Was Thun, Fisch?

Bild: Jürgen Schmücking

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Der Fischeinkauf gestaltet sich immer mehr zum ökologischen Spießrutenlauf.

Überfischung, gentechnologisch veränderte Lachse, die Lachslaus (die Geisel der maritimen Fischzucht), die Gefährdung der Artenvielfalt, zerstörerische Fangmethoden, lange Transportwege, lückenhafte Kühlketten und nicht zuletzt soziale und politische Aspekte. Dass man mit Fischverzicht auf der sicheren Seite ist, stimmt zwar, mit bewußtem Fischkonsum können aber essentielle Signale gesandt werden. Und die Situation auf den Weltmeeren sogar verbessert. Hier ein paar Fakten, Zusammenhänge und Empfehlungen. Hedonistisch geprüft und gütesiegelunabhängig.

No go: Roter Thun & Seeteufel

Es gibt Fische, die gehen eigentlich gar nicht. Nicht die Fische selbst natürlich. Vom Konsum ist die Rede. Allen voran, und quasi beispielhaft für die großen Probleme der Meere, der Blauflossen-Thunfisch oder Roter Thun. Zugegeben, O-Toro ist ein kulinarisches Erlebnis, das sich unauslöschlich in die Großhirnrinde brennt. Das Fleisch liegt so weit unten am Bauchlappen, dass der Fett- den Muskelfleischanteil oft weit übersteigt. Allerdings ist der Preis dafür nicht akzeptabel. Damit ist nicht (nur) der Preis für den Fisch gemeint, der aufgrund der immensen Nachfrage und der mittlerweile stark eingeschränkten Verfügbarkeit oft astronomische Höhen erreicht. Der Preis, den wir dafür zahlen, ist die Ausrottung der Spezies mit weitreichenden Folgen für das Ökosystem Meer. Es gibt kaum einen Fisch, der mehr unter Druck steht als der Rote Thun. Die ungehemmte Nachfrage der Sushi-Gastronomie, die nicht minder unersättliche Konservenindustrie, High-Tech-Ortung, Ringwadennetze und kilometerlange Langleinen setzen den Beständen im Nordatlantik und dem Mittelmeer enorm zu. Noch bedrohter geht eigentlich gar nicht.

Bild: Jürgen Schmücking

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Lösungen für das Problem werden auf vielen Ebenen gesucht. Mit unterschiedlichem Erfolg. Die Ebene (staatlicher) internationaler Organisationen und der Diplomatie ist dabei ebenso erfolg- wie aussichtslos. Zu stark wirken ökonomische Interessen einiger Nationen, zu schwammig ist das internationale Recht, wenn es um Fanggebiete auf hoher See geht. Greenpeace und WWF gehen die Sache radikaler und mit deutlich mehr Öffentlichkeitswirksamkeit an. Ihnen ist zu verdanken, dass das Thema ins Bewusstsein rückt. Eine umfangreiche Änderung im Verbraucherverhalten wird durch diese Protestaktionen nicht erreicht. Slow Food hat dazu seinen eigenen – hedonistischen – Zugang gefunden. Einen Zugang, der dem Geist der Organisation entspricht. »Gut, Sauber, Fair«, lautet das Credo von Gründer Carlo Petrini. Genau so soll auch die Alternative sein, die dem Konsumenten (in der Slow Food-Diktion »Co-Produzent«) angeboten wird.

Auf der letzten »Slow Fish – Messe für nachhaltiges Fischen« in Genua zeigten zwei japanische Sushi-Meister, wohin die Reise gehen kann. Jeden Morgen besuchten Kiyoshi Hayamizu und Katzoumi Ota die Marktstände der lokalen Fischer und wählten aus dem Fang des Tages aus. Sie zauberten delikate Nigiri-Sushi aus Makrelen und Anchovies aus dem ligurischen Meer. Außerdem wurden Bonito und Mahi Mahi verarbeitet. Der Bonito (Skipjack oder Weißer Thun) ist mit Einschränkungen eine gute Alternative zum Blauflossenthun. Der flinke Räuber ist kleiner als sein großer, roter Bruder. Der WWF empfiehlt pazifischen, mit nachhaltigen Methoden gefangenen Bonito als erste Wahl. Das Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) bietet hier einige Sicherheit. In der japanischen Küche hat Bonito als Katsue einen fixen Platz. Nicht nur für Sushi. Ein Drittel der gefangenen Bonitos werden getrocknet und zu Flocken verarbeitet. Diese Flocken – Katsuobushi – sind die Grundlage für Dashi, die Umami-Ur-Suppe, die wiederum das Fundament der japanischen Küche darstellt. Der Mahi Mahi ist der Fisch mit dem prägnanten Kopf, den ich am Bild halte. Er ist auch unter Goldmakrele zu finden. Er kommt in allen Meeren vor, der Zustand der Bestände ist aber nicht exakt erfasst. Wenn Mahi Mahi, dann bitte von kleinen, traditionellen Fischereien. Deren Fangmethoden – Angelruten und Schleppangeln – haben keine nennenswerten ökologischen Auswirkungen wie drastische Bestandsreduktion oder Beifang. Bei der Herkunft einfach darauf achten, dass er nicht aus dem Pazifik kommt. Handleinengefangener Mahi Mahi aus dem Südost-Atlantik ist die beste Wahl. Kulinarisch ist die Goldmakrele sowieso chronisch unterbewertet.

