Heilkräuter für die Kleinsten?

Krampflösend, entzündungshemmend und reizlindernd – die Kräuterapotheke kann Linderung verschaffen.

Heilkräuter für Kinder – gut riechend und wohltuend. Bild: Istock.com/Hakase.

Auch wenn gegen viele Wehwehchen ein Kraut gewachsen ist: Wo ärztliche Konsultation angezeigt ist, können Laiendiagnose und Selbsttherapie keine Alternative darstellen. Bei Kindern ist allerdings darüber hinaus selbst dort, wo Heilkräuter bei Erwachsenen gern gegen harmlose Beschwerden eingesetzt werden, mitunter Vorsicht geboten. Man sollte sich stets dessen bewusst sein, dass Kräuter, auch wenn sie noch so harmlos klingen, grundsätzlich sowohl Wirkungen als auch unerwünschte Nebenwirkungen haben können. 

Grundsätzlich wird die Verwendung von industriell hergestellten pflanzlichen Arzneimitteln, sogenannten Phytopharmaka, empfohlen, deren Qualität und therapeutischer Effekt erwiesen und deren Unbedenklichkeit belegt sind. Ein generelles Problem stellen die großteils fehlenden klinischen Studien an Kindern dar. Daher »empfiehlt die Europäische Arzneimittelagentur EMA mit wenigen Ausnahmen keine Anwendung pflanzlicher Arzneimittel bei Kindern unter vier Jahren«, erklärt Hermann Stuppner, Leiter der Abteilung für Pharmakognosie an der Universität Innsbruck.

Pflanzliche Arzneimittel seien aber wegen ihrer guten Verträglichkeit und des geringen Risikos für Nebenwirkungen aus der Kinderheilkunde nicht wegzudenken und würden daher von Ärztinnen und Ärzten im sogenannten Off-Label-Use – das heißt sinngemäß im »nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch« – zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheitsbildern eingesetzt. Dabei stützen sich die ÄrztInnen auf Ergebnisse von Anwendungsbeobachtungen und eigene Erfahrungen.

Auch Wolfgang Kubelka, emeritierter Professor für Pharmakognosie der Uni Wien, betont, dass Phytopharmaka in der Praxis von Pädiatrie bis Geriatrie, also in jedem Lebensalter, eingesetzt werden. Die Hauptindikationen für den Einsatz der pflanzlichen Stoffe seien »sicher Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Beschwerden, doch auch bei Stoffwechsel-, Harntrakt- oder Hauterkrankungen können sie Erleichterung bringen«, sagt Kubelka.

Eine ganz Reihe von Kräutern kann Linderung bei klassischen kindlichen Beschwerden verschaffen. Sehr häufig werden sie als Tee verabreicht. Auf diese Weise können etwa Melisse und Lavendel beruhigend auf das Nervensystem wirken – das ist nie verkehrt, wenn’s irgendwo zwickt.

Wenn der Hals schmerzt

Thymian gegen Halsschmerzen und Husten. Bild: Istock.com/ElenaMedvedeva.

»Thymian wirkt antibakteriell und schleimlösend und kann deswegen als das Hustenmittel schlechthin bezeichnet werden.«

Wolfgang Kubelka, Uni Wien

Wenn die Nase rinnt und sich ein Infekt anbahnt, können die Blüten des Holunders wärmen und zum Schwitzen anregen. Als Begleiter eignet sich der Thymian, dessen sämtliche Bestandteile abgesehen von der Wurzel als Arznei dienen. Das in Thymian enthaltene ätherische Öl weist unter anderem die wirksamen Substanzen Thymol und Carvacrol auf. Diese tragen dazu bei, dass Thymian »antibakteriell und schleimlösend« wirkt, sagt Kubelka und bezeichnet den Thymian deswegen als »das Hustenmittel schlechthin«. Als Sirup, Tee oder als Bad entfaltet das Küchenkraut gerade bei Keuch- und Krampfhusten seine Wirkung. Die Eibischwurzel und Isländisches Moos gehören zu den sogenannten Schleimdrogen, welche Polysaccharide enthalten, die Reizhusten mindern können.

Dennoch sind manche Kräuter mit Vorsicht zu genießen. Kubelka erwähnt etwa, dass »viele den Huflattich noch als hustenstillendes Kraut kennen«. Heutzutage werde Huflattich aber aufgrund enthaltener toxischer Stoffe nicht mehr als Heilkraut empfohlen. »Auch mit Pfefferminzöl und mentholhaltigen Salben muss man aufpassen. Sie dürfen bei Kleinkindern auf keinen Fall im Bereich der Nase angewendet werden, da das zu massiven Atembeschwerden führen kann.«

Für eine wohltuende Wanne 100 Gramm Thymiankraut mit kochendem Wasser übergießen, 20 Minuten ziehen lassen und anschließend abseihen. Diese Flüssigkeit nun dem Badewasser zusetzen und das Kind eine Viertelstunde baden lassen.
Zur Teezubereitung einen Teelöffel Thymian mit einem Viertelliter kochendem Wasser übergießen, 5 Minuten bedeckt stehen lassen und abseihen. Über den Tag verteilt können Kinder drei mäßig warme Tassen trinken.

Kümmel- und Kamillenkraft

Kamille – ein Klassiker bei Magenbeschweren. Bild: Istock.com/ElenaMedvedeva.

Durch ihre krampflösende und entzündungshemmende Wirkung sind Kamillen- und Pfefferminztees altbewährte Hausmittel zur Beruhigung von Magenbeschwerden, die schnell zu Besserung führen können. Fenchel kann hingegen insbesondere dann hilfreich sein, wenn Blähungen mit Stuhlverstopfungen einhergehen, und ist als Arznei-Honig aus der Apotheke oder als schwach dosierter Tee einsetzbar. Auch Kümmel und Anis sind in diesem Anwendungsgebiet Klassiker, aber bei Säuglingen und Kleinkindern aufgrund des intensiven Aromas oft eher unbeliebt. 

Babys und Kleinkinder unter zwei Jahren sollten keinen Pfefferminztee verabreicht bekommen!

Auch gegen Durchfälle können die in der Kamillenblüte enthaltenen entzündungshemmenden Stoffe als Tee zubereitet helfen. Und auch ein wenig abseits der Kräutersammlung findet sich ein natürlicher Helfer: »Heidelbeeren sind zwar keine Kräuter, doch als Teedroge können sie sanft stopfend wirken«, erklärt Kubelka. Dazu wird ein gehäufter Esslöffel der getrockneten Beeren zehn Minuten lang in Wasser gekocht und die Mischung anschließend abgeseiht. Für Kinder sind drei bis fünf Mal täglich einige Esslöffel des ungesüßten Tees ausreichend.

Keimtöter

Einen Blick in den Gewürzschrank werfen kann, wer sich die Wirkung der Nelke zunutze machen will. Das in ihr enthaltene ätherische Öl kann Kinderzahnschmerzen lindern. Dazu kann eine einzelne Gewürznelke nahe der schmerzenden Stelle gekaut oder neben den betroffenen Zahn gelegt werden. Leidet ein Baby unter Schmerzen beim Zahndurchbruch oder ist Kauen nicht möglich, empfiehlt es sich, das Zahnfleisch mit Nelkenöl zu massieren. Auch wenn die Zähne dann da sind, kann das Kauen oder Lutschen einer Gewürznelke die Zeit bis zum Arzttermin erträglicher machen.

BIORAMA #77

Dieser Artikel ist im BIORAMA #77 erschienen

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