Erdbeeren & Obst-Frust

Gestern gab’s Erdbeeren. „Aus dem Marchfeld, die ersten!“ versicherte mir die Freundin, bei der wir frühstückten – sie kennt mein Regional-Experiment und sorgt sich sehr um mein leibliches Wohl. Ja, ich aß die Erdbeeren, sie waren gut, ein kleines „Darf man das?“ blieb dann aber doch im Raum stehen. Sicher sind die Erdbeeren aus einem Glashaus, über die Produktionsbedingungen weiß ich nix genaues, möglicherweise wird das Glashaus beheizt und frisst viel Energie, nachprüfen kann ich es nicht. Aber was ist, um mal beim Obst zu bleiben, die Alternative? Zwei Wochen lang habe ich nichts außer Bio-Topaz-Äpfel einzukaufen gewusst, letzte Woche kam dann noch Rhabarber dazu, zumindest der ist auch saisonal. Doch bei den Äpfeln? Wie ich erfahren musste, kauft mein Weinviertler Bauer sie teilweise aus der Steiermark zu, weil sein eigenes Lager schon leer ist. Selbst wenn’s das nicht wäre, müsste ein Lagerraum monatelang auf Temperatur gehalten werden.

Zur Zeit haben die lokal angebauten Äpfel schon einen großen CO2-Rucksack“, sagte mir Wolfgang Pekny von der Plattform footprint.at, als ich mit ihm über diese Problematik sprach. „Vielleicht ist da der Apfel aus Südafrika sogar besser.“ Wenn der Apfel per Schiff kommt, lastet möglicherweise weniger Schadstoff auf ihm als durch das Betreiben von Kühlhäusern etc. zu Stande kommt. Meistens, so Pekny, sei übrigens der CO2-Rucksack, der durch eine Autofahrt von und zum Supermarkt zu Stande kommt, größer als die Umweltbelastung, die alle gekauften Produkte im Wagerl gemeinsam auslösen. Zumindest in dieser Hinsicht kann ich meine Hände in Unschuld waschen, ich fahre so gut wie nie einkaufen, mache alles mit Rad oder zu Fuß. Dennoch, für das Regional-ist-besser-Dogma sind diese Erkenntnisse ein ziemlicher Rückschlag; Angesichts der Komplexität und der fehlenden Nachprüfbarkeit vieler Faktoren macht sich schon das Gefühl der Machtlosigkeit breit. Das Festhalten an einem Dogma – ob nun regional, bio oder sonstwas – dient letztlich nur der Komplexitätsreduktion, die schlaueste Option zum besseren Essen & Leben ist es aber wohl, sich der Komplexität zu stellen, auch wenn man ihr nie ganz gerecht wird.

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