Ist das Weiß ist der Zahnpaste gesundheitsschädlich?

Was haben Zahnpasta, Sonnencreme, Kaugummi und Wandfarbe gemeinsam? In all diesen Produkten, und vielen anderen, sorgt mitunter Titandioxid für chemisch-strahlendes Weiß. In der EU wird nun entschieden, ob die Chemikalie als krebserregend oder nicht klassifiziert wird.

Im Septermber entscheidet die EU-Kommission ob die Chemikalie Titandioxid als krebserregend eingestuft wird.
Der chemische Weißmacher Titandioxid ist in vielen Dingen des Alltags enthalten. Bild: Benjah-bmm27 auf wikipedia.org (Public Domain).

Titandioxid, oder TiO2, wird als chemischer Weißmacher in der Herstellung von Lebensmitteln, Kleidung, Kosmetika, Kunststoff und Papier eingesetzt. In Sonnencremes kommt Titandioxid als Nanopartikel vor. Denn in dieser Form absorbiert die Chemikalie UV-Strahlung. Für den Begriff Nanopartikel gibt es eine Definition der EU, die als Empfehlung für die Mitgliedsstaaten gilt. Hat man eine bestimmte Menge einer Substanz – am besten, man stellt sich ein Häufchen Staub vor – muss mehr als die Hälfte der Partikel – also der Staubkörner – zwischen einem und hundert Nanometer groß sein. Dann spricht man für die gesamte Menge der Substanz von Nanopartikeln.

Als Nanopartikel kommt Titandioxid vor allem in Sonnenschutzmitteln zum Einsatz.

Neben Kosmetika, Lebensmittel, Papier und Wandfarbe, ist Titandioxid oft auch in Zahnpasta enthalten. Bild: pixabay.com.

Frankreich verbietet den Weißmacher

2006 erklärte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) TiO2 als möglicherweise krebserregend bei Menschen. Basierend darauf und Studien aus dem Jahr 2016, die keine krebserregende Wirkung bei Titandioxid feststellen konnten, jedoch darauf aufmerksam machten, dass die Chemikalie noch zu wenig erforscht ist, forderte die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz (ANSES), dass Titandioxid als Stoff mit vermutlich krebserregender Wirkung eingestuft wird. Außerdem will Frankreich bis Ende 2018 TiO2 in Lebensmitteln verbieten. Einige Hersteller in Frankreich haben dies bereits umgesetzt.

Toxikologe kritisiert Einstufung

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA regelt welche Chemikalien in der EU zugelassen werden. Sie kümmert sich außerdem um die Registrierung von Chemikalien und bewertet diese. Gegründet wurde sie anlässlich der Verordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals). Die Agentur mit Sitz in Helsinki stufte TiO2 als Stoff mit Verdacht auf krebserregende Wirkung bei der Einatmung ein, also niedriger als von ANSES vorgeschlagen. Das hatte der europäische Ausschuss für Risikobewertung (RAC) empfohlen. ECHA begründet ihre Entscheidung so: Es habe es zu wenig Hinweise dafür gegeben, die Chemikalie in die von der französischen Agentur ANSES vorgeschlagene, höhere Kategorie einzustufen. Doch auch diese EU-weite Einstufung stößt auch auf Kritik.

Harald Krug ist Toxikologe und wurde aufgrund seiens umfangreichen Wissens über Titandioxid als Experte von Biorama herangezogen.

Harald F. Krug war im Forschungszentrum Karlsruhe (heute KIT) Abteilungsleiter und danach seit 2007 an der Schweizer Eidgenössischen Materialprüf- und -forschungsanstalt tätig. Er leitete dort die Abteilung für Nanomaterial-Zell-Interaktionen und war Mitglied im Direktorium. Seit 2017 ist er pensioniert und hat eine eigene Firma, die sich mit den Risiken der Nanotechnologie befasst (NanoCASE GmbH). Bild: Harald Krug.

Harald Krug, Toxikologe und Geschäftsführer von NanoCASE, kann die Entscheidung der ECHA nicht nachvollziehen. Die Einstufung beruhe auf veralteten Tierstudien mit Ratten, die unter Bedingungen durchgeführt wurden, die heute nicht mehr zulässig wären. Die Titandioxid-Belastung während der Studien sei zu hoch gewesen, um realistische Schlüsse zu ziehen. Es gebe »keinerlei Hinweise darauf, dass je ein Mensch durch TiO2 einen Tumor bekommen hat«. Für die menschliche Gesundheit mache es auch keinen Unterschied, ob Titandioxid in Nanopartikelform vorliegt oder nicht. Die einzige Gefahr bestünde bei der Einatmung von Nano-TiO2, da es, wie andere sogenannte granulär persistente Stäube, in der Lunge zu Entzündungen führen kann. Das liege aber nicht am Stoff selbst, sondern an der Partikelmenge.

TiO2-Entscheidung liegt nun an EU-Kommission

Im kommenden September soll nun die EU-Kommission entscheiden, welche Formen von Titandioxid als Stoffe mit Verdacht auf kanzerogene Wirkung bei der Einatmung klassifiziert werden und wie Produkte, die diese Formen enthalten, gekennzeichnet werden. Eine solche Einstufung könnte auch dazu führen, dass die zulässige Verwendung der Chemikalie zur Herstellung von Kosmetika eingeschränkt wird.

