Müßiggang im Schweinsgalopp

Schon als jugendliche Abenteurerin hat Martina Hörmer das Waldviertel für sich entdeckt. Heute kostet die Grande Dame der Biobewegung dort auch die kulinarisch ergiebige Kulturlandschaft aus. Ihr Favorit: das Freilandschwein

Wellness am Wegesrand: die Freilandschweine von Biobauer Manuel Gererstorfer (Bild: Michael Reidinger)

Hier möchte man Schwein sein, sich unter freiem Himmel suhlen. Gleich an der Ortseinfahrt von Rossa, noch bevor man eines der 45 Häuser passiert und in den Biohof von Manuel Gererstorfer einbiegt, sehen wir, wie gut es die Tiere haben: Wellness am Wegesrand, Müßiggang im Schweinsgalopp. »Hier zeigt sich, was ein glückliches Schweineleben sein könnte«, sagt Martina Hörmer.

An die 50 Tiere zählt man weit verstreut auf der Weide. Noch einmal 50 Stück, drei Monate jünger, sind auf einer anderen Weide untergebracht. In ein paar Monaten liefern sie, so Hörmer, »das hochwertigste Schweinefleisch, das es gibt, eine wirkliche Delikatesse«. Bis dahin genießen sie ihr Leben aus vollen Zügen. Spielen mit Artgenossen. Wühlen im Schlamm und im Stroh der Hütte, in die sie sich nachts zurückziehen oder wenn der Waldviertler Winter einmal frostig pfeift.

Die Schweine verbringen ihr ganzes Leben im Freiland. (Bild: Michael Reidinger).

Zwischen zwei und drei Kilometer legen sie zurück, hat Manuel Gererstorfer einmal ausgerechnet, täglich. »Das macht es natürlich teurer, sie aufzuziehen, weil sie mehr Energie verbrauchen, langsamer wachsen, mehr fressen. Aber die Qualität ihres Fleisches ist unvergleichlich«, schwärmt er. Gefüttert werden sie grundsätzlich nur mit Biofutter aus eigenem Anbau. Geschlachtet wird 22 Kilometer entfernt beim Fleischer in Irnfritz. Regionaler geht nicht. »Besser geht nicht«, sagt der Biobauer. Geschlossene Kreisläufe, artgemäße Tierhaltung, Fleisch das – in Maßen genossen – auch strengen Anforderungen an Klimaschutz gerecht wird.
»Die ÖsterreicherInnen lieben Schweinefleisch«, weiß Martina Hörmer als langjährige Geschäftsführerin und nunmehrige Markenbotschafterin von Ja! Natürlich.

»Fast niemand hat je eine Begegnung mit einem Schwein, weil Schweine in der Landschaft nicht sichtbar sind.«

Martina Hörmer

Zwei Drittel der 62 Kilogramm Fleisch, die jedeR im Schnitt im Laufe eines Jahres isst, sind Schweinefleisch. »Aber fast niemand hat je eine Begegnung mit einem Schwein, weil Schweine in der Landschaft nicht sichtbar sind und der Großteil der Schweine auch in Österreich eng gedrängt auf Vollspaltenböden gehalten, ohne Auslauf und natürliches Sonnenlicht gemästet wird. Aber wenn man dies weiß und Schweine, diese gelehrigen und neugierigen Wesen, einmal ihr natürliches Verhalten im Freien ausleben gesehen hat, dann wird man nicht mehr zu einem konventionellen Schnitzel greifen.«

Seine Schweine sind höchst aktiv. »Das macht es natürlich teurer, sie aufzuziehen, weil sie mehr Energie verbrauchen, langsamer wachsen, mehr fressen. Aber die Qualität ihres Fleisches ist unvergleichlich«, sagt Manuel Gererstorfer. (Bild: Michael Reidinger).

11 Betriebe wie jener von Manuel Gererstorfer halten mittlerweile Schweine, die von Ja! Natürlich als Freilandschweine vermarktet werden. Allesamt im Waldviertel. Ein zweiter, jener von Gererstorfers Cousin, gleich ein paar Häuser weiter. Das Projekt Freilandschwein reicht bis ins Jahr 2000 zurück. Damals starten Ja! Natürlich, die Tierschutzorganisation Vier Pfoten und die Universität für Bodenkultur einen Feldversuch. Man will herausfinden, ob Schweine in unseren Breiten ganzjährig im Freiland gehalten werden können. Das kennt man bis dahin nur aus England.

