Pasta la vista
Aus Hartweizen, woraus sonst?
Andrea Menichelli ist Italiener. Römer, um genau zu sein. Er lebt in Tirol und pendelt zwischen Kufstein und Schwaz. An dem einen Ort, in Kufstein, betreibt er eine kleine (nicht biozertifizierte) Pastamanufaktur und produziert Tortellini, Ravioli, Agnolini, Spaghetti, Linguine, Capelini, Agnolini und noch viel mehr. Kurz gesagt, einen erstaunlichen Ausschnitt der italienischen Nudelkultur. In Schwaz steht sein Feinkostladen, in dem – unter anderem – seine Produkte verkauft werden. Davor arbeitete Andrea in der Münchener Filiale der italienischen Feinkostkette Eataly (die aus der Turiner Slow Food Bewegung kommt, mit dieser aber zunehmen im Klinsch lag; und von der es einmal hieß, sie würde auch in Österreich eine Filiale planen – dazu kam es dann aber nie). Andrea jedenfalls half mit, den Laden zu einem kleinen Pastaparadies zu machen. Die Funktion, die er dort bekleidete, hieß Head of fresh pasta lab. Und er hat ein Buch geschrieben. »Das große Italien Backbuch. Pizza, Pane, Dolci und Co.« Für mich ist er der Gesprächspartner, wenn es um Getreide generell geht, und auch um Pasta im Speziellen. Das Treffen war mehr als ein Interview. Von seinem Wissen fließt sehr viel in diesen Beitrag ein. Unser Gespräch über Pasta, Weizen und andere Getreide fand in seinem Laden bei einem Teller Tortellini statt.
Neutralitätsdebatte
Für Andrea – und da ist er sich mit vielen Kulturhistorikern einig – ist der Weizen der Keim der Zivilisation. Mehr noch. Ohne Weizen keine Zivilisation. Jedenfalls nicht im Westen. Das gilt gerade für Italien und insbesondere dessen Süden. Apulien, Sizilien, das waren die Kornkammern des Römischen Reichs, das stets auf agrarischen Wurzeln stand. Die Jagd und das Fleisch hatten in der antiken Kultur der Römer keinen besonders hohen Stellenwert. Das war eher die Sache der wilden Völker des Nordens. Um die Kulturgeschichte des Weizens kurz abzuschließen. Die geographische Keimzelle des Weizens ist der Mittlere Osten. Von dort aus fand er seinen Weg über Ägypten und Anatolien in den gesamten Mittelmeerraum bis über die Alpen. Die Urweizensorten, heute gerne als »Urgetreide« angebaut und angeboten, sind Emmer, Dinkel und Einkorn. Von diesen ursprünglichen Weizensorten werden heute keine großen Mengen kultiviert. Wenn, dann findet man sie aber vorwiegend in der Biolandwirtschaft. Evolutionsgeschichtlich sind sämtliche Weizensorten, die wir heute für Nudeln, Brot oder Weissbier verwenden, aus diesen drei Urformen hervorgegangen. Im Pastateig sorgen sie für Abwechslung in Farbe, Konsistenz und Geschmack. Es gibt KonsumentInnen, die auf den rustikal-bodenständigen und nussigen Eigengeschmack von Dinkel und Emmer nicht verzichten wollen. Vom gesundheitlichen Aspekt ganz zu schweigen.
Damit kommen wir zu einem wesentlichen Punkt in der Weizenfrage. Wie ungesund, schädlich oder gar gefährlich ist Weizen? Im öffentlichen Meinungsbild wird dem Weizen jedenfalls ordentlich zugesetzt. Zwei Autoren bliesen zum Angriff auf unser wichtigstes Getreide. William Davis mit seinem Werk »Weizenwampe« und David Perlmutter mit »Dumm wie Brot«. Für den einen, Davis, zerstört der genmanipulierte Weizen unseren Körper, für den anderen, Perlmutter, unseren Geist. Dafür, dass sich nicht komplett daneben liegen, gibt es einige Evidenz. Vor allem Weichweizensorten erhöhen das Diabetes-Risiko, weil die Kohlenhydrate des Weizens schnell und unmittelbar in Glucose umgewandelt werden und damit den Blutzuckerspiegel beeinflußen.
Glutensensorik
Ein anderer Grund, weshalb viele Menschen Weizen meiden, ist das darin enthaltene Gluten. Es ist eine der Eigenschaften des Weizens, vor allem der für die Pasta verwendeten Hartweizensorten, dass sich beim Kneten Proteine bilden. Dieses Protein, Gluten, ist die Voraussetzung dafür, dass es Nudeln gibt. Es macht den Teig elastisch und damit formbar. Die Kehrseite der Medaille: Weizenunverträglichkeit und Zöliakie sind Störungen, die zu Darmentzündungen und allergischen Reaktionen – oder zumindest zu Verdauungsproblemen führen können. Diese Unverträglichkeiten können aber medizinisch zuverlässig und schnell geklärt werden, und das Angebot an glutenfreien Produkten ist mittlerweile erstaunlich groß. Auch im Pasta-Bereich. Einziger »Nachteil« in Sachen Sensorik. Pasta, die nicht auf der Grundlage von Hartweizen gemacht ist, hat immer einen charakteristischen Eigengeschmack. Das ist an sich nicht schlimm, der Unterschied wird aber im Vergleich zu reinen Hartweizennudeln deutlich. Klassische Pasta ist im Idealfall geschmacksneutral und wird durch Form und Oberfläche und vor allem in Kombination mit Saucen und Füllungen zur Köstlichkeit. Dass das bei Emmer-, Dinkel-, Kamut- oder Buchweizennudeln nicht so ist, muss beim Kochen berücksichtigt werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man versucht, den Geschmack der Ursprünglichkeit zu überbieten und macht die Saucen intensiver. Oder man kehrt die Idee ins Gegenteil, streicht den Eigengeschmack heraus und serviert die Pasta mit deutlich weniger intensiven Zutaten. Dein Geschmack, Deine Entscheidung.
Hier die Getreideportraits als Grundlage dafür.
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