In jeder Beziehung

Johannes Gutmann (Sonnentor), Robert Rogner (Gesellschaft für Beziehungsethik) und Josef Zotter (Zotter Schokoladen Manufaktur) Bild: Bild: Rogner Bad Blumau

Johannes Gutmann (Sonnentor), Robert Rogner (Gesellschaft für Beziehungsethik) und Josef Zotter (Zotter Schokoladen Manufaktur)
Bild: Bild: Rogner Bad Blumau

Die neu gegründete Gesellschaft für Beziehungsethik will das Know-how von alternativen Unternehmern wie Josef Zotter, Johannes Gutmann und Heini Staudinger gesellschaftsfähig machen. Über die Grundlage eines anderen Wirtschaftens.

Krisen können heilsam sein. Nach 2008 scheint die Logik des freien Marktes plötzlich gar nicht mehr so logisch. Vom „Age of Less“ ist die Rede und davon, dass fehlende Ethik und Moral an allem Schuld gewesen sind. Die Rückbesinnung auf die gesellschaftliche Verantwortung der Wirtschaftstreibenden und Finanzjongleure soll den Weg aus der Misere weisen. Mit dem Schwingen der Moralkeule wird allerdings kein Geschäft gemacht, vielmehr zieht das Argument, dass ethisches Handeln wirtschaftlichen Erfolg bringt. Markt und Moral müssen keine Gegensätze sein.

Wie „alternative Unternehmensstragegien“ gesellschaftsfähig gemacht werden können, wollen Robert Rogner und Corinna Rauter mit ihrer neu gegründeten Gesellschaft für Beziehungethik zeigen. Als Mentoren stehen ihnen zu Beginn Schokoladenhersteller Josef Zotter, Sonnentor-Chef Johannes Gutmann und Schuhfabrikant und „Finanz-Rebell“ Heini Staudinger zur Seite. Sie sollen interessierte Führungskräfte und Spitzenmanager beraten.

Im Interview erklärt uns Corinna Rauter was Beziehungsethik bedeutet, warum es wichtig ist, aus dem eigenen Unternehmen hinauszugehen und was der Konzern-Chef von Nestlé von Josef Zotter lernen kann.

 

BIORAMA: Was kann man sich unter dem Begriff „Beziehungsethik“ vorstellen? 

Corinna Rauter: Wir haben uns eigentlich sehr lange darüber Gedanken gemacht und die Bezeichnung „Gesellschaft für Beziehungsethik sehr bewusst ausgewählt. Die Beziehung ist eigentlich die Grundlage von allem Tun – im privaten Bereich, aber auch in der Wirtschaft. Und der Begriff Ethik repräsentiert das ursprüngliche Wertesystem, die Haltung, die dahintersteht. Wir versuchen unterschiedliche Projekte im wirtschaftlichen, aber auch im sozialen Bereich, deren Umsetzung aufgrund unterschiedlicher Aspekte bis dato noch nicht möglich war, zu unterstützen. Ein wesentlicher Ansatz dabei ist, dass wir gemeinnützig arbeiten, das heißt die erzielten Einnahmen werden wieder in Projekte investiert, die der Entwicklung der Beziehungsethik dienen. Robert Rogner hat das Glück finanziell unabhängig zu sein und sein ganzes Engagement in die Gesellschaft für Beziehungsethik zu investieren. Das ist natürlich ein sehr großes Glück.

Was ist der Unterschied zwischen Beziehungsethik und anderen Begriffen, die oft in Zusammenhang mit verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln genannt werden, wie z.B. Corporate Social Responsibility?

Ich glaub man darf da nicht auf Begrifflichkeiten herumreiten. Die Aspekte, die ich oben genannt habe, sind ja der Kern für dieses nachhaltige Handeln und Wirtschaften. Wie man das schlussendlich bezeichnet, das obliegt der jeweiligen Firma oder dem Betrieb. Aber die Beziehungsstruktur bzw. der Aufbau einer Beziehung zu sich selber und in weiterer Folge auch zu anderen bilden die Basis, damit man überhaupt nachhaltig agieren kann. Die Beziehungen implizieren nachhaltiges Wirtschaften und durch diese Beziehungen ist Wirtschaften überhaupt erst möglich.

Corinna Rauter Bild: privat

Corinna Rauter
Bild: privat

Was macht denn eine gute Beziehung aus?

Das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist, dass man der Beziehung sehr viel Zeit gibt und am persönlichen Wertesystem und an der eigenen Haltung arbeiten kann.

Wobei ja Zeit mitunter das ist, was im Geschäftsleben am wenigsten vorhanden ist oder?

Generell ist viel zu wenig Zeit da. Und um sich mit dem Thema Beziehung auseinanderzusetzen – dafür ist meist gar keine Zeit da. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden und sich schnell verändernden Umwelt steht die Gesellschaft und in weiterer Folge natürlich auch die Wirtschaft vor dem Phänomen der Beziehungsunfähigkeit. Das ist ein Thema, dem bisweilen sehr wenig Beachtung geschenkt wurde. Deswegen wollen wir die Relevanz dieses Themas wieder hervorheben; weil wir davon ausgehen, dass ohne die Beziehung zu einem selbst und in weiterer Folge zu anderen eine funktionierende Wirtschaft nicht möglich ist. Damit man aber wirtschaften kann, bedarf es eines Reflexionsprozesses, der bei unserer Arbeit in den Fokus der Betrachtung rückt.

Liegt in dieser Reflexion auch der Unterschied zu „klassischem Networking“?

