Wasser ist Menschenrecht: Was, wenn man die Rechnung nicht bezahlt?

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Frisches Trinkwasser – einerseits Menschenrecht, andererseits Handelsgut. Was tun Wasserversorger, wenn ihre Kunden zahlungsunfähig sind?

Der Zugang zu einwandfreiem und sauberem Trinkwasser wurde 2010 von den Vereinten Nationen offiziell als Menschenrecht anerkannt. Ein wichtiger Schritt: Denn ohne Wasser kein Leben. Während laut UN weltweit noch immer 1.8 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben – der Großteil davon in sogenannten Entwicklungsländern – ist die Thematik der Wasserversorgung auch im Westen spannend: Denn was passiert, wenn man seine Wasserrechnung nicht begleicht? Darf der Hahn tatsächlich abgedreht werden? Ein Szenario, das beispielsweise in England und Wales durch die Privatisierung der Wasserversorgung mit einhergehenden Preisexplosionen wohl bekannt ist.

Recherchiert man im deutschsprachigen Raum, zeichnet sich ein spannendes Bild ab. So sehen die Wasserwerke in den größten österreichischen Städten (Wien, Graz und Linz) bei Privatpersonen von einer Sperrung der Wasserversorgung ab, selbst wenn diese in Zahlungsverzug sind. Es könne jedoch zu einer „Reduzierung der Anlage“ kommen, was zwar den Komfort einschränkt, allerdings noch die Versorgung der Grundbedürfnisse ermöglicht. Einen Anspruch auf kostenlose Wasserversorgung gibt es allerdings nicht; Verträge zwischen Wasserversorgern und Privatpersonen sind grundsätzlich einzuhalten. Im Rahmen des Sozialstaates soll aber eine leistbare Wasserversorgung gewährleistet werden. In Österreich sind diese leistbaren Preise durch zahlreiche Gesetze und Verordnungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene geregelt.
Ähnlich ist die Situation in der Schweiz. Das zuständige Amt der Stadt Zürich weißt darauf hin, dass der Zugang zu Wasser ein Grundrecht sei, und daher auch nicht abgestellt werde. Anders wiederum in den großen Städten Deutschlands: Während man bei den Stadtwerken München beinahe entsetzt auf die gestellte Frage reagiert – man sperre den Zugang zu Trinkwasser definitiv nicht, so ist es in den Metropolen Berlin und Hamburg durchaus üblich, den Zugang bei Zahlungsverzug zu sperren. In Hamburg verweist man darauf, bei dem genannten Menschenrecht handle es sich um den „Zugang“ zu sauberem Trinkwasser. Und dieses Kriterium würde man erfüllen, in dem man den Zugang bereitstellt. Wenn der Kunde nicht bezahlt, müsse er jedoch gesperrt werden. Allerdings gehen dieser Sperrung zahlreiche Mahnungen und angebotene Hilfestellungen voraus. Zusätzlich werden auch über die Stadt verteilt mehrere öffentliche und kostenlose Trinkwasserspender angeboten. Diese vorhandenen Alternativen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Für viele Menschen an anderen Orten wären sie lebensrettend.

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Wien, Graz und Linz: Hier wird selbst bei Zahlungsverzug der Hahn nicht abgedreht, jedoch kann es zu einer Drosselung der Wasserversorgung kommen. Einen rechtlichen Anspruch auf kostenloses Wasser gibt es nicht.

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Foto: SWM/Lena Engel

Bei den Stadtwerken München zeigt man sich fast schon entsetzt über die Frage, ob denn der Wasseranschluss bei Einzahlungsstopp gesperrt werde: „Nein, um Himmels willen! Wasser ist ein Lebensmittel.“

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Anders in Berlin: Kommt man seinen Zahlungen nicht nach, bleibt der Hahn trocken. Dem gehen allerdings zahlreiche Mahnungen voraus. Spricht man mit Mitarbeitern der Wasserbetriebe, könnte man den Eindruck bekommen, dass man unerwünschte Fragen stellt – man fliegt aus der Wasserleitung (sic!).

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In Hamburg gibt’s klare hanseatische Antworten: Wer nach mehreren Mahnungen noch immer nicht zahlen will, der bekommt auch kein Wasser mehr. Im Jahr 2012 betraf dies immerhin 730 Haushalte. Man zeigt sich jedoch bemüht und verweist auf soziale Einrichtungen und Hilfeleistungen.

Was bleibt, ist eine sehr unterschiedlich ausgeprägte Wertevorstellung zum Lebensmittel Wasser. Dies spiegelt sich auch in den Privatisierungsdebatten wider. Klar ist: Der Zugang zu Wasser kostet Geld, und auch Wasserversorger müssen wirtschaftlich arbeiten. Frisches Trinkwasser ist aber vor allem eines: Lebensnotwendig. Wie man in Härtefällen mit dieser Situation umgeht, bleibt den Wasserversorgern meist selbst überlassen.


Schon an diesen anderen Stellen haben wir uns bei Biorama mit Wasser, Wasserprivatisierung und Wasser-Zugang als Menschenrecht beschäftigt.

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