Gemacht in Österreich

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BILD Christina Häusler

Emailgeschirr boomt, weil es robust, gesund und nachhaltig ist. Davon profitiert auch der Hersteller Riess, der jüngst zum Öko-Vorzeigebetrieb wurde.

Das Milchreindl von der Oma, der geblümte Suppentopf von der Mama: Das waren die gängigen Assoziationen, wenn man Ende der 90er Jahre an Riess dachte. Ein wenig Wehmut war dabei, so als müsste die Marke ebenso langsam verschwinden wie die meist zum Bersten vollen Haushaltswarengeschäfte, in denen man Riess-Töpfe kaufen konnte. Emailgeschirr wurde damals kaum mehr geschätzt: In den 80er Jahren eroberten die schicken Edelstahl-Töpfe die Küche, in den 90er Jahren folgte beschichtetes Kochgeschirr, mit dem man leicht fettfrei kochen kann. Doch während viele der altmodischen Einzelhändler für Hausrat tatsächlich zusperren mussten, vollzog sich in Ybbsitz an der Eisenstraße so etwas wie ein kleines Wunder.

»Wir haben um 2000 intensiv nachgedacht und uns mit dem Werkstoff Email und den eigenen Stärken und Schwächen auseinandergesetzt«, erzählt Julian Riess, einer der drei Firmenchefs. Zunächst galt es, die Produktion auf den neusten Stand der Technologie zu bringen und zugleich im Verkauf die Vorteile von Email wieder hervorzukehren. Und die sind beachtlich: »Email ist nichts anderes als Glas, aufgeschmolzen auf Stahl, ein durch und durch natürliches Material, das komplett recycelt werden kann«, so Riess. Weiters ist es geschmacksneutral, daher für Allergiker geeignet, robust, kratz- und schnittfest und außerdem für Induktionsherde geeignet. Beste Voraussetzungen für das aufkommende Gesundheits- und Nachhaltigkeitsbedürfnis in den Nullerjahren.

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BILD Riess

Die Ära der Aromapots

Doch gute Argumente nützen wenig, wenn das Image nicht genauso gut ist – und sei es im wortwörtlichen Sinn als Dekor auf den Töpfen. Und so wurde Riess eines der Vorzeigebeispiele dafür, was möglich ist, wenn sich ein mittelständisches Unternehmen auf Design einlässt. In einem experimentellen Projekt ließ man das Wiener Duo Polka utopische Töpfe, Pfannen und Tassen kreieren, woraus zwar kein Serienprodukt, aber eine innerbetriebliche Horizonterweiterung resultierte. Ganz abgesehen vom angenehmen Nebeneffekt, dass man plötzlich via Lifestyle-Medien ein komplett neues Publikum erreichen konnte. Um ein markttaugliches Produkt zu erhalten, initiierte man als nächstes einen kleinen Designwettbewerb, aus dem das Duo Dottings siegreich hervorging. Dessen »Aromapots« und die Aufbewahrungsdosen namens »Kitchen Management« läuteten eine neue Ära bei Riess ein. Neue Formen, neue Farben, selbst neue Funktionen – wie zum Beispiel, dass der Deckel eines Topfes zum Untersetzer am Tisch wird – sorgten für Begeisterung, nicht zuletzt bei einem jüngeren Publikum. Vor Kurzem konnte man auch noch Sarah Wiener als Testimonial für eine neue Produktserie gewinnen, deren gestalterische Umsetzung wieder bei Dottings lag. Die Promi-Köchin wählte ihre liebsten Torten- und Backformen, die dann mit Farbtönen versehen wurden, die an Vanille, Zwetschke, Pistazie oder Schokolade erinnern.