Das eine schließt ja das andere nicht aus. Wir gehen davon aus, dass man am besten und am meisten lernen, wenn man selber ausprobiert; das heißt, die eigenen Erfahrungen im Tun umsetzt. Es hat keinen Sinn, wenn man die Leute mit einem Frontalvortrag zutextet. Man muss ihnen den Raum und die Zeit geben, um praktische Erfahrungen zu sammeln und diese zu analysieren und zu reflektieren.

Lässt der Kapitalismus westlicher Prägung eine neue Form des Wirtschaftens überhaupt zu?

Es ist ja keine neue Form und es ist keine Frage von Kapitalismus oder Liberalismus – Beziehungen sind ja in jedem System präsent. Beziehungsstrukturen hat es schon immer gegeben, sonst wären wir in der gesamten Wirtschaft nicht so weit gekommen. Aber diese Beziehungsstrukturen waren vor 30 oder 40 Jahren oder vielleicht auch vor 100 Jahren viel stabiler als es heute der Fall ist. Wir haben das verlernt und wir müssen es wiedererlernen.

Johannes Gutmann, Josef Zotter und Heini Staudinger – das sind klingende Namen – vor allem aber auch klingende Männer-Namen. Wo sind die Unternehmerinnen mit Pioniergeist?

Diese Männer, die Unternehmer, die wir jetzt ausgewählt haben, das ist natürlich nicht die endgültige Liste. Aber sie bieten die entsprechende Infrastruktur zur Umsetzung unserer Idee: Wir wollen Führungskräfte, die mit sich selber, mit ihrem Umfeld, mit ihrer jetzigen Situation unzufrieden sind, die nicht mehr zu recht kommen, mit alternativen Unternehmern zusammenbringen und vernetzen. Natürlich gibt es auch ganz viele tolle Frauen, die genauso wirtschaften. Ich denke an Christiane Wenckheim von der Ottakringer Brauerei, Barbara Scheitz von der Andechser Molkerei, Melanie Franke vom Rogner Bad Blumau, Julia Fandler von der Ölmühle Fandler. Aber bis dato haben diese Betriebe leider noch nicht die Infrastruktur, um unsere Workshops bei ihnen abzuhalten.

Robert Rogner Bild: Rogner Bad Blumau

Robert Rogner
Bild: Rogner Bad Blumau

Wie läuft ein Aufenthalt bei Sonnentor, Zotter, Gea oder im Kloster Gut Aich ab? Was erwartet die Teilnehmer?

Die Termine bieten einen zweitätigen Workshop, bei dem die Teilnehmer die Möglichkeit haben, die Betriebe, aber eben auch die Unternehmer, kennenzulernen. Nach der Vorstellung der Betriebe, der Besichtigung, dem gemeinsamen Essen haben die Teilnehmer die Möglichkeit zum Informationsaustausch und können die praktisch erlebten Erfahrungen vor Ort reflektieren, analysieren und dann in ihrem Betrieb umsetzen. Es geht darum, die tägliche Routine, den Alltag, die vertrauten rollen, die man normalerweise im eigenen Betrieb inne hat, hinter sich zu lassen und ein Unternehmen, das ganz anders ist, als das eigene, zu erleben und davon zu lernen. Wir haben die Teilnehmerzahl auch bewusst so gering gehalten, damit ein intensiver Austausch bestehen kann und die Gastgeber individuell auf Fragestellungen eingehen können.

Glauben Sie, machen die oben genannten Unternehmer aus unternehmerischer Sicht ALLES richtig? 

Nein, das geht gar nicht. Ich glaube, das Wichtige in diesem Zusammenhang ist, dass sie sich bemühen, aus ihrer Sicht für ihr Umfeld und natürlich auch für sich selber das Richtige zu tun. Das heißt, sie arbeiten ständig an ihrem Unternehmen, an der Beziehung zu sich selbst, an der Beziehung zu den Mitarbeitern, zu den Geldgebern, zu den Lieferanten. Diese Rollenbilder kann man sehr gut beobachten im Workshop und sich die Aspekte herausfiltern, von denen man glaubt, dass sie für einen selber wichtig sind. Es gibt natürlich keine Patentlösung, sondern jeder muss neu definieren, was für ihn wichtig ist.

Gibt es die Möglichkeit, in dem Prozess, der dann eventuell angestoßen wird, weiterhin in Kontakt mit der Gesellschaft für Beziehungsethik bzw. mit den besuchten Betrieben zu bleiben?

Ja natürlich, das ist komplett in unserem Sinn. Wir stehen in weiterer Folge immer wieder als Ansprechpartner zur Verfügung. Sollte jemand bei der konkreten Umsetzung etwa Unterstützung brauchen, können wir vermitteln. Die Leute, die sich z.B. diese Woche bei Sonnentor treffen, sollen auch in weiterer Folge in Kontakt bleiben.

Ein Termin kostet 1.800 Euro – das könnte für so manchen eventuell eine finanzielle Hürde darstellen. An wen richtet sich das Angebot der Gesellschaft für Beziehungsethik?

Das kann man nicht verallgemeinern. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Personen, die merken, dass irgendetwas nicht oder nicht mehr so gut funktioniert, die den Wunsch verspüren, etwas anderes zu machen, die sich weiterentwickeln wollen. An Menschen, die offen sind zur Reflexion. Der Betrag entspricht ungefähr dem Honorar für einen Berater-Tag, obwohl man das Angebot der Gesellschaft für Beziehungsethik natürlich überhaupt nicht mit so was vergleichen kann. Dass man sich sehr persönlich, in direktem Kontakt mit dem Unternehmer austauschen kann, vor Ort, das ist einzigartig.

Was denken Sie, könnte der Konzern-Chef von Nestlé von Josef Zotter lernen?

Wahrscheinlich sehr viel – vor allem was die Beziehung zu sich selbst und zu seinem Umfeld betrifft.

 

 

Infos und Termine: www.beziehungsethik.org

 

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