Gut Auskommen

Nichts würde weibliche Altersarmut so gut bekämpfen wie bessere Information und eine fairere Verteilung von unbezahlter Arbeit im Haushalt und mit Kindern.

Frau im Portrait
Frauen sind deutlich häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. Bild: Istock.com/photbac.

Frauen sind deutlich öfter – je nach Quelle doppelt oder drei Mal so häufig – von Altersarmut betroffen wie Männer. Die Höhe der Pension ist abhängig von der Höhe der Beitragsleistungen und von der Anzahl der Versicherungs- und Beitragsmonate. Dies führt dazu, dass Frauen nicht nur weniger verdienen als Männer, sondern auch deutlich weniger Pension bekommen. Und die Unterschiede sind hier noch größer als bei den Gehältern: In Österreich liegen die Alterspensionen der Frauen laut Statistik Austria und den Daten des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger je nach Art der Berechnung um rund 40 bis 50 Prozent unter den Pensionen der Männer. Nimmt man als Grundlage den Median der Alterspensionen, dann betrugen die monatlichen Bruttopensionsbezüge der Frauen 2019 1.019 Euro und jene der Männer 2.007 Euro – eine Differenz von 49,2 Prozent. Auch in althergebrachten Familienbildern, in denen die Ehen nicht geschieden werden und der Mann die Frau an seiner Pension teilhaben lässt, ist diese Unterschied eklatant. Spätestens wenn der Mann tot ist, bekommt die Frau aber nur mehr maximal 60 Prozent Witwenpension vom Verstorbenen. Und auch wenn die Scheidungsrate in den letzten Jahren abnimmt, so lag sie 2020 in Österreich knapp unter und in Deutschland knapp über 38 Prozent. Wenn die Ehe hier überhaupt noch ein Maßstab sein kann oder soll. Maßgeblich für all das ist, dass Frauen ein niedrigeres Gehalt bekommen und öfter in Teilzeit arbeiten und oft noch immer viel mehr Zeit um Aufgaben wie Haushalt, Nachwuchs und Pflege aufbringen.

Unbezahlte Arbeit

Die WU Wien hat im Lockdown während der Pandemie 2020 untersucht, wie Eltern ihre Zeit verwenden. Das Ergebnis: Frauen und Männer arbeiteten damals zwischen 11 und 15 Stunden pro Tag. Alleinerzieherinnen kamen mit knapp 15 Stunden auf die meisten Stunden, wobei sie dabei 9 Stunden unbezahlte Kinderbetreuung und Hausarbeit verrichteten. Mütter in Paarhaushalten arbeiteten über 14 Stunden – neuneinhalb davon unbezahlt, Väter arbeiteten knapp unter 14 Stunden und rund 7 unbezahlt. Deutlich ähnlicher waren die Arbeitszeiten in Paarhaushalten im Home Office ohne Kinder verteilt, da sind beide knappe 8 Stunden erwerbstätig und machen zusätzlich rund 3 Stunden lang Arbeiten im Haushalt. Die Ausgangssperren während der Pandemie haben die Situation und die Mehrfach-Belastung besonders in der Kinderbetreuung sicher verschärft – das Ungleichgewicht gibt es aber auch sonst. Laut Eurostat-Zahlen aus dem Jahr 2019 liegt der Anteil an Erwachsenen die täglich kochen oder Hausarbeit erledigen in Deutschland bei Frauen bei 72 Prozent der Frauen und nur 29 Prozent der Männer. Auch in dieser Statistik zeit sich die Fortschrittlichkeit nordeuropäischer Länder: In Schweden und Dänemark sind es immerhin auch rund 55 Prozent der Männer, die sich täglich im Haushalt betätigen. Länder, in denen etwa auch das Kindergeld und die Aufteilung der Karenzzeit zwischen den Eltern automatisch gleicher aufgeteilt wird.

Männer, die abwaschen
Im EU-Schnitt gaben 2019 79 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer an täglich zu kochen oder im Haushalt tätig zu werden. Bild: Istock.com/peopleimages.

