Entrüstungssturm im Wasserglas

Wasser

Immer wenn große Themen auf den Titelseiten stehen, werden die verbalen Keulen ausgepackt. Die Keulen treffen deshalb so gut, weil viele Menschen berechtigt Angst haben vor einer Privatisierung des Wassers. Privatisierung ist aber nicht gleich Privatisierung und die geplanten Richtlinien der EU bedeuten nicht, dass ab jetzt Nestlé jeden Wasserhahn von Amstetten bis Zürs kontrolliert. Worum dreht sich denn die ganze Aufregung?

Stein des Anstoßes: Die EU hat geplant, Transparenzvorschriften und Regulierungen für die öffentliche Konzessionsvergabe zu beschließen. Darunter fällt neben Abfallbeseitigung und Winterstreudiensten auch die Wasserversorgung. Schnell hat sich eine Gegenbewegung gebildet, unter ebendiesem Namen fordert eine Bürgerinitiative: „Wasser ist ein Menschenrecht“. Ein Ansatz, der zieht: Schon fast 1,5 Millionen EU-Bürger haben das Begehren gegen Wasserprivatisierung unterschrieben. Thomas Kattnig ist Nationaler Koordinator von „Wasser ist ein Menschenrecht“. Er betont: „Wasser ist kein Luxusgut und auch keine Handelsware. Es ist zur Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse unerlässlich und für die Existenz eines jeden Menschen notwendig.“

Wem gehört das Wasser?

Damit trifft Kattnig einen wichtigen Punkt und wirft eine philosophische Frage auf: Wem gehört Wasser? Prinzipiell können Rohstoffe ja auf dem Markt gehandelt werden. Bei Holz, Edelsteinen oder Metallen ist die Besitzfrage eher einfach geklärt: Sie gehören demjenigen, auf dessen Grund sie gefunden werden. Wer aber hat das Recht auf Nutzung (und die Pflicht zur Erhaltung) bei einem Stoff wie Wasser, der in Flüssen zum Teil durch viele Länder fließt und ohne den kein Mensch überleben kann? Darf so ein Stoff überhaupt jemandem gehören?

Natürliche Monopole

„Wasser ist ein Lebensmittel und wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben“, sagte Nestlé-Chef Peter Brabek einst im Dokumentarfilm „We Feed The World“. Er nennt die Forderung, Wasser zu einem Menschenrecht zu erklären, eine „Extremlösung“. Worte wie diese beunruhigen viele Menschen nicht ohne Grund. Was würde passieren, wenn ein multinationaler Konzern bestimmen könnte, woher wir unser Wasser bekommen und wie viel wir dafür zahlen müssten? „Netzgebundene Dienstleistungen wie Wasser gelten als natürliche Monopole und eignen sich nicht für private Anbieter“, sagt Kattnig, „Schließlich interessiert private Anbieter auch nicht die Frage von Investition, Nachhaltigkeit und Umweltkosten.“

Bereits in privaten Händen

Alles berechtigte Einwände, aber auch Kattnig gesteht ein, dass die EU-Richtlinie streng genommen niemanden zur Privatisierung zwingt. Wer sein Wasser in private Hände geben will, kann das heute auch schon machen. In Österreich haben über 90 Gemeinden ihre Wasserversorgung an teilprivatisierte Unternehmen ausgelagert. Eine davon ist die Marktgemeinde Gablitz, deren Trinkwassernetz seit 2010 von der Energieversorgung Niederösterreich (EVN) betrieben wird. Bürgermeister Michael Cech erklärt, man habe sich dazu entschieden, weil die Sanierung des alten Netzen viel Geld gekostet hätte und Gablitz durch die EVN auch an das Wiener Hochquellwassernetz angeschlossen wurde. Genau in solchen Fällen werden viele Aufträge bisher unter der Hand vergeben – und fördern somit Korruption. Würden die Transparenzrichtlinien der EU in Kraft treten, wäre das nicht mehr so leicht möglich. Cech betont, man sei nach anfänglichen Schwierigkeiten mittlerweile sehr zufrieden mit der privaten Lösung und sagt: „Wir haben das Gefühl, weiterhin Kontrolle über unser Wasser zu haben. Schließlich ist alles vertraglich genau geregelt.“

Auf die Finger schauen

Was sagt uns das alles? Die Aufregung um Privatisierung des Wassers per se ist berechtigt – Wasser ist eben kein Lebensmittel wie jedes andere und kann nicht nur durch die Augen des Marktes gesehen werden. Es ist gut, wenn Bürger und Bürgerinnen ihren gesetzlichen Vertretern auf die Finger schauen. Die Diskussionen, die rund um das Thema Wasserprivatisierung geführt werden, sind wichtig und richtig. Genauso wie die Tatsache, dass Menschen Krach machen sollen, wenn sie das Gefühl haben, dass Gesetze mehr Schlechtes als Recht bringen. In diesem Fall aber sollte man aber ganz genau hinsehen, worum es geht und sich nicht von den verbalen Keulen (egal welcher Seite) blind schlagen lassen. Sonst schaut man am Ende bloß durch die Finger.

 

BIORAMA hat Michael W. Cech, den Bürgermeister der Marktgemeinde Gablitz, und Thomas Kattnig, den österr. Koordinator der Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschnrecht“ um ein Kommentar zur Wasserprivatisierung gebeten. Pro und Contra – lest selbst: www.biorama.eu/glasklare-argumente

VERWANDTE ARTIKEL