Die grüne Insel

Bild: Anne Erwand

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BIORAMA-Autorin Anne Erwand reiste nach La Réunion, um an einer Konferenz zum Thema „Nachhaltige Entwicklung im Inseltourismus“ teilzunehmen. Der Beigeschmack: ein bitterer. Wo Nachhaltigkeit und Tourismus trotzdem eine Rolle auf der grünen Insel spielen.

 

Die Pressebetreuer und Veranstalter haben sich alle Mühe gegeben. Nur das Beste vom Besten wollten sie den Journalisten bieten, die aus aller Welt auf die kleine Insel La Réunion gereist waren. La Réunion, 837.00 Einwohner, 2500 km², französisches Staatsgebiet am südlichsten Ende von Afrika – ein tropisches Paradies. Davon konnten sich die Journalisten auch persönlich überzeugen – beim Helikopterflug über die Insel, beim Whale-Watching mit einem eigens angemieteten Katamaran oder unter weißen Zeltdächern vor strahlend blauem Himmel beim Lunch mit eingeflogenen Köstlichkeiten aus aller Welt. Der Haken an der Sache: Der Grund für die Anwesenheit der Journalisten war eine Konferenz mit dem klingenden Titel „Nachhaltige Entwicklung im Inseltourismus“.

Natürlich ist der Begriff der Nachhaltigkeit immer Definitionssache. Vor allem beim Thema Tourismus zerreibt er sich nicht selten zwischen lokalen Interessen und globalen Bedürfnissen. Und gerade bei so isolierten Destinationen wie der Insel La Réunion stellt sich die Frage, ob diese ohne den extrem umweltfeindlichen Flugverkehr im touristischen Geschäft auf Dauer überhaupt bestehen können.

Bild: Anne Erwand

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Auf der Konferenz über nachhaltigen Inseltourismus, die Mitte 2013 von der Welttourismusorganisation (UNWTO) und der französischen Regierung veranstaltet worden war, fand man auf diese Frage jedoch keine Antwort. Neue innovative Ansätze? Fehlanzeige. Zeitweise ähnelte die Tagung mehr einer Dauerwerbeveranstaltung für Inselreisen. Politiker und Wirtschaftstreibende dominierten die Liste der Vortragenden und sogar der Chef einer großen Airline bekam genügend Zeit und Raum sich ausgiebig zum Thema zu äußern. Pro Flugverkehr versteht sich.

Die Route der Wale und andere Projekte

Dabei ist es nicht so, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf La Réunion keine Rolle spielen würden. Wenn man selbst zu recherchieren beginnt, findet man durchaus einige interessante Initiativen. Die Insel La Réunion, die von der Unesco 2010 zum Natur-Welterbe ernannt wurde, hat es sich zum Ziel gesetzt, eine wahrhaft „grüne Insel“ zu werden.

Bereits im Jahr 2000 wurde ein lokaler Entwicklungsplan für den Tourismus (Le Schéma Régional de Développement et d’Aménagement Touristique, kurz: SRDAT) initiiert, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Bio-und Kulturdiversität der Insel langfristig zu erhalten. Im Zuge dieses Planes wurde 2013 das Projekt „Die Route der Wale“ ins Leben gerufen. La Réunion hat sich dafür unter dem Label „Die Vanille-Inseln“ mit anderen Eilanden wie Mauritius, Madagaskar und den Malediven zusammengetan. Das gemeinsame Projekt, in dessen Rahmen den Touristen der Lebensraum der Wale und dessen Bedrohung durch den Menschen näher gebracht wird, ist ein deutliches Bekenntnis der Inseln zu einem verantwortungsvollen Ökotourismus.

Bild: Anne Erwand

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Ein ähnliches Projekt, Cap sur le récif, will die Besucher ebenfalls für das fragile Meeresökosystem der Inseln sensibilisieren. Auf der geführten Tour lernt man nicht nur einiges Wissenswerte über Korallenriffe und deren Entstehung, sondern auch, wie wichtig diese Riffe für einen funktionierenden Meereskreislauf sind. Neben diesen Projekten gibt es auf La Réunion auch immer mehr Hotels, die mit dem Clef Verte ausgezeichnet werden – ein internationales Umweltzeichen für touristische Unterkünfte. Und geführte Wandertouren, die abseits geschützter Gebiete über die Insel führen, gehören mittlerweile zum Standardprogramm. Und das ist durchaus keine Selbstverständlichkeit. In Frankreich und seinen Überseegebieten ist das Thema Nachhaltigkeit noch weit weniger präsent und konsequent umgesetzt, als man es beispielsweise aus Österreich kennt.

Hoffen auf innovative Lösungen

In dieser Hinsicht begibt sich die Insel La Réunion definitiv auf einen guten Weg. Trotzdem stellt sich die Frage, inwieweit all diese Projekte tatsächlich nachhaltig sein können, wenn man vorher 10.000 Kilometer oder mehr geflogen ist, um die Insel zu erreichen. Die dabei entstehenden tausenden Tonnen CO2 können auch mit noch so vielen Ökohotels und Meeresschutzprojekten nicht kompensiert werden.

Es bleibt also zu hoffen, dass gerade Inseln wie La Reunion, die ja allesamt in besonderer Weise auf den Flugverkehr angewiesen sind, auf der nächsten Konferenz innovativere Lösungen zu bieten haben. In Zukunft wird man nicht mehr darum herum kommen, lokale Alternativen zu bestehenden globalen Abhängigkeiten zu finden. Denn nur so kann eine echte nachhaltige Entwicklung stattfinden und vielleicht eines Tages dann auch ein Kongress, der diesen Namen tatsächlich verdient.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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