Die Frage nach der Nuss – Are we nuts!?

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Adventszeit bedeutet Nusszeit. BIORAMA hat deshalb genau ins Supermarktregal geschaut und sich gefragt, wieso es eigentlich keine heimischen Bio-Nüsse zu kaufen gibt.

Der Dezember riecht nach Zimtsternen, Lebkuchen und Vanillekipferln. Backen gehört in der Adventszeit genauso wie Weihnachtsmärkte und das abertausendste »Last Christmas« einfach dazu. Damit man die selbstkreierten Leckerbissen aber auch ganz ohne schlechtes Gewissen genießen kann, greift man natürlich nur zu den besten Zutaten. Die sollten wenn möglich nicht nur bio, sondern auch gleich regional sein. Bei Eiern, Milch oder Butter ist das mittlerweile kein Problem mehr – aber was ist eigentlich mit den Nüssen? Begibt man sich im Supermarkt oder Bioladen seines Vertrauens auf die Suche nach den kleinen Energiespendern mit Hauptaugenmerk auf das Herkunftsland, wird man kaum fündig werden. Heimische Bio-Nüsse aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind für die meisten Konsumenten schlichtweg nicht aufzutreiben.

Der heimische Anbau ist eine harte Nuss

Die Frage, warum man keine regionalen bio-zertifizierten Nüsse im Supermarkt zu kaufen bekommt, erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Immerhin gibt es in unseren Breiten vielerorts Haselnusssträucher und Walnussbäume in Gärten, auf Bauernhöfen und auf Feldern. Das in Mitteleuropa herrschende Klima begünstigt die Kultivierung von Walnussbäumen, besonders in Weingegenden sind sie durch wintermilde Temperaturen häufig verbreitet. Elmira Bertagnoli ist Geschäftsführerin von Lemberona, einem Lebensmittelunternehmen, das bei seinen Produkten immer auf Regionalität und Bio-Qualität setzt. Wenn es um Nüsse geht, muss allerdings auch ein nachhaltiger Konzern wie dieser auf internationale Bioware ausweichen: »Walnüsse gibt es viele in Österreich. Diese findet man aber nicht auf großen Flächen, sondern zumeist auf Streuwiesen und Bauernhöfen, als Einzelbäume und nicht in Plantagen. Diese sind deshalb zum Großteil nur für den Eigenbedarf zu gebrauchen.« Gegen monokulturelle Nussplantagen in Exportländern wie Kalifornien oder Chile können also kleine, heimische Anbauflächen preislich wie quantitativ nicht mithalten.

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Die geringen Mengen sind allerdings nicht das einzige Problem in der heimischen Bio-Nuss-Wirtschaft. Die Arbeit, mit der die Nussernte und Verarbeitung verbunden ist, besteht aus vielen einzelnen Schritten: Wenn es bio sein soll, dürfen Nüsse nur erntereif vom Boden eingesammelt und nicht direkt von der Pflanze gepflückt werden. Danach geht es etwa bei der Walnuss der äußersten Hülle an den Kragen, die sorgfältig von der Schale entfernt werden muss. Dann erst können die geernteten Nüsse getrocknet und gelagert werden, was meist mit viel zeitlichem und räumlichem Aufwand verbunden ist.

Aber auch in anderen europäischen Ländern rentiert sich das Geschäft mit Nüssen nicht mehr. Christian Harfmann betreibt Öko-Tourismus in Siebenbürgen und besitzt dort 25 Hektar Obst- und Nusskulturen. »Das manuelle Pflücken und Schälen ist tatsächlich sehr zeitaufwendig und selbst zu den niedrigen rumänischen Arbeitslöhnen kaum mehr rentabel.«

Wenn man dann als Produzent noch einen Bio-Stempel auf seine eigene Nussernte bekommen möchte, ist das Ganze noch etwas schwieriger: Bei der Zertifizierung von Bio-Nüssen müssen verschiedene Bedingungen gegeben sein. Chemische Substanzen wie Pestizide sind nicht nur beim Anbau verboten. Besonders bei der Lagerung der Nussfrüchte wird in ökologischen Betrieben auf die Begasung zur Schädlingsbekämpfung verzichtet. Stattdessen verwendet man hier eine technisch aufwendigere Variante mit Kohlenstoffdioxid. Außerdem werden konventionelle Nussfrüchte mit Schwefel gebleicht, um die von Tannin dunkelgefärbten Schalen sauberer aussehen zu lassen. Bio-Nüsse sind deshalb oft mit Flecken versehen, was aber nicht die Qualität mindert.

