akademiker mit guten Gehältern, bei denen ein Joghurt eben auch 79 statt 29 Cent und ein Brot 5 statt 3 Euro kosten darf. Sich aus dem eigenen Garten zu ernähren, ist für die meisten Haushalte schlicht unrealistisch. Ist Bio für Familien mit Durchschnittseinkommen, für Studierende, für Geringverdiener, für Arbeitslose wirklich zu teuer?
Wir behaupten: Sich bio zu ernähren, dass muss einkommensunabhängig möglich sein. Und weil wir uns dabei gar nicht so sicher sind, machen wir den Test.


 

Der Selbstversuch. Einen Monat essen am Existenzminimum.

Nein, der Versuch ist nicht als zynisch zu verstehen. Vielmehr wollen wir Vorurteile bekämpfen – jene der Kritiker („Bio können sich bloß Besserverdiener leisten“) genau wie unsere eigenen („Das geht sich irgendwie aus!“). Also stellen wir uns folgende Fragen und rufen zum kollektiven Selbstversuch auf:

Kann man sich mit wenig Geld gesund und nachhaltig ernähren? Wir wollen es wissen.

Im Rahmen des BIORAMA-Experiments #armeleutessen wollen wir einen Monat lang versuchen, uns von wenig Geld zu ernähren. Das soll heißen: von dem Budget, das im Rahmen der Mindestsicherung für Ernährung vorgesehen ist.

  • Können wir davon „bio“ leben?
  • Reicht das Geld für den Bio-Laden, für „bio“ aus dem Supermarkt, oder müssen wir uns von ökologisch produzierten Lebensmitteln verabschieden?
  • Braucht es dafür Vorratshaltung, fruchtbare Beete am Balkon oder gar einen Schrebergarten oder eine Selbsternteparzelle?
  • 
Wie lässt sich beim Lebensmittelkauf Geld sparen?
  • Wieviel billiger ist saisonales Essen?
  • Wie schwer ist das in der Stadt? Und sind Landbewohner im Vorteil?
  • Sind Tauschwirtschaft, Sharing-Economy, Food-Coops etc. Modelle, die auch für armen Menschen Lösungen bieten?

Wir wollen dazu einladen, es gemeinsam auszuprobieren und die Versuche online zu dokumentieren, in Artikeln, als Blog, bei Instagram und Twitter unter dem Hashtag #armeleuteessen. Gemeinsam mit Martin Schenk von der Armutskonferenz haben wir in der vorliegenden Ausgabe von BIORAMA den Schwerpunkt zum Spannungsfeld Armut und Ernährung erarbeitet. Am Ende bleibt die Frage ,Ist ein nachhaltiger Lebensstil leistbar?’.


 

Wieviel ist wenig Geld?

Seit Anfang 2016 liegt der Hartz IV Regelsatz für Alleinstehende bzw. Alleinerziehende Erwachsene in Deutschland bei 404 Euro (364 Euro für volljährige Partner in einer Bedarfsgemeinschaft). 143,42 Euro davon sind für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke vorgesehen. Das macht bei 30 Tagen im Monat 4,78 Euro am Tag (Quelle: hartziv.org).
Die österreichische Mindestsicherung funktioniert anders als Hartz IV bzw. das Arbeitslosengeld II in Deutschland. Sie setzt sich für Erwachsene zusammen aus 628,32 € Grundbetrag und  209,44 € Wohnkostenanteil pro Monat. Laut Armutskonferenz bleiben nach Abzug der üblichen Fixkosten für Lebensmittel und Dinge des alltäglichen Bedarfs rund 180 Euro monatlich. Daraus ergibt sich ein Tagesbudget von rund sechs Euro.


 

Antworten aus der Praxis wollen wir nun finden.

Auf Facebook, in unserem Newsletter und auf Twitter verweisen wir auf eure Blogbeiträge. In den nächsten Ausgaben berichten wir auch in print.

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