Zwanzig Jahre später ist das Freilandschwein längst eine Marke für sich – und das Waldviertel insgesamt zu einer der wichtigsten Herkunftsregionen für Ja! Natürlich geworden. Mehl und Mohn, Lamm- und Rindfleisch und, natürlich, Erdäpfel und Karpfen hat die Biomarke aus dem Waldviertel im Sortiment. Letztere werden gerade, Teich für Teich, abgefischt. Denn auch wenn ihn Gourmets längst das ganze Jahr über genießen: Hauptsaison für den Karpfen bleibt Weihnachten, wo er in vielen Familien traditionell am Heiligen Abend auf den Tisch kommt. »Karpfen ist delikat, wurde lange Zeit aber komplett unterschätzt«, sagt Martina Hörmer. »Biokarpfen aus naturnahen Teichen, wo ganz wenig zugefüttert wird, hat ein ganz anderes kulinarisches Erlebnis ermöglicht. Und es greift viel zu kurz, ihn nur zu Weihnachten zu essen. Im Waldviertel weiß man das.«

»Waldviertel, Lebensviertel«

Überhaupt ist das Wissen um natürliche Zusammenhänge im Waldviertel nie ganz abhanden gekommen. »Den Wert einer intakten Natur und einer nachhaltig gesunden Landwirtschaft haben die Menschen hier früh erkannt.« Das erkläre auch den hohen Bioanteil im Waldviertel. Schon 2005 – lange bevor sich ganz Österreich agrarpolitisch zur Gentechnikfreiheit bekannte – wurde die Initiative »Waldviertel Lebensviertel« aktiv, erinnert sich Hörmer. »Damals war das visionär. Da sind die Bäuerinnen und Bauern aktiv auf- und dahintergestanden, dass nicht die Gentechnik Einzug hält.«

Insgesamt habe sich in der Region nicht allzuviel verändert, meint Hörmer, die, in St. Pölten aufgewachsen, schon als Kind mit ihren Großeltern auf Sommerfrische »herauf« ins Waldviertel kam. Später, mit dem eigenen Auto, hat sie sich die Gegend aktiv erschlossen, Ausflug für Ausflug. Früher im Zelt, campierend am Kamp oder an den Stauseen, liebt sie heute die große Vielfalt, die Fülle an kulinarischen, handwerklichen und touristischen Angeboten. »Und natürlich die Landschaft: die Ruhe der Hochwälder, das Zurückgezogene und die Möglichkeit, sich aus dem Alltag rauszunehmen, nur eine Stunde von Wien entfernt – vom lieblichen Kamptal bis zum etwas schrofferen, kühleren, raueren Nationalpark Thayatal. Hier oben, da fühlen sich nicht nur die Schweine wohl.«

Martina Hörmer, Markenbotschafterin von Ja! Natürlich, beim Abfischfest im Waldviertel. Auch bei ihr kommt zu Weihnachten immer wieder Biokarpfen auf den Tisch. (Bild: Rewe)

Mein Waldviertel
Martina Hörmer empfiehlt

Schlössertour durchs Waldviertel
»Viele Leute fahren nach Frankreich, um entlang der Loire eine Schlössertour zu machen. Das ist im Waldviertel genauso möglich. Es gibt hier viele, teils kaum bekannte Schlösser zu entdecken.«

Wanderungen zur Rosenburg (Rosenburg)
»Wanderungen entlang des Kamps zur Rosenburg hinauf, dort zieht es mich immer wieder hin: durch die Natur zur Kultur.«

Sommerfrische am Kamp (Plank)
»Die Gegend rund um Plank ist wunderschön. Die alten Badeanlagen, die jetzt behutsam renoviert wurden, haben ihr Sommefrische-Flair erhalten. Das alte Österreich vor wunderbarer Naturkulisse.«

Freimaurermuseum Rosenau (Rosenau)
»Sehr versteckt findet sich im Barockschloss Rosenau ein Museum über den Ritus und die Hintergründe der Freimaurerei. Ich fand das sehr spannend.«

Grenzgang im Nationalpark Thayatal
»Dieser kleine Nationalpark vermittelt einem die Schönheit des Kleineren: kleine Tiere, die dort ein Refugium finden. Das tief eingeschnittene Flusstal, die Flussläufe sind prägend, die Nähe zur Grenze und Tschechien bleibt spürbar, auch durch die alten Wehrtürme.«

Einkehr in der Weinbeisserei (Schönberg am Kamp)
»Ein Bioheuriger mit sehr feiner, elaborierter Küche, nicht zu traditionell, und einer bezaubernden Terrasse mit Blick übers weite Land.« Demeter-Qualität.

Wirtshaus im Demutsgraben (Zwettl)
»Idyllisch in einer Senke liegt diese Wirtsstube mit einer alten Schank und authentisch rustikaler Küche, die nicht unnötig schwer daherkommt. Wunderbar.« Wild aus eigener Jagd. Slowfood-Küche, nicht bio-zertifiziert.

Waldviertler Bio-Wurstknödel (österreichweit)
»Ein Klassiker im Tiefkühlsortiment von Ja! Natürlich, der sich – im Lebensmittelbereich nicht selbstverständlich – schon seit Jahrzehnten behauptet.«

Rauf und raus ins Waldviertel!

Besondere Orte der Region im Nordwesten Niederösterreichs – künftige Lieblingsplätze und Ausflugswege für Tage,  Wochenenden oder ganze Sommer in ungestörter Ruhe inmitten kühler Natur.

VORGESCHLAGENE ARTIKEL DER REDAKTION