Krug hofft, dass die EU-Kommission »im Namen guter wissenschaftlicher Praxis« entscheiden wird und die Einstufung der ECHA zurücknimmt. Gerechtfertigt wäre für ihn maximal eine Einstufung sämtlicher granulär, persistenter Stäube als krebserregend, aber dann auch nur in entsprechend hohen Dosen. Darüber, nur Titandioxid so einzustufen, sagt er: »TiO2 allein durch eine solche Einstufung zu ‚brandmarken‘ halte ich für ungerechtfertigt und auch für falsch, da sie allen Regeln der ECHA, der RAC-Kommission und guter wissenschaftlicher Praxis widerspricht.«

Harald Krug würde sich wünschen, dass die Entscheidung der ECHA zurückgenommen wird.

Nach der Einstufung der ECHA und ANSES, wird im September die EU-Kommission entscheiden, wie Titandioxid in Zukunft eingestuft und gekennzeichnet wird. Bild: pixabay.com.

Das Corporate Europe Observatory (CEO), eine NGO mit dem Ziel, politische Einflussnahme wie Lobbying innerhalb der EU offenzulegen, warnt nun davor, dass Chemieunternehmen die Entscheidung der Kommission durch finanzielle Mittel beeinflussen könnten. Lobbying steht – in seinen verschiedenen Formen und von unterschiedlichsten Interessensgruppen – in der EU auf der Tagesordnung. Jedoch sind viele Unternehmen, so auch  die Titanium Dioxide Manufacturers Association (TDMA), nicht im Lobbying-Transparenz-Register der EU verzeichnet und haben laut CEO bereits größere Geldsummen an die PR-Firma Fleishman-Hillard für Lobbying-Dienste gezahlt. Laut einer Pressemeldung des CEO lässt die Motivation der EU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Klassifizierung von TiO2 als womöglich krebserregend aufgrund der Lobbying-Aktivitäten der Industrie bereits nach.

Titandioxid erkennen

Möchte man als Konsument wissen, ob in den gekauften Produkten Titandioxid enthalten ist, muss man sich ziemlich genau informieren. Denn der Begriff »Titandioxid« steht meistens nur bei Arzneimitteln explizit unter den Inhaltsstoffen. Bei Tabletten wird der Stoff nämlich für die Produktion der glatten, glänzenden Überzüge verwendet. Bei anderen Produktgruppen kann TiO2 zwar enthalten sein, es werden jedoch komplett andere Begriffe verwendet.  Bei Lebensmitteln wird die Substanz innerhalb der EU als E171 gekennzeichnet, in Wandfarben als PW6 (Pigment White 6) und in Kosmetika als CI 77891. Lediglich bei Sonnenschutzmittel lässt sich der Inhaltsstoff klar durch den Begriff Titandioxid auf der Verpackung erkennen.

Bei Lebensmitteln erkennt man Titandioxid an dem Label E171, bei Kosmetika an CI 77891.

Wenn es um die Kennzeichnung geht, trägt Titanoxid viele Namen. Bei weißen Wandfarben wird es als Pigment White 6 gekennzeichnet. Bild: pixabay.com.

Um in Produkten enthaltene Nanopartikel für Verbraucher klarer erkennbar zu machen, gibt es EU-Verordnungen, die die Kennzeichnungspflicht dieser festlegen. Seit 2013 gilt so eine für Kosmetika, seit 2014 für Lebensmittel. Hinter jedem Inhaltsstoff, der Nanopartikel enthält, muss demnach in der Kennzeichnung das Wörtchen »Nano« in Klammer folgen. Für andere Produktgruppen gibt es solche Regelungen nicht.

Alternativen zu Titandioxid gibt es laut Harald Krug nur wenige. Bei Wandfarben hat Titandioxid das giftige Bleiweiß abgelöst. Bei Sonnenschutzmitteln gebe es jene mit physikalischem Filter statt chemischer Schutzbarriere oder welche mit organischen Substanzen, die jedoch mit hormonellen Nebenwirkungen einhergehen können, meint Krug.

In Sonnencremes ist Titandioxidals Nanopartikel enthalten. In dieser Form absorbiert der Stoff UV-Strahlung.

Bei Sonnenschutzmitteln wird unter den Inhaltsstoffen am ehesten „Titandioxid“ angegeben. Ist die Chemikalie als Nanopartikel vorhanden, muss dies außerdem seit 2013 angegeben werden. Bild: pixabay.com.

Was ist eigentlich REACH?

REACH trat 2008 in Kraft und zwingt Unternehmen in der EU zur Offenlegung aller Chemikalien, die sie einsetzen. Das Ende der Registrierungsfrist war der 31. Mai 2018. Nach zehn Jahren REACH wurden über 88.000 Registrierungen bei ECHA eingereicht, worunter sich 21.551 verschiedenen Chemikalien befanden. Nach Ablauf der Frist will die Europäische Kommission nun die bisherige Funktionsweise von REACH evaluieren.

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