Destroy your enemies, not your planet

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BILD Vehement

Das Label Vehement aus Berlin ist weltweit der erste Anbieter von veganen Kampfsportartikeln. Damit stellen sie von vornherein klar, gegen wen sie in den Ring steigen.

Wer glaubt, dass sich harte Jungs und Mädels keine Gedanken um Mensch, Tier und Umwelt machen, denkt auch nicht weiter, als das Klischee zulässt. Als ob Wut nicht lenkbar wäre und eine martialische Ästhetik gegen gute Absichten spräche. Davon abgesehen: Woher kommt wohl die Stärke von Kampfsportlern? Gerade in den kombinierten Disziplinen besteht diese nicht nur aus Muskelkraft, sondern ebenso aus Kondition und Technik. Und die kann man sich nicht über Nahrungsergänzung zuführen. Dazu benötigt man einen klaren Geist, einen gesunden Lebensstil und viel Disziplin. Von da ist der Weg hin zu veganer Ernährung und einem nachhaltigen Lifestyle dann gar nicht mehr so weit. So gesehen ist es fast ein Wunder, dass Jan Lenarz erst jetzt mit seiner Geschäftsidee für Vehement rausrückt und vegane Kampfsportartikel herstellt. Ähnlich sieht es die Szene, die die erste Hunderter-Charge des Boxhandschuhs »Wolfheart X1« über Nacht fast vollständig wegkonsumiert hat. Den Rest hat sich der größte Online-Fachhändler Boxhaus unter den Nagel gerissen, der damit dem Markt ein klares Signal zugunsten des kleinen Start-ups setzte.

Die Radikalität des Kampfsports als Initialzündung

Jan Lenarz ist selbst seit etwa zehn Jahren Thaiboxer. Begonnen hat alles in der Roten Flora, Hamburgs Wahrzeichen des linksradikalen Widerstands. »Anfangs war ich öfters im Krankenhaus, aber das hat nachgelassen, nachdem ich den Verein gewechselt habe und das Training kontrollierter wurde.« Es sei eben ein ganzheitlicher Sport. Einer, in den man eintaucht, jeden Muskel bewegt, der auspowert und die Sinne schärft. Einer, für den man sein angeborenes Aggressionspotenzial kanalisiert. »Vor allem verliert man seine Angst. Erst vor Schmerzen, dann vor anderen Bedrohungen.« So kam es zu dem Slogan »Destroy our enemies, not your planet«, den Lenarz heute für Vehement verwendet. »Es geht weniger um echte Feinde, sondern um die eigenen Dämonen. Ängste und Zweifel. Wenn man nicht für etwas einsteht, ändert sich auch nichts.« Die Radikalität des Kampfsports als Initialzündung, durch die man das eigene Wertesystem prüft? Ganz klar: Veganismus ist auf seine Weise auch radikal.

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Jan Lenarz, BILD Vehement

Als Lenarz auf der Suche nach einer Alternative zu Lederboxhandschuhen war, fand er nur minderwertige Plastikexemplare. Er hatte eine Nische entdeckt: hochwertige Kunstledervarianten, fair und vegan. Er machte sich auf die Suche nach einem Produzenten, der seine Idee versteht. »Die Farben und die Nähte sind gar nicht so einfach ohne tierische Komponenten umzusetzen«, erklärt er. Eine kleine Fertigungsstätte in Pakistan hat es dennoch geschafft. Das Ergebnis konnte von Vegan Society zertifiziert werden. Lenarz raffte sein Erspartes zusammen und löste die Produktion aus. Er hatte Vertrauen in den Produzenten, der ihm Bilder schickte und bereitwillig einen Vertrag unterschrieb, der auf den ILO-Kernarbeitsnormen basierte. Von Beruf Grafik-Designer war es für Lenarz ein Leichtes, einen Webshop aufzubauen. Die Ware kam an, war von bester Qualität und verkaufte sich über Nacht. Mit dem frisch verdienten Geld bestellte er gleich die doppelte Menge. »Die zweite Charge sah dann wie die Raubkopie der ersten aus. Schlechte Verarbeitung, übelriechendes Material, der Druck war minderwertig.« Lenarz verlor den Mut und legte das Projekt auf Eis. Nur dass Vehement zu diesem Zeitpunkt schon ein Selbstläufer war. Einschlägige Foren hypen den Handschuh, der durch seine Qualität neue Zeichen setzt. Das Kunstleder wird im Gegensatz zu Leder nicht rau, müffelt nicht und ist abwaschbar: ein Aspekt, der bei häufigem Körperkontakt klar von Vorteil ist. Profiboxer sprechen sich für das Produkt aus, andere Prominente freuen sich über das nachhaltige Label, das ganz ohne Ringelpiez mit Anfassen auskommt. Letztlich war es ein weiterer sehr eindringlicher Impuls von außen, der Lenarz wieder auf Kurs brachte.

