Nussland Österreich: Start-up für 1.500 Hektar Walnuss-Plantagen

Wohin mit überschüssigen Nüssen? Nussland-Gründerin Julia Taubinger über die modernste Nussknackanlage Europas und das Eichhörnchen als wichtigsten Mitarbeiter

»Das Eichhörnchen ist unser wichtigster Mitarbeiter«, meint Julia Taubinger, die Gründerin von Nussland. Ein Interview über Österreichs neue Nussplantagen, den Geschmack deutscher Walnüsse und das Knacken privat gesammelter Nüsse.

Julia Taubinger und Marcus Schindelegger vor ihrer Nuss-Knack- und Aufbereitungsanlage in Dollbach in Niederösterreich: (Foto: Franz Crepaz)

BIORAMA: Österreich ist nicht wirklich ein Nussland. Warum haben Sie denn den Namen Nussland gewählt?
Julia Taubinger:
Es ist doch manchmal so, dass etwas entsteht, wenn es angesprochen wird? Dass Österreich kein Nussland sein soll, wurde uns schon öfter gesagt. Dass Walnüsse aus Österreich im Handel nicht zu finden sind, ist aktuell eine Tatsache. Nach 3 Jahren Erfahrung im Ankaufen und Knacken heimischer Walnüsse mussten wir genau das Gegenteil feststellen: Es gibt Walnüsse in Österreich! Und es wird in den kommenden Jahren noch viel mehr Walnüsse geben, da viele neue Plantagen angesetzt wurden. 
Unser Ziel ist es, das »nussige« Potential Österreichs wieder auf den Tisch zu bringen. Dafür muss aber noch das Bewusstsein geschaffen werden. Heimische Walnüsse gibt es nicht nur in Nachbars Garten. Die sollte man auch in jedem Geschäft kaufen können.
Außerhalb der Saison kommen in Österreich die Walnüsse aktuell aus Kalifornien und Chile, während der Saison aus Moldawien, Rumänien und China. In Österreich werden sie lediglich nachsortiert.
Die Walnusskerne gehen durch viele Hände, bevor sie hier fein verpackt werden und den Weg in die Geschäftsregale finden. Dies hat natürlich hygienisch einen großen Nachteil.
Bei uns im Nussland wird frisch geknackt, mehrmals maschinell nachsortiert und manuell, visuell sowie akustisch nachkontrolliert. Frische und Hygiene machen neben der Regionalität einen großen qualitativen Unterschied.

Was zweifellos steigt, ist die Nachfrage nach heimischen Nüssen. Wie viele Hektar Nüsse bräuchten wir denn in Österreich und Deutschland, um den Gesamtbedarf an Walnüssen abdecken zu können?
Nötig sind viele abertausend Menschen, die wieder gewillt sind, die Walnüsse vor ihrer Haustüre vom Boden aufzusammeln und abzuliefern. Dafür stehen zur Walnussernte unsere Übernahmestellen verteilt in Österreich bereit. So kann dieses Potential besser genutzt werden. In Österreich wurden in den letzten Jahren 1.500 Hektar Walnussplantagen angelegt. Ob alle Bäume je in den Ertrag kommen, ist fraglich, aber dennoch wünschenswert und notwendig, um genug rein österreichische Ware zu erhalten. Die Situation in Deutschland kenne ich persönlich noch nicht. Aber es tut sich Einiges in Deutschland. Wir haben auch schon deutsche Walnüsse aufgekauft und geknackt. Es sind ähnliche Sorten. Diese Nüsse schmecken dann typisch deutsch, aber wir sprechen im Grunde die gleiche Sprache.

Das Knacken und Auslösen der Walnuss gilt als mühsam, zeitintensiv und teuer. »An das Potenzial der Nüsse zu glauben und diese aufzuklauben, lohnt sich wieder. Wir kaufen Nüsse zu guten Preisen.« steht auf Ihrer Website. Wie kam es dazu?
Aus Überzeugung und aus Liebe zur Sache. Wir haben die modernste Walnussknackanlage samt Nachsortierung auf europäischem Gebiet installiert und ein neuartiges Verfahren zur Veredelung von Nüssen entwickelt. Dazu gehört auch Innovationsfreude und Durchhaltevermögen.

