„Gut ist, was mir schmeckt“, das gilt auch für Bio

Zum Thema Bio haben alle eine Meinung, aber kaum jemand den Überblick. Das „Tasting Forum“ lädt deshalb in schöner Regelmäßigkeit zur Verkostung hochwertiger Bio-Lebensmittel. Dabei kommen immer auch Bio-Produzenten und Konsumenten zusammen. Organisator Reinhard Gessl vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIbL) erklärt uns, wie dieser kulinarische Austausch auf Augenhöhe gelingt und warum Milch am schwersten zu verkosten ist.

Biorama: Beim 50. ”Tasting Forum“ wurden dieser Tage Bio-Schaumwein, Demeter-Champagner, Bio-Sekt und Organic Rice Sake verkostet. Wieso organisiert ein Forschungsinstitut für biologischen Landbau eigentlich ein „Tasting Forum“?

Gessl: Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Wir wollen, dass Bio nicht nur als Produktion, umfangreiche Richtlinien, strenge Kontrolle wahrgenommen wird, sondern als höchster Genuss und echte Lebensfreude. Wir haben eine Leidenschaft für Bio, die wollen wir mit möglichst vielen Menschen sinnlich teilen.

Ich selbst war beispielsweise bei Paradeiser-, Speck-, Senf- und Wodka-Verkostungen und erinnere mich an einen Themenschwerpunkt zum Thema Hecke, bei dem neben Kräutern und Stadthonig u.a. auch Schneckenleber verkostet wurde. Gibt es Lebensmittel, die sich schwer oder gar nicht vergleichen und verkosten lassen?

Na ja, verkosten und vergleichen können wir grundsätzlich alles, aber nicht alles ist sinnvoll. Uns geht es auch nur am Rande darum, welches Produkt nun das absolut beste sei. Vorlieben sind persönlich, also ist gut, was mir schmeckt. Was wir aber gar nicht machen ist, bio gegen konventionell antreten zu lassen. Das ist so, wie wenn ich einen Dreiradler gegen ein Fahrrad antreten lasse.

Bei euren Verkostungen treffen ja immer auch Produzenten und Konsumenten aufeinander. Was war denn das für dich selbst interessanteste Feedback eines Produzenten oder Bio-Bauern im Lauf der Jahre?

Ein Mostbauer sagte zu mir: „Unglaublich, dass in Wien zu einer Apfelsaftverkostung über 70 Leute kommen. Das gäbe es im Mostviertel nie! Und wie aufmerksam sich die Verkoster für unsere Arbeit interessieren. Die Bio-Menschen in „Wean“ sind schon ok!“.

Du hast verkündet, dass in den nächsten zwei Jahren zwanzig weitere Male ein ”Tasting Forum“ geben wird. Gehen einem nicht irgendwann einmal die Themen aus oder wagt ihr euch einfach weiter ins Detail und in die Nische?

Nein, die Verkostungsthemen sind unerschöpflich. Es gibt wirklich eine erfreuliche Vielzahl an interessanten Lebensmitteln und Persönlichkeiten, die diese herstellen. Außerdem ist so oder so jede Verkostung anders, weil andere Menschen dabei sind. Wir könnten theoretisch also auch eine Produktkategorie 20 Mal verkosten, es wäre jedes Mal anders und jedes Mal hochspannend.

Gibt es Lebensmittel, die sich kaum oder nur sehr schwer verkosten lassen?

Ja, die gibt es. Lustigerweise war es in der 50er Serie bisher eines der wichtigsten österreichischen Lebensmittel, die Milch, bei der völlige Planlosigkeit spürbar war. Sechs gleiche Gläser, in jedem ist Milch. Welche ist die Vollmilch, welche die Magermilch, welche die länger frische etc.? Fehlen uns im Kopf „Vergleichswerte“ und Bilder, dann wissen wir nicht, wonach wir suchen sollen, dann fehlen uns die Worte und wir sind planlos. Gut sind beim Milchvergleichstest nur mehr die Kinder. Das ist kein Wunder, denn die sind auch diejenigen, die Milch einfach so trinken.

Bei einem Bio-Forschungsinstitut liegt nahe, dass der klare Verkostungs-Fokus auf Bio-Produkte aus Überzeugung passiert. Einmal abgesehen davon, dass man weiß, dass Bio für Mensch, Umwelt und Gesundheit besser ist: Schmeckt man deiner Meinung nach einen Unterschied? Schmeckt Bio besser?