Andere Länder, andere Regelungen

Verschiedene Länder haben verschiedene Strategien, um dieser eklatanten Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken – falls dies politisch überhaupt erwünscht ist. So kann man sich in Deutschland etwa für ein Rentensplitting entscheiden. Dazu müssen beide Ehe- oder Lebenspartner mindestens 25 Jahre an rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten in ihrem Versicherungskonto haben und es betrifft nur Rentenansprüche, die während der Ehe angesammelt wurden. Ist die gemeinsame Erklärung mit dem Wunsch nach Rentensplitting einmal bei der deutschen Rentenversicherung abgegeben, ist diese verbindlich. Weder eine spätere Scheidung, noch der Todesfall des Partners haben einen Einfluss auf die Rentenansprüche. Es ist auch egal, wie viel der hinterbliebene Partner verdient, oder ob er erneut heiratet. Schon Zuvor können sich Ehepaare und eingetragene Lebenspartner mit dem Steuersplitting dazu entscheiden, eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben. Dies bringt gegenüber der Einzelveranlagung meist einen klaren Steuervorteil – vor allem wenn einer der Partner deutlich weniger verdient als der andere. Dies wird allerdings als Anreiz gesehen, dass Frauen zu Hause bleiben oder nur Teilzeit arbeiten, weil sich man sich als Paar so steuern sparen kann.

In der österreichischen Pensionsberechnung, können sich Eltern bis zu vier Jahre, die sie sich um ein Kind (bei nur einem Kind) kümmern, als Beitragsmonate anrechnen lassen. Allerdings erhöhen diese nur die Beitragsmonate und nicht die Höhe der Beiträge. Darüber hinaus können Eltern für die Jahre der Kindererziehung ein freiwilliges Pensionssplitting vereinbaren. Der erwerbstätige Elternteil kann Teile seiner Pensionskontogutschrift an den Erziehenden übertragen. Auch diese Vereinbarungen sind unwiderruflich und können nicht mehr geändert oder aufgehoben werden. Und auch hier gilt: Frauen, die sich den Kindern oder dem Haushalt widmen, profitieren, von dieser Regelung – Unabhängigkeit und finanzielle Selbstständigkeit sehen allerdings anders aus.

Leere Geldbörse
Rund 15 Prozent der SeniorInnen über 65 in Österreich gelten als armuts- bzw. ausgrenzungsgefährdet. Bild: Istock.com/Andrei Vasilev.

Die gesamte Strecke

Nach wie vor hört man oft, dass es Paaren gelingt, die Hausarbeit bis sie Kinder bekommen, zur Zufriedenheit beider aufzuteilen – aber sobald das erste Kind da ist, fallen sie in althergebrachte Rollenbilder. Carmen Thornton, Familienrechtsanwältin in Wien, die unter anderem auf dem feministischen RRRIOT Festival zu Gast war, erzählt davon, dass die Last auch oft falsch eingeschätzt wird. Manche Paare einigen sich für die ersten beiden Jahre nach der Geburt eines Kindes darauf, dass mehr Betreuungsarbeit von der Frau geleistet wird und es dafür auch einen entsprechenden Ausgleich in Form eines Unterhalts für den Verdienstentfall geben soll. Hier geht es aber nicht nur um einen Ausgleich des aktuellen Gehalts, sondern auch späterer Folgen wie der Pension. Vielen Paaren ist aber nicht so bewusst, dass die intensive zeitliche Betreuung eines Kindes nicht nach zwei Jahren endet. Auch später gibt es für Schule, Lernen, Sport, Freizeitaktivitäten, Feiern oder Kinderbesuche viel zu tun«, ruft Thornton in Erinnerung. Diese Organisation und den Zeitaufwand übernehmen dann meist die Frauen – ohne einen entsprechenden Ausgleich zu vereinbaren. Irgendwie naheliegend, aber auch immer noch bemerkenswert ist die Tatsache, dass ein hohes Haushaltseinkkommen die Aufteilung nicht einfacher macht. »Ich sehe das auch in meinem direkten Umfeld«, sagt Thornton: »Gerade in Haushalten mit besserer Bildung und in Berufsgruppen wie ÄrztInnen oder auch JuristInnen ist das gesellschaftliche Bild mitunter überdurchschnittlich konservativ und gerade hier ist dann der Unterschied zwischen Frauen und Männern die Aufteilung von Haushaltsarbeit, Kinderbetreuung oder auch Finanzen betreffend besonders ungleich.«