Bei uns gibt es gute Preise für angelieferte Walnüsse, weil wir Qualität fair bezahlen. Nicht jede Nuss ist gleich der anderen. Jede Nusssorte will anders geknackt werden, somit sind die Kerne sehr unterschiedlich. Auch harte Nüsse gibt es zu knacken. Aber wir sind dankbar und auch stolz, dass so viele Menschen wieder begonnen haben, Walnüsse zu sammeln und ebenfalls an das Potential der heimischen Walnuss glauben. Mit der Nachfrage nach Walnüssen steigt die Zahl der Plantagen. Im kleinstrukturierten Österreich werden in der Landwirtschaft einträgliche Alternativen gesucht. Nun gilt es auch, die Vertriebskanäle zu überzeugen, dass die »Nuss Austria« wieder da ist. Zu Zeiten von Kaiserin Maria Theresa wurde jeder Familie bei der Geburt eines Kindes ein Walnussbaum übergeben. Im 1. Weltkrieg wurde dann das Walnussholz für Gewehrschäfte abgeholzt. Die Walnuss hat also Geschichte in unseren Breitengraden. Aus dem Holz der Bäume sollte jedenfalls sinnvolleres gemacht werden.

Ich muss gestehen, dass ich erst auf Ihrer Website das Wort »lohnknacken« kennengelernt habe. Was passiert denn beim Lohnknacken? Ich nehme einmal an, das passiert mit einer Nussknackmaschine?
JJa, genau. Ab einer bestimmten Menge Walnüsse bieten wir auch an, dass wir gegen Bezahlung aufknacken und nachsortieren. Es ist nicht unsere Hauptbeschäftigung, aber eine Option. 

Kontrolle an der Knackanlage (Foto: Nussland)

Sie kaufen sowohl Bio-Nüsse, als auch unzertifizierte aus privaten Gärten, als auch solche aus konventionellen Nussgärten. Warum?
Walnüsse von Biobetrieben mit Zertifikat werden bei uns genauso angekauft wie die Nuss aus privaten Gärten – wir nennen sie die Nuss-Sammler-Nuss – oder eben auch die konventionelle Walnuss aus landwirtschaftlichen Flächen. Wichtig ist für uns, dass wir nachvollziehen können, wie viele Walnussbäume der Lieferant besitzt. Wir trennen bei der Lagerung, beim Knacken und Verarbeiten strikt zwischen den verschiedenen Anlieferungen.
Bio-Betriebe sollten ihren Walnussbaumbestand überprüfen und zertifizieren lassen. Achtung an alle Zertifizierungsstellen: Nicht jede »Nuss« ist eine »Walnuss«. Auf jenen Bio-Flächen, wo die Natur mit Respekt behandelt wird, kann auch die Bio-Walnuss wachsen. Unsere Lieferanten sind aktuell noch keine Plantagenbesitzer. Unsere Ankaufskriterien und Qualitätskontrollen bei der Übernahme sind genau und strikt. Das garantiert aber auch, dass wir die Ware frisch und hygienisch sauber anbieten können. Wir bieten somit regionales Superfood.

Wie unterscheidet sich die konventionelle Nussproduktion in unseren Breiten von der kontrolliert biologischen?
Natürlich betrachtet noch nicht sehr. Sobald es in Österreich Plantagennüsse geben wird, wird der Unterschied groß sein. Deshalb beginnen wir bereits, bei den Produzenten das Bewusstsein zu schärfen.

