Das Prinzip Zelt

Wes Andersons Moonrise Kingdom: die coole Seite des Campings (c) Tobis Film

Wes Andersons Moonrise Kingdom: die coole Seite des Campings (c) Tobis Film

In einer Zeit, in der große Abenteuer zu erleben für jedermann erlebbar und auch relativ erschwinglich geworden ist, gilt es, das einfachste aller Abenteuer wieder aus den Fängen der Kleinkarierten zurückzuerobern: das Camping.

Als Mitteleuropäer gibt es wohl kaum jemanden, der zum Schlagwort Camping nicht auch eine – höchstwahrscheinlich sogar amüsante – persönliche Anekdote zum Besten geben könnte. Doch wer möchte heutzutage noch freiwillig seine spärlichen Urlaubstage am Zeltplatz draufgehen lassen? Zu unaufregend der Gedanke an die holländischen Dreiachser, die nächtens wie gigantische Blumenkästen aus dem Boden schießen, um jegliches, vormals traumhaftes Panorama vollflächig zu verstellen. Zu verlockend die Billigflug-Angebote nach Übersee, welche mit Sorglosigkeit winken. Und zu tief sitzen die Erinnerungen an unter mediterranen Stürmen nachgebende Baumwollzelte, mit Regenwasser gefüllte Bodenwannen, in denen mit Bettzeug bezogene Luftmatratzen treiben, oder Erinnerungen an auf Sonnenbrandhaut sauer gewordenem Notfall-Joghurt.

Early Adopters in der Zeltstadt

Doch gerade am Equipment kann eine solche Fehlwahrnehmung heute nicht mehr festgemacht werden, ist doch die zum »Gear« geadelte Ausrüstung dank der Outdoor-Industrie mindestens hundertfach expeditionserprobt. Andere Gründe dafür sind wohl auch nicht zuletzt der natürlichen Abwehrhaltung gegen alles, was einem  Eltern so als cool verkaufen wollten, zuzuschreiben. Aber selbst sofortige Einsicht brächte einem jetzt keinen Early-Adopter-Status mehr ein. Schon vor knapp einem Jahrzehnt erkannte Burberry, dass der gemeine Camper ein todschickes Sandalenwerk braucht, das an den adriatischen Campingplätzen gerne als transluzenter Schutz vor Seeigelstachel angepriesen wird. Und was der amerikanische Star-Regisseur Wes Anderson in seinem Film »Moonrise Kingdom« (2012) optisch verarbeitete, ist nur die Spitze der Fahnenstange des Siegeszuges dessen, was man die coole Seite des Campings nennen könnte – oder eben: »Cool Camping«.

(c) Arnold Pöschl

(c) Arnold Pöschl

Von Camping bis Glamping

Und genau unter diesem Titel brachte der Brite Jonathan Knight 2006 seinen ersten Camping-Ratgeber heraus, der mit allen noch so hartnäckigen Vorurteilen aufräumen sollte. Allerdings nicht auf die Salonfähigkeit des Campens an sich bedacht, vielmehr darauf, dass auch Campingplätze einmal so cool sein können wie ihre coolsten Besucher. Angeblich von Knight als Vorwand initiiert, um ausgedehnte Test-Urlaube machen zu können, brachte er unter Mitwirkung weiterer Reiseautoren bis heute nicht nur Ratgeber zu allen Ecken der britischen Insel, Frankreich und ein Generalwerk zu Europa heraus, auch eine Ausgabe speziell fürs Zelten auf europäischen Festivals, eine fürs Campen mit Kindern und ein Guide zum Phänomen des »Glamping« – Luxus-Camping – lassen sich im Regal finden. Das Prinzip, nach dem vorgegangen wird, ist bestechend einfach und deshalb gleichwohl genial. Jeder Campingplatz wird persönlich von den Autoren auf genau das untersucht, was man vorab über den Ort seines Urlaubes wissen möchte. So findet sich nach jeder persönlichen Beschreibung des vorgestellten Platzes eine Infobox über Vor- und Nachteile des Angebotes, Zustand der Anlage bis hin zum WC, Versorgungsmöglichkeiten und etwaige Ausflüge in die Umgebung. Auch mögliche permanente Störenfriede und selbst die Betreiber werden sorgfältig porträtiert. Das alles verschafft einem das Gefühl, einen persönlichen Einblick ermöglicht zu bekommen. Die spektakuläre Auswahl an Orten und teilweise auch deren Skurrilität lässt nie daran zweifeln, wirklich gerade aus den besten wählen zu können. So steht der Rückeroberung des kleinsten gemeinsamen Abenteuers auch wirklich nichts mehr im Wege. Abschließend sei noch das »Cool Camping«-Kochbuch erwähnt, welches nicht zuletzt ob des Vorwortes von niemandem Geringeren als Edward Michael Grylls alias Bear Grylls, britischer Abenteurer und Überlebensexperte, mit eine Lieblingsausgabe der Serie darstellt, aber auch wirklich als ernst zunehmendes »Kochbuch für draußen« in allen Facetten zu verstehen ist.

 

COOL CAMPING DEUTSCHLAND

Für »Cool Camping Deutschland« hat Autor Björn Staschen fast 60 Campingplätze in der Bundesrepublik ausgewählt und bewertet – von der Salzwiese auf einer Insel im nordfriesischen Wattenmeer bis zum Indianer-Tipi-Dorf auf einem Öko-Bauernhof in der Rhön. Und: »Cool Camping Deutschland« gibt’s seit Kurzem auch online unter www.coolcamping.cc. Auf der Website können Camper sich mit aktuellen Informationen zu ihren liebsten Campingplätzen versorgen. Zudem berichten die Macher von »Cool Camping Deutschland« über neue Zeltplätze, spannende Campingerlebnisse und darüber, wie die Cool-Camping-Bewegung in Deutschland neue Anhänger findet.

CCD_Cover

»Cool Camping Deutschland« von Björn Staschen ist bei Haffmans & Tolkemitt erschienen.

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