Hebel Gemeinschaftsküche

Das Haus der Kost in München hat den Auftrag, mehr Bio in die Gemeinschaftsverpflegung zu bringen.

Zwei Personen in einer großen Küche, eine hält einen großen Kürbis, die andere einen Lauch.
Karoline Stojanov und Silke Brugger leiten das Münchner Haus der Kost mit dem Auftrag, mehr Bio in die Gemeinschaftsverpflegung zu bringen. Bild: Bert Willer.

Das Münchner Haus der Kost ist ein Beratungs- und Coachingzentrum, angesiedelt im Munich Urban Colab, wo es unter anderem einen Seminarraum mit drei Kochinseln eingerichtet hat. Geleitet wird es von den beiden Ökotrophologinnen Silke Brugger und Karoline Stojanov. Die Hauptaufgabe ist es, Gemeinschaftsküchen – etwa in Schulen, Kitas, Pflegeeinrichtungen oder öffentlichen Kantinen – dabei zu unterstützen, mehr regionale und biologische Lebensmittel zu verwenden. Der Fokus liegt auf individueller Prozessbegleitung der Küchenteams, um sowohl die Küchenorganisation als auch die Lieferbeziehungen nachhaltig zu gestalten. Um nachhaltige Ernährung im großen Maßstab umzusetzen, ist vor allem die Gemeinschaftsverpflegung wichtig: Sie erreicht jeden Tag Millionen Menschen und kann so für viele Stellen im Lebensmittelsystem der entscheidende stabile Absatzmarkt sein.

Ökotrophologie

Interdisziplinäre Verbindung von Ernährungswissenschaft und Haushaltswissenschaft – in Deutschland ein eigenständiges Studienfach.

BIORAMA: Wer ist Ihre Zielgruppe, und wo spüren Sie das größte Interesse?
Silke Brugger: Unsere Zielgruppe ist sehr vielfältig: von Kantinen, Mensen bis hin zu Kitas, Schulen und Seniorenheimen. Besonders groß ist das Interesse dort, wo mit begrenztem Budget gearbeitet wird – hier sind kreative Lösungen gefragt, um Bio nachhaltig und langfristig in die Speisepläne zu integrieren. Die Nachfrage am Coachingprogramm wächst – insbesondere im Care-Bereich.

»Besonders groß ist das Interesse dort, wo mit begrenztem Budget gearbeitet wird – hier sind kreative Lösungen gefragt.«

Silke Brugger, Haus der Kost

Wie läuft eine Beratung bei Ihnen ab?
Die Beratung findet in der Regel im direkten 1:1-Coaching mit den Küchenverantwortlichen statt. Dabei geht es um ganz praktische Themen – von der Rezeptplanung über die Kalkulation bis hin zur Lieferantenauswahl. Unser Ziel ist, individuelle Lösungen zu den jeweiligen Anforderungen der unterschiedlichen Küchen zu finden, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich tragfähig sind. Wie wir in Bayern sagen: »A bissl was geht immer!« Auch kleine Schritte können viel bewirken.

Kantine Zukunft

Die Kantine Zukunft gestaltet im Rahmen der Berliner Ernährungsstrategie seit 2019 gemeinsam mit Einrichtungen der öffentlichen Hand die Transformation der Gemeinschaftsgastronomie.

Welche Arbeitsschwerpunkte verfolgen Sie aktuell?
Das grundlegende Konzept für das Haus der Kost wurde mit der Unterstützung der Kantine Zukunft in Berlin erarbeitet. Außerdem treten wir damit in die Fußstapfen des House of Food in Kopenhagen. Derzeit haben wir drei Arbeitspakete extern vergeben: Erstens coachen und begleiten unsere AuftragnehmerInnen Küchenverantwortliche der Gemeinschaftsverpflegung bei der Umstellung auf mehr bio-regionale Zutaten. Beraten werden Kantinen im städtischen Geschäftsbereich und auch private Betriebsrestaurants. Zweitens stärken wir regionale Wertschöpfungsketten, indem wir regionale Erzeuger*innen mit Küchen in der Stadt zusammenbringen. Ein Beispiel ist unser erfolgreiches Format »Küche trifft Region«, bei dem Küchenteams auf ErzeugerInnen treffen. Und schließlich wollen wir unsere eigene Marke bekannter machen. Etwa durch Öffentlichkeitsarbeit und auch Veranstaltungen wie unseren Kongress »Essen, das wir morgen lieben – wie wir Trends setzen und Zukunft gestalten« am 9. Juli 2025.

Gemeinschaftsverpflegung

Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geht davon aus, dass deutschlandweit täglich circa 16.000.000 Menschen in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung essen, davon rund 6.000.000 Kinder und Jugendliche.

Was ist in Ihrer Arbeit das stärkste Argument für Bioprodukte?
Bio sichert Biodiversität, sauberes Trinkwasser, gesunde Böden – wir haben als Kommune eine Verantwortung für unsere BürgerInnen. Der Bezug aus der Region bedeutet außerdem Wertschöpfung vor Ort und das stärkt nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch das lokale Lebensmittelhandwerk.

Wie definieren Sie regional?
Es gibt für diesen Begriff keine eindeutige, allgemeingültige Definition. Er ist gemeinsam mit dem Marketingbegriff »Heimat« emotional besetzt. Für uns bedeutet regional: so nah wie möglich, so fern wie nötig. Wir wollen lokale ErzeugerInnenbetriebe und regionale Strukturen fördern, die kurze Lieferketten ermöglichen. »Regional« hat den Vorteil, dass man eine direkte, transparente Beziehung zu den ProduzentInnen aus dem Umland aufbauen kann – mit fairen Preisen und saisonaler Ware. Saisonal bedeutet allerdings auch, dass es nicht immer alles gibt und dass man auf Eingemachtes oder Fermentiertes zurückgreifen muss. Wie es früher bei meinen Großeltern noch war.