Sie suchen auch aktiv Landwirte, die Ihnen Nüsse verkaufen, um diese dann zu gesalzenen oder karamellisierten Nüssen, zu Tee, Pesto oder Schnaps zu veredeln. Wie viele Nussbauern gibt es denn in Österreich, Deutschland und der Schweiz?
JIn Österreich sind es, wie gesagt, 1.500 Hektar Walnussbaumflächen, die in den letzten Jahren gepflanzt wurden. Wie viele Landwirte genau dahinterstehen, weiß ich aktuell nicht. Einige sind groß, viele sind klein. Wir bauen jedenfalls einen Vertrieb für Naturnüsse und auch für die veredelten Sorten auf, und sind bereit, noch mehr Walnüsse aus Österreich anzukaufen, zu knacken, zu verarbeiten und auf den Tisch zu bringen. Partner suchen wir hierfür natürlich immer. Es macht Freude zu sehen, dass die Natur etwas hervorbringt, was wieder genutzt wird, weil das Bewusstsein dafür gekommen ist und man daran teilhaben kann.

Wenn ein Biobauer oder eine Biobäuerin auf Nusskulturen umsteigen möchte: Wie viele Jahre dauert es denn bis ein Walnussbaum ordentlich trägt?
Es kommt darauf an, wie alt der Nussbaum beim Setzen ist. Üblicherweise werden die Walnüsse in einem Alter von zwei bis drei Jahren gesetzt. Ab 5 bis 6 Jahren gibt es erste Walnüsse und mit acht bis zehn Jahren kann man von Erträgen sprechen. Es braucht also etwas Durchhaltevermögen. Sinnvoll für die Verarbeitung ist es, veredelte Walnussbäume zu setzen.

Auch Privatpersonen können mit selbst im Garten oder wild am Wald- und Wegesrand gesammelten Nüssen kommen. Wie viele private Lieferanten hat denn Nussland?
JÜber 2.000 bis heute. Und es dürfen mehr werden. Damit die Nuss zu uns kommt, kommen wir zu den Nüssen. Wir haben einige Übernahmestellen für Walnüsse bereits verteilt in Ober- und Niederösterreich. Mit der Nähe zu den Lieferanten erreichen wir österreichweit auch kleinere Produzenten und Sammlerinnen. So werden unnötige Auto-Kilometer vermieden und wir erhöhen das Sammelvolumen. Sinnvoll sammeln macht eben Sinn. Für nächstes Jahr sollen in weiteren Regionen Übernahmestellen hinzukommen.

Wenn ich Ihnen ein Kilogramm selbst gesammelter Nüsse aus dem Garten bringe, was bekomme ich denn dann dafür?
JDie Preise variieren von Jahr zu Jahr und von Nussbaum zu Nussbaum und von konventionell zu bio.
Dieses Jahr gab es europaweit gute Ernten. Trotzdem haben wir für österreichische Walnüsse versucht, den Preis stabil zu halten. In einem schlechteren Nussjahr wünschen wir uns, dass wir viele Menschen motivieren können, uns Ware zu bringen. Die Preise lagen heuer zwischen € 1,20 – € 2,50 – abhängig von den genannten Parametern.

Ursprünglich stammt die Walnuss aus Persien und wurde erst von den Römern in unsere Breiten gebracht. Wie geht es denn der Walnuss im Klimawandel? Gehört sie zu den Gewinnern oder zu den Verlierern?
JWenn es im Winter genug regnet, ist es gut. Wenn es im Sommer warm ist, aber auch. Was uns das Klima bringt, wenn es sich wandelt, kann ich hier nicht beantworten. Die aktuelle Klimaphase in unseren Breitengraden ist sicherlich gut für den Walnussbaum.

Gibt es bei Walnüssen eigentlich richtige Schädlinge? Das Eichhörnchen, das Sie im Logo führen, ist ja nicht wirklich einer, oder?
JDas Eichhörnchen ist unser bester Mitarbeiter. Jede Walnuss, die das Eichhörnchen vergräbt und nach dem Winter nicht mehr findet, ist ein weiterer potentieller Baum. Die Walnussfruchtfliege ist für die Walnüsse am Baum ein ernstzunehmender Schädling. Durch Beerntung und kalte Winter kann man hier Einhalt gebieten. Blausieb und Bakterien können den Plantagen zusetzen. Dies wird eine Herausforderung für biologisch geführte Walnussplantagen.

Nussland wird von 21. bis 23. Juni 2019 mit einem Stand auf der BIORAMA #Fairfair19 in Wien-Neubau am Gelände des ehemaligen Sophienspitals vertreten sein.

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