Abseits des Supermarktregals können Familienbetriebe wie der von Andrea Gschwendtner die Suche nach der perfekten Nuss erleichtern. Ihr Vater, der mittlerweile 94 Jahre alt ist, gilt in Linz als Bio-Urgestein, der sein ganzes Leben lang schon begeisterter Obstbaumliebhaber ist. Er kultivierte in seinem Obstgarten Walnüsse der Sorte Geisenheim, die geschmacklich und qualitativ und zudem auch noch gegen den Marssonina-Blattfleckenpilz resistent sind. Seit eineinhalb Jahren sind die Gschwendtner-Nüsse nun auch offiziell bio-zertifiziert und gehen laut Andrea Gschwendtner »weg wie warme Semmeln«.

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Exportschlageralarm!

Derzeit ist Chile der größte Walnuss-Exporteur auf der südlichen Hemisphäre. Alleine im letzten Jahr wurden 50.000 Tonnen chilenische Walnüsse in die ganze Welt ausgeliefert. In den letzten Jahren konnten Gewinne damit sogar verdoppelt werden, 2014 erreichte man mit Walnussexporten daher Einnahmen in der Höhe von 321 Millionen US-Dollar. Chile hat dies vor allem seinem nusstoleranten Klima zu verdanken, da im Osten die Anden das Land schützen und im Westen der Pazifikwind die Temperaturen regelt. Die Plantagen bleiben aufgrund dieser günstigen Wetterverhältnisse auch oft vor Schädlingen verschont, weshalb chilenische Walnüsse als qualitativ sehr wertvolle Schalenfrüchte in der weltweiten Nussbranche gelten. Pestizide werden auf den riesigen Plantagen allerdings trotzdem verwendet und belasten nicht nur die Gesundheit der Endkonsumenten, sondern auch die Umwelt. In Kalifornien etwa werden für die zahlreichen Monokulturen an Mandelplantagen mehr Bienen zum Bestäuben benötigt als vorhanden sind. Großimker bereisen deshalb mit ihren »Industriebienen« die Plantagen, die dort Blüte für Blüte bestäuben. Tierschützer sehen dies aber problematisch: Der Reisestress, dem die Bienen ausgeliefert sind, die Größe der Felder und der Einsatz von Pestiziden führen zu erhöhtem Bienensterben. Die Monokultur-Industrie schießt sich damit also selbst ins Knie.

Importierte Nüsse sollten deshalb keine Alternative in der Adventszeit sein. Auch wenn Bio draufsteht, wurden für diese Produkte enorme Transportwege zurückgelegt, die den ökologischen Fußabdruck wie die Treter von Big Foot aussehen lassen. Dann doch lieber im regionalen Umkreis nach der richtigen Nuss Ausschau halten.


Schon genusst?

Durch unseren alltäglichen Sprachgebrauch werden viele Dinge über einen Kamm geschert, wie zum Beispiel die Nüsse. Botanisch gesehen ist nämlich nicht alles, was wir im Supermarkt als Nuss zu kaufen bekommen, wirklich eine Nussfrucht. Nüsse zählen zum Schalenobst, da der Fruchtkern von einer harten Schale umgeben ist. Charakteristisch ist für eine Nuss die holzige Fruchtwand, die im Gegensatz zur inneren Frucht für den Menschen ungenießbar ist. »Echte« Nüsse sind nach diesen Kriterien die Walnuss, die Haselnuss, die Macadamianuss und die Esskastanie. Mandeln, Pistazien oder Pekan-Nüsse gehören hingegen zur Familie der Steinfrüchte. Ein weiterer falscher Hase unter den Nussfrüchten ist die Erdnuss. Der Name ist in dem Fall nicht Programm, gehört sie doch eigentlich zu den Hülsenfrüchten, wie etwa Bohnen oder Erbsen.


 

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