Bild: Jürgen Schmücking

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Ein weiterer Fisch, der nicht oder möglichst selten auf dem Teller landen sollte, ist der Seeteufel. Kurioserweise heißt der Fisch auch Angler, obwohl er mit einer Methode gefangen wird, die keinen Angler mit Stolz erfüllt. Das Grundproblem – im wahren Wortsinn – ist, dass der Angler am Meeresgrund grundelt. Es gibt zwar einige Fischer und Fischergemeinschaften, vor allem in Südengland, die mit nachhaltigen Stellnetzen arbeiten, also mit ruhenden Netzen, die darauf warten, dass der Fisch hineinschwimmt, einer Falle quasi. Der überwiegende Teil der auf heimischen Märkten angebotene Seeteufel ist allerdings Beute von Schleppnetzen, die den Meeresboden entlanggezogen werden und alles planieren, was ihnen in den Weg kommt. Schleppnetze sind tonnenschwere Ungetüme aus Ketten und schweren Tauen, hinterlassen eine Spur der endgültigen Verwüstung, zerstören Riffe und produzieren unproduktiven Beifang. Mit Schleppnetzen zu fischen ist etwa so, als ob man den Wald abholzt, um Hasen und Wildschweine zu jagen.

Fazit: Wenn Thunfisch, dann keinesfalls Blauflossen-Thun. Bonito ist die bessere Wahl – wenn er im Südpazifik gefangen wurde. Ein Blick auf die Verpackung ist dabei recht aufschlussreich. In der Sushi-Bar auf alles verzichten, was maguro oder gar toro heisst. Und Finger weg vom Seeteufel.

Zucht und Ordnung

Heute stammt fast jeder zweite verzehrte Fisch aus Fischzuchten. Lachs wäre beispielsweise unbezahlbar, würde der Bedarf ausschließlich aus Wildfang gedeckt. Im Jahr 2012 übertraf die Nahrungsmittelproduktion mittels Aquakultur erstmals die Rindfleischproduktion. Unproblematisch ist die Aquakultur keinesfalls: Garnelenzucht in Südostasien gefährdet tropische Mangrovenwälder, die für die Zuchtanlagen abgeholzt werden. Dicht besetzte Lachszuchtanlagen verschmutzen Küsten, den Grund unterhalb der Anlagen und gefährden den wilden Bestand durch zuchtspezifische Krankheiten und Schädlinge. Der Einsatz von Antibiotika und Pestiziden in den dicht besetzten Zuchtanlagen kann zudem zu belasteten Nahrungsmitteln führen; in asiatischen Garnelen wurden gelegentlich auch in Europa nicht zugelassene Pestizide gefunden. Zum anderen werden immer noch Fische, bzw. Fischmehl eigens als Futter für die Farmen gefangen. Kritiker fürchten, dass Aquakulturen daher das Problem der Überfischung nur verlagern.

Bild: Jürgen Schmücking

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Zum Schluss noch drei uneingeschränkte und ethisch einwandfreie Fischempfehlungen:

Austern kommen in der Regel aus ökologisch völlig unbedenklichen Zuchten, agieren als Filter für Meerwasser, reduzieren maritime Lethalzonen und werden chemikalienfrei gezüchtet. Über ihren kulinarischen Wert braucht man nicht diskutieren.
Karpfen sind Friedfische. Konkret bedeutet das, dass sie sich pflanzlich ernähren. Also ohne Fischmehl, für dessen Produktion dem Meer Biomasse entzogen wird. Nachhaltiger als Karpfen lässt sich kaum ein Fisch produzieren. Die große Herausforderung für den Fisch ist, dass er vom kulinarischen Abstellgleis geholt wird. Am besten Weg dazu ist er.

Last but not least: Der Pollack oder oder Alaska-Seelachs. Wenn schon Fischstäbchen, dann so. Die Bestände in der Bering-See sind intakt, die Fischerei mit pelagischen Schleppnetzen ist nachhaltig. Viel mehr als Fischstäbchen und Backfisch gibt der Pollack nicht her, aber auch dafür gibt es Nachfrage. Nicht zu knapp. Guten Appetit!

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