Elevate me!

elevate.eroeffnung.tag1.dom

Der erste und der zweite Tag des Elevate Festivals in Graz sind vorbei – wir befinden uns in der Halbzeit. Ein kleine Collage über Gesehenes und Gehörtes.

Mit klassischer Musik beschallt machte ich große Schritte durch die kühle Inner-Berg-Luft Richtung Elevate-Eröffnungsshow. Die Show wurde spannend und kurzweilig, vor allem durch ihren Moderator Johannes Grenzfurthner (im Astronauten-Kostüm) vom Künstlerkollektiv Monochrom, aber auch wegen ihrer Gäste, die eine Vorschau auf das kommende Festival darstellten. Das Musikprogramm begann nahtlos, eigentlich simultan, zuerst im Tunnel, eine Location deren Humidität einen zittern und frieren lässt, was für manche dort auftretende Acts in Sachen Publikum und Wahrnehmung sicher hilfreich sein kann. Blue Willa aus Italien eröffneten das Festival. Sie lieferten eine Varieté-artige Bühnenshow, aber ohne Kulissen, nur mit Hilfe der ausdrucks- und variantenreichen Stimme der Frontfrau. Musikalisch im Punk, Post-Punk angesiedelt und mit einer Brise Göttinnen-Charme aus der PJ Harvey-Ecke gewürzt wollten die noch wenigen Zuseher der Band an den Lippen und Händen hängen. Die Nacht im Tunnel stand im Zeichen von Interpenetration, also der gegenseitigen Durchdringung in vielerlei Hinsicht: Publikum und Artist, E- und U-Musik und die extraterrestrische Tunnel-Umgebung mit komisch riechender Musik.

Im Dom im Berg indes hieß es „Open Elevate!“, was einen Quer- und Aufschnitt des kommenden Festival-Programm prognostizierte. Ritornell und Mimu u.a. am Akkordeon lieferten minimale, spielten reduzierte Elegien. Konsul Gnadenwalze traten in Burkas auf und spielten live Elektronik mit Knarzen und Beats. Jon Hopkins könnte einen Hipster Porno-Film vertonen und er überzeugte das Publikum, das erstmals die Beine bewegte und tanzte.

Der erste Festival-Tag ging schlendernd, entspannt zu Ende. Die Augen blinzelten schon zum zweiten Festival-Tag, dem Donnerstag, dessen Diskurs-Programm unter dem Motto „Living In An Open Society“ stand. Die Diskussionsthemen reichten von offener Gesellschaft, offener Demokratie in Island bis hin zu Open Source Ökonomie. Ich verfolgte die Tages-Schlussdiskussion mit Anne Roth, Johannes Grenzfurthner, Thomas Lohninger, Sonja Bettel und Moderatorin Brigitte Kratzwald, die ein Open-Everything proklamieren, jedoch mit einem Fragezeichen versehen: Wie verändert Openness die Gesellschaft? Datenschutz und/oder alles öffnen sind keine Gegensätze. Johannes Grenzfurthner arbeitet momentan an einem filmischen Essay mit dem Titel „Nothing To Hide“. Ebenso stellt er die Frage seit wann es Privatsphäre gibt, seit wann wollen wir privat sein? Zwei Begriffe bleiben im Ohr: Privacy und Post-Privacy. Post-Privacy ist laut Grenzfurthner nur eine Schablone, genauso wie das Wort „privat“. Das Zentrum der Diskussion bildete die Frage nach Handlungsmöglichkeiten für jede einzelne und jeden einzelnen. Wortmeldungen aus dem Publikum waren u.a., dass Post-Privacy eine Chance sein könnte: gleichmäßig verteilte Information könnte gleichmäßig verteilte Macht bedeuten. Das Öffentlich-Machen von Privatem hat durchwegs etwas Emanzipatorisches.

Neben Diskussionen über emanzipatorisches Handeln gibt es beim Festival auch Workshops im Rahmen des Musikprogramms folgend dem Motto des Donnerstags „Text, Ton und Drones“. Die Musikerin Mimu führte die Stimm-interessierte Gruppe durch ein paar Beispiele aus der Musikgeschichte. Die Künstlerinnen und Künstler brachen mit Konventionen und sangen anders, die Stimme wurde zu einem eigenständigen Instrument, das viele Spielarten beherrscht. In der Praxis sah das so aus, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über einen eingeschalteten Staubsauger drüber singen durften. Sound, Noise, Ton, Klang, Geräusch und Variation, diese Begriffe werden für den zweiten Teil des Workshops interessant: Im Freien oder in einem besonderen Raum wird stimmlich probiert.

Verschiedenste Stimmen gab es auch beim ersten Musiktalk im Keller des Forum Stadtpark zu hören, die Musikerin Electric Indigo und die DJ Marcelle sprachen über das Netzwerk female pressure, die Wichtigkeit von role models und den Frauenanteil des Elevate Festivals – er liegt mit 12,5 % über dem gängigen Durchschnitt.

Der zweite Festival Tag klang mächtig aus, im Minoritensaal spielten und sprachen Dat Politics und Ann Cotten, Kajkyt, Hella Comet, Wrekmeister Harmonies und DJ Marcelle.

VERWANDTE ARTIKEL