Wo stoßen Sie auf wiederkehrende Hindernisse oder Skepsis?
Der Faktor Zeit ist eine große Herausforderung – gerade in Großküchen, wo es häufig an Fachpersonal mangelt. Wenn jemand ins Coaching kommt, fehlt er oder sie einen Tag in der Küche. Und natürlich gibt es die klassischen Argumente gegen Bio …

Welche sind die häufigsten?
Da ist beispielsweise die schwankende Verfügbarkeit der Biolebensmittel oder der Glaube, Bio sei zu teuer. Aber wenn man regional und saisonal einkauft und frisch kocht, ist das der Schlüssel, um einzusparen. Manche Küchen haben Sorgen, den KundInnen etwa die beliebte Currywurst zu nehmen – unser Ansatz ist es, genussvolle Alternativen zu bieten. Eine Bowl mit frischem Gemüse ist mindestens so schmackhaft, wenn man sie selbst einmal probiert hat. Unser Ziel ist, künftig mit homogeneren Zielgruppen in den Kursen zu arbeiten – etwa nur mit Kindergärten, da diese ähnlichere Fragestellungen, Bedürfnisse und Voraussetzungen haben.

Wie wichtig sind gesetzliche Vorgaben für die Ernährungswende?
Sehr wichtig. Die öffentliche Hand hat große Verantwortung – und eine Vorbildfunktion. Gute Vorgaben können Planungssicherheit schaffen und faire Wettbewerbsbedingungen ermöglichen, gute Preise für die EinkäuferInnen und Sicherheit für die ProduzentInnen. Ausschreibungen müssen möglichst einfach zu handeln sein für diejenigen, die in der Verwaltung Lebensmittel ausschreiben, und für die BieterInnen.

»Jede Küche ist anders. Wir schauen jede individuell an und finden eine Stellschraube. A bisserl was geht immer, sagt man so schön in Bayern.«

Silke Brugger, Haus der Kost

Und eine konkrete Bioquote?
In München lautet das Ziel 60 Prozent Bio in der Gemeinschaftsverpflegung. Wir erheben gerade aussagekräftige Zahlen, wo wir in diesem Prozess stehen. Ein spannendes Beispiel ist die Wiesn – also das Oktoberfest. Seit letztem Jahr gibt es dort eine eigene Bio-Wertschöpfungsketten-Managerin, angesiedelt bei Bioland: Johanna Zierl. Sie begleitet das Großevent, ausgerichtet von der Stadt München, mit dem Ziel, nachhaltige Lebensmittelversorgung auch in diesem Kontext umzusetzen. Das ist beeindruckend, denn die Herausforderungen sind enorm – es geht um riesige Mengen und kurzfristige Logistik. Gerade hier kann viel Sichtbarkeit entstehen. Die Wiesn ist für uns ein Leuchtturmprojekt mit großer Strahlkraft – wenn sich hier etwas verändert, zieht das Kreise. Wir hoffen, dass sich dieses Engagement weiter verstetigt – und zu einer ganzjährigen Auslastung regionaler Bioproduzenten beiträgt.

»Die Wiesn ist ein Leuchtturmprojekt mit großer Strahlkraft – wenn sich hier etwas verändert, zieht das Kreise.«

Silke Brugger, Haus der Kost

Weshalb haben Sie sich das Munich Urban Colab als Standort für das Haus der Kost ausgesucht?
Das Munich Urban Colab ist ein Innovationszentrum, in dem Start-ups und Nachhaltigkeitsprojekte angesiedelt sind. Es passt perfekt zu uns, weil wir hier an Lösungen für die städtische Ernährung der Zukunft arbeiten. Wir bringen Menschen zusammen. Ernährung hat mehr Einfluss auf Klima und Gesundheit, als viele wissen.

Biostädte

Seit 2010 arbeiten Städte zusammen, die den Ökolandbau und Biolebensmittel fördern. Im Vordergrund stehen Erfahrungsaustausch, gemeinsame Projekte, die Akquise von Fördermitteln und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Das gemeinsame Auftreten verleiht größeres politisches Gewicht.

Gibt es vergleichbare Initiativen anderswo und Austausch?
Ja, das erwähnte House of Food in Kopenhagen oder die Kantine Zukunft in Berlin. In Deutschland gibt es außerdem das Netzwerk der Biostädte, mit denen wir im Austausch stehen. Jede Stadt geht ihren eigenen Weg. In Bremen, im Forum Küche etwa, arbeitet man mit der Volkshochschule zusammen. Hier in München gibt es eine aktive Community aus NGOs und Initiativen, mit denen wir den Austausch suchen. Das Haus der Kost soll die Drehscheibe der Ernährungswende sein. Es ist uns wichtig, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben, und so stehen unsere Erfahrungen auch anderen Kommunen zur Verfügung, die sich auf den Weg machen wollen.

Auch an anderer Stelle in Bayern wird in einer Großküche Wert auf Bioqualität gelegt: im »Kasino« des FC Bayern München.

BIORAMA #97

Dieser Artikel ist im BIORAMA #97 erschienen

Biorama abonnieren

VERWANDTE ARTIKEL