Maria Gross lernte den Unternehmer im Social Impact Lab in Berlin kennen, ein Coworking-Space, in dem sich Social Entrepreneurs zum Arbeiten, Netzwerken und Kooperieren treffen. Die Betriebswirtin und Non-Profit-Managerin leitet die Dependance in der Hauptstadt und war von Anfang an begeistert von Vehement. Sie überzeugte Lenarz davon, sich für das Stipendium »Social Impact Start« zu bewerben, ein von SAP und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziertes Stipendium. Und tatsächlich setzte sich Vehement durch und wurde acht Monate lang mit Coaching durch SAP-Mitarbeiter gefördert. Gross fühlte ihre Ahnung bestätigt und bot an, einzusteigen. Heute kümmert sie sich um die wirtschaftlichen Belange, den Kontakt zu den Stakeholdern und den Vertrieb des Unternehmens. Ihre erster Arbeitsschritt war jedoch der Gang in ein Boxstudio. Sie wollte den Sport kennenlernen und wurde regelrecht überrannt davon, was das mit ihr machte. »Nach meinem ersten Training war ich körperlich völlig ausgepowert und mein Verstand war angeschaltet wie noch nie.« Inzwischen ist sie regelmäßig dort. »Kampfsport hat mich verändert. Ich gehe sicherer auf Leute zu und sie reagieren anders auf mich.«

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Der Wolfheart – X1, BILD Vehement

Gemeinsam kämpfen 

Gemeinsam arbeiten Lenarz und Gross nun daran, Vehement auf die nächste sozialunternehmerische Stufe zu heben. Die Nachfrage ist vor allem in den USA groß. Daher haben die beiden dort eine Niederlassung gegründet und kooperieren mit einem Logistikdienstleister in Los Angeles. Durch eine Kickstarter-Kampagne im kommenden Oktober möchten sie weitere Produkte finanzieren. Mit einigen prominenten Fürsprechern, wie etwa dem Profiboxer Mac Danzig oder der Punkband Boysetsfire, sind sie enge Kooperationen eingegangen. Den härtesten Kampf wird Vehement allerdings zugunsten der Sozialverantwortung und des Umweltschutzes fechten. Die pakistanische Produktion haben sie bisher nicht besucht. Die Kontrolle der Sozialstandards ist auf die Distanz und mit den geringen finanziellen Mitteln schwer. Daher überlegen sie die Produktion nach Holland zu holen. »Mein Ziel ist, Vehement nach Fairtrade zertifizieren zu lassen. Aus tiefer Überzeugung und weil so ein Angebot im Sportartikelbereich dringend notwendig ist. Die Verbraucher sind bereit«, so Lenarz. Zum anderen schneidet ihr Kunstleder aus Polyurethan in der Ökobilanz zwar besser ab als konventionelles Leder, aber es basiert dennoch auf Erdöl. »Das übliche Recycling-Material kommt wegen der hohen Belastung der Boxhandschuhe nicht infrage. Daher konzentrieren wir uns momentan auf Post-Consumer-Recycling und denken an ein Rücknahmesystem und suchen nach Ideen, was man aus den benutzten Handschuhen machen kann«, so Gross. »Wir beobachten hoffnungsvoll die Entwicklung der ganzen neuen Kunstlederarten: Kork oder Kunstleder auf Planzenbasis. Wir wollen lieber einen 100% pflanzlichen Handschuh als eine Recyclingprodukt«, so Lenarz. Solche Meilensteine erreicht das Unternehmen jedoch nur langfristig und mit starken Partnern. »Wer weiß, vielleicht meldet sich ja auf diesen Artikel jemand.« Gross grinst verschmitzt. Passen würde es ja zu der Geschichte von Vehement. Und wenn Gross und Lenarz eines wissen, dann, dass sie ihren Gegner nur im Auge behalten können, wenn sie aus der Deckung kommen.

www.vehement-mma.com

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