»Stillkurse und Geburtsvorbereitung sind für viele geradezu selbstverständlich, über finanzielle Vor- und Nachteile verschiedener Regelungen für Eltern, gibt es aber kaum Information. Nicht mal einen schlichten Zweiseiter, den man in der Ehevorbereitung oder in der Schwangerschaft beispielsweise mit der Abholung des Mutter-Kind Passes mitbekommt«

Carmen Thornton

Einen großen Hebel sieht nicht nur sie einerseits in einer Änderung der Gesetze, die eine andere Aufteilung als Normalfall ansehen, sondern schlicht in mehr Aufklärung und Information. Andere Länder, wie Beispiele in Nordeuropa, sehen sowohl für die Karenzzeit, als auch die Kinderbetreuung und den Umgang mit den Finanzen ganz automatisch eine gleichere Aufteilung vor. In diesen Ländern ist es zwar möglich als Paar und Eltern andere Vereinbarungen zu treffen, diese müssen aber extra beantragt werden. »Auch in Österreich ist eine bessere Verteilung der Belastung möglich«, erzählt Thornton aus der Praxis »im Gegensatz zu den Beispielen in Nordeuropa muss die gleiche Verteilung zum Beispiel das Pensionssplitting hier aber extra beantragt werden. Das Wissen darüber ist aber zu wenig verbreitet und außerdem wird hier ein Aufwand nötig, den manche wohl vermeiden.« Man hat rund um Schwangerschaft und junge Kinder schließlich genügend Entscheidungen und Erledigungen. Es wird eben zu wenig darüber gesprochen und informiert. »Stillkurse und Geburtsvorbereitung sind für viele geradezu selbstverständlich, über finanzielle Vor- und Nachteile verschiedener Regelungen für Eltern, gibt es aber kaum Information. Nicht mal einen schlichten Zweiseiter, den man in der Ehevorbereitung oder in der Schwangerschaft beispielsweise mit der Abholung des Mutter-Kind Passes mitbekommt« ärgert sich Carmen Thornton. In den letzten Jahren sind die Angebote für Vorsorge, Beratung und weitere Finanzprodukte speziell für Frauen gestiegen – zumindest wurden Frauen in der Kommunikation als Zielgruppe direkter denn je angesprochen. Private Vorsorge ist für Frauen und Männer ein Weg früh Geld auf verschiedenen Wegen auf die Seite zu legen und so später finanzielle Einschnitte während der Pension auszugleichen. Und natürlich kann auch zum Beispiel ein Vater oder eine besser verdienende Partnerin für eine Person, die sich mehr um Haushalt, Kinder oder Pflege kümmert, diese einzahlen oder unterstützen. Gesellschaftliche Ungleichheiten werden dadurch aber in den rein privaten Bereich geschoben, während andere Regelungen und mehr Information und Vermittlung die größeren Hebel wären.

Karenz

Laut einem Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2020 entfallen in Österreich im Jahr 2018 auf Männer nur 4,5% der genehmigten Anspruchstage beim Kinderbetreuungsgeld.

In Deutschland planten im Jahr 2020 laut dem Statistischen Bundesamt Destatis Männer durchschnittlich mit einer Bezugsdauer von 3,7 für das Elterngeld, Frauen mit 14,5 Monaten.

BIORAMA #75

Dieser Artikel ist im BIORAMA #75 erschienen

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