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BILD Riess

Wasserkraft für Email

Der kontinuierliche Relaunch der Marke wurde innerbetrieblich von ökologischem Engagement begleitet. »Wobei das Thema Nachhaltigkeit einem mittelständischem Unternehmen wie unserem ja praktisch in die Wiege gelegt wurde«, so Riess. Die Firma produziert seit 200 Jahren am gleichen Standort Ybbsitz (und dort seit zirka 100 Jahren Emailwaren), da gebe es automatisch Verpflichtungen gegenüber den Menschen und der Umwelt. »Es galt bei uns immer schon das Prinzip, seine Umgebung sauber zu halten.« Bereits seit den 30er Jahren wird der Energiebedarf durch drei hauseigene Wasserkraftwerke gedeckt, nach einem Hochwasser im März 2005 beschloss man, die Instandsetzung der damals lädierten Wehranlage mit der Errichtung einer neuen Fischtreppe zu kombinieren. Nicht ohne Stolz verweist man im CSR-Bericht auch darauf, dass man den Wasserverbrauch bei der Produktion um ganze 90 Prozent verringern konnte, die benötigte Energie fürs Brennen wird mittlerweile auch fürs Trocknen der Waren ebenso verwendet wie fürs Heizen der Produktionshalle. Ein Anliegen sind dem Unternehmen auch die kurzen Transportwege von Rohstoffen, so bezieht man etwa das Rohblech zu 100 Prozent von der nahen VOEST. Als Nächstes will man noch Erdwärme und Solarenergie nützen.

Das kommt bei kritischen Kunden natürlich gut an, doch in Ybbsitz bleibt man realistisch und erhöht die jährliche Produktion um moderate ein bis zwei Prozent. Das nach der Pleite von Austria Email im Jahr 1980 einzig verbliebene heimische Emailunternehmen weiß, warum. Denn viel mehr ist auf dem österreichischen Markt nicht drinnen, und die weitere Expansion – etwa nach Deutschland – muss Schritt für Schritt geplant und entsprechend kommuniziert werden, gerade in einem höheren Preissegment, in dem ein Emailtopf so viel kostet wie ein ganzes Topfset beim Diskonter. Da freut man sich natürlich über Vertriebspartner wie Manufactum, der zu jedem Produkt bekanntlich eine kleine Hintergrundgeschichte mitliefert.

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BILD Christina Häusler

Von Schabern und Sieben

Apropos Geschichte: Dem Unternehmen Riess wird man mit der Erzählung von schönen Töpfen und Pfannen aus Email übrigens nicht gerecht. Denn man verdient zum Beispiel auch mit Schildern Geld. Riess Email gibt’s in Wien, Graz, Linz, Klagenfurt oder Innsbruck wortwörtlich an jeder Ecke – in Form von Straßenschildern. Nicht zu vergessen die zweite große Marke des Unternehmens, das ja eigentlich nicht Riess, sondern Riess-Kelomat heißt, seit man 2001 die Edelstahl-Kochgeschirrmarke Kelomat übernommen hat. Auch in diesem Segment wurde die Produktpalette überarbeitet, zu den bekannten Schnellkochtöpfen kam ein großes Sortiment an Küchenhilfen: Schaber, Kellen, Messer oder Siebe. »Da war die beste Werbung für uns der Film ›Plastic Planet‹«, erklärt Julian Riess. Denn Küchenhilfen in Plastik sind nur begrenzt hitzebeständig und abriebfest und daher auf der roten Liste von gesundheitsbewussten Käufern.

60 Prozent des Umsatzes macht das Familienunternehmen, das in der neunten Generation geführt wird und knapp 90 Personen beschäftigt, mit der Marke Kelomat, erst dann kommt die Emailsparte. Dass man in jüngster Zeit darüber besonders gern spricht, ist verständlich. Man darf aber davon ausgehen, dass der geglückte Relaunch der Marke den Ybbsitzern nicht zu Kopf steigen wird. Was sind schon einige Jahre im Vergleich zur langen Geschichte des Produktionsstandortes? Wo heute in Ybbsitz Designer-Emailtöpfe entstehen, wurden schon vor 500 Jahren Kochtöpfe aus Eisen hergestellt, pardon: gemacht. Da war von Sarah Wiener noch lange keine Rede.

Zu diesem Artikel hat BIORAMA die Nachfrage einer Leserin erreicht, die wir an die Firma Riess weitergeleitet haben. Frage und Antwort finden sich hier

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