Generell kann man nicht sagen, dass Bio immer besser schmecken muss. Bio steht aber für eine Top-Herstellungsqualität und gewisse Bio-Lebensmittel schmecken einfach anders. Zum Beispiel sind im Bio-Fruchtjoghurt echte Bio-Früchte drinnen und keine Aromen, oder Bio-Hendlfleisch hat eine dunklere Farbe und viel mehr Biss, da die Tiere nur halb so schnell wachsen.

Die ersten Jahre über fanden alle „Tasting Foren“ in Wien statt. Heuer habt ihr erstmals den Schritt in die Bundesländer gewagt. Anders als in Wien keine Community. Wer kommt denn zu Tasting Foren in Linz oder Salzburg?

Außerhalb von Wien brauchen wir unbedingt lokale Partner, die uns mit ihrem Netzwerk unterstützen. Bio-Organisationen, Bio-Hauszusteller, Slow Food-Conviviens oder Gastrosophen übernehmen die Einladungen, meist auch im Zusammenspiel mit lokalen Medien.

Das Hauptgeschäft des FIbL bleibt aber die Bio-Forschung. Was sind denn aktuelle Projekte?

Das FiBL Österreich sieht sich als Schnitt- und Servicestelle zwischen Forschung und Praxis. Die Arbeitsschwerpunkte vom FiBL Österreich liegen derzeit neben der Bio-Konsumenteninformation vor allem in der Nachhaltigkeitsanalyse und im Klimaschutz, beim Pflanzen- und Gemüsebau sowie in der Biodiversität und im Naturschutz. In Kürze wird es auch wieder Tierhaltungsprojekte geben.

Inwiefern arbeiten denn das FIBL Österreich und die „Mutter“, das FIbL Schweiz zusammen?

Die drei deutschsprachigen FiBLs arbeiten strategisch eng zusammen. In den Projekten arbeitet jedes FiBL eigenständig, engere Verzahnungen gibt es in der Nachhaltigkeitsanalyse und im Pflanzenbau.

Gibt es in der Schweiz auch ein „Tasting Forum“?

Nein, leider noch nicht. Aber wir sind da schon dran und machen den genussaffinen Schweizer Kollegen den Mund wassrig. Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir in der Schweiz ein bisschen Entwicklungshilfe leisten.

Gemeinsam mit dem Freilandverband betreibt das FIbL auch die Plattform www.bio-wissen.org. An wen konkret richtet sich dieses Bio-Wissen?

Bio-Wissen.org wendet sich an Menschen wie Dich und mich, an Menschen, die sich für Bio interessieren. Die Biolandwirtschaft ist ja schon ein wenig kompliziert und lässt sich nicht in einem Satz erklären. Wir setzen beim Aufbereiten des Wissens ganz stark auf die Wahrheit „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“. Gemeinsam mit Designern und Kulturwissenschaftern visualisieren wir Bio-Wissen. Das kann dann auf der einen Seite ein Daumenkino „24 Gründe für Bio“ sein oder coole T-Shirts oder eine Plakat-Kollektion, aber auch eine „Radical Edition“ zu den Biodynamischen Präparaten. Das Bio-Wissen kann man über den Webshop einfach erwerben. Mit unserem hohen – akademischen – Anspruch gestalten wir zwar hochkomplexe, aber im Detail doch einfach Wissenswelten der Biolandwirtschaft.

Ganz allgemein: Wie ist es denn um das Bio-Wissen der Österreicherinnen und Österreicher bestellt?

Zu Bio-Lebensmitteln haben zwar alle eine Meinung, aber meist nur ganz wenig Wissen. Das drückt sich dann sehr konkret in den Verkaufszahlen aus. 7,3 % der in Österreich verkauften Lebensmittel sind derzeit Bio, ein erstaunlich niedriger Wert im Bio-Europameisterland oder auch wo bei Befragungen eh fast alle immer Bio einkaufen.

Wann und zu welchem Thema findet das nächste „Tasting Forum“ statt und wie gelangen Interessierte auf die Einladungsliste?

Das Tasting_forum 51 widmet sich am 19. Mai dem schönen Thema „Wurst kann schimmeln…“ Wer auf die Einladungsliste will, schreibt ein E-Mail an kontakt@bio-wissen.org, auf der Liste haben wir schon noch Platz.

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