Wie unfair ist dein Weihnachtsbaum?

Kein Honiglecken: Die schwächsten Glieder in der europäischen Christbaumindustrie sind georgische Zapfenpflücker. In bis zu 60 Metern Höhe agieren sie oft mangelhaft ausgerüstet und ohne soziales Netz. (Foto: Toppen)

Regional gewachsene Weihnachts- und Christbäume sind gut und schön. Die Samen für die Bäume stammen allerdings meist aus Georgien, wo Zapfenpflücker ausgebeutet werden. Um das zu ändern wurde mit „Fair Trees“ ein eigener Fair-Trade-Standard definiert. 

Auch die Samen für einen Christbaum aus dem Schwarzwald oder aus dem Waldviertel stammen sehr oft aus Georgien. Die besten Zapfen der Nordmanntanne wachsen in den Wipfeln, in 40 und oft auch 60 Metern Höhe. Georgische Zapfenpflücker sind dort mit mangelhafter Ausrüstung und ohne Versicherung und soziales Netz im Einsatz. Die dänische Organisation Fair Trees möchte das ändern. Wir haben mit Marianne Bols gesprochen. Die Försterin hat dafür Fair-Trade-Standards definiert, kooperiert mit Transparency International und möchte künftig möglichst viele in der EU verkaufte Christ- und Weihnachtsbäume Fair-Trade- und bio-zertifiziert wissen.

BIORAMA: Beim Einkaufen von Weihnachts- und Christbäumen denken die allerwenigsten an Fair Trade. Warum reicht es nicht aus, einfach Bäume zu kaufen, die in der Gegend gewachsen und gefällt wurden? Billigschmuck könnte in Kinderarbeit hergestellt worden sein. Aber was kann an einem Christbaum unfair sein?
Marianne Bols: 90 Prozent aller Samen für die europäische Christbaumindustrie stammen aus der abgelegenen und sehr armen Region Ambroulauri in Georgien. Dort werden sie unter absolut intransparenten und gefährlichen Arbeitsbedingungen gesammelt. Für einen professionellen Zapfenpflücker sind Sicherheit und Rücksicht auf den Wald beim Zapfenpflücken aber am wichtigsten. Nordmanntannen werden 40 bis 60 Meter hoch. Jeder erfahrene Zapfenpflücker weiß, dass die besten Zapfen im Wipfelbereich wachsen und deshalb muss er den Baum bis zum Wipfel hinauf klettern. Daher sind Sicherheitsausrüstung und -training entscheidend. Wir haben deshalb das Fair Trees-Model entwickelt, das weltweit erste Konzept für eine ethische und nachhaltige Christbaumproduktion. Es umfasst das Sammeln der Samen ebenso wie einen Fair-Trade-Bonus, der besonders auf Sicherheit, Umweltbildung und Gesundheit achtet. Fair Trees besteht darauf, dass alle Mitarbeiter Sicherheitstrainings durchführen und dass sie beim Klettern Kletterausrüstung nach höchsten neuesten Standards verwenden. Die Idee hinter Fair Trees ist es, die konventionelle Christbaumproduktion in eine nachhaltige, ethisch vertretbare Richtung zu bringen. Wir wollen das Alltagsleben der vielen Menschen verbessern, die entlang der Wertschöpfungskette eines Christbaums beschäftigt sind.

Arbeit in luftiger Höhe: Zapfenpflücker in Georgien. Die Bäumen wachsen später auch in Bayern und im Waldviertel. (Foto: Fair Trees Fund)

Geht es da nur um Georgien oder gibt es auch anderswo Probleme?
Marianne Bols: 
Durchaus, ja. Deshalb produzieren unsere Fair Trees-Christbaumproduzenten auch in westlichen Ländern nach Fair Trees-Standard, weil auch die Elemente der Wertschöpfungskette dort relevant sind.

Wenn ich eine Nordmanntanne in Österreich, Deutschland oder der Schweiz kaufe: Wie kann ich sichergehen, dass ich keine unfair produzierten Bäume kaufe?
Marianne Bols: 
Einfach einen Fair-Trade-Christbaum kaufen. Den indentifiziert man über das spezielle Fair Trees Label. Sonst gibt es derzeit keine Garantien. Nur Bäume, die aus „Fair Seed“ (fairem Samen, Anm.) gezogen wurden sind mit Sicherheit auch Fair-Trade-Bäume.

Sie kooperieren nicht nur mit Fair Trade Denmark, sondern auch mit Transparency International. Ist die Christbauindustrie derart korrupt?
Marianne Bols: 
Sagen wir so: Wir wollen zu 100 Prozent sicher sein und gewährleisten, dass alle Arbeitsschritte auch wirklich transparent sind und bleiben.

Nur dieses Gütesiegel garantiert mit Sicherheit, dass die Samen unter menschenwürdigen Bedingungen geerntet wurden. Die Christbaumindustrie ist eine Branche wie jede andere auch. (Foto: Fair Trees Fund)

Dass es sich beim Christbaummarkt um eine Industrie handelt, ist wohl wenigen bewusst. In Europa ist Dänemark einer der großen Player. Wieviele Christbäume wachsen denn in Dänemark?
Marianna Bols: Allein 12 Millionen Nordmanntannen, die jährlich und hauptsächlich in andere EU-Länder exportiert werden – eben zum Beispiel nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz und nach Frankreich. Erst einige wenige davon werden als Fair Trees produziert und vermarktet. Aber unser Konzept ist offen für alle Produzenten und Grower, die bereit sind, sich unserem Regelwerk und der Zertifizierung zu unterwerfen. Im Grunde spricht absolut nichts dagegen, dass irgendwann alle Christbäume Fairtrade zertifiziert sind. Noch ist halt den wenigsten Konsumenten bewusst, dass die Samen für ihre Christbäume meist aus Georgien stammen. Dort leben die betroffenen Kinder und Familien der Zapfenpflücker aber unterhalb der Armutsgrenze. Die Kinder in Ambrolauri haben keinen Zugang zu ordentlichen Toiletten, in den Schulen gibt es kein Wasser. Da ist viel Raum für Verbesserungen und die sind dringend notwendig.

Und wie werden die Fair Trees vom Markt angenommen?
Marianne Bols: Die Entwicklung ist gut. Wir wurden auch eingeladen, eine Plattform zur Produktion von Bio-Christbäumen zu entwickeln, weil unsere Samen und die Pflänzchen biozertifiziert sind. Das ist der nächste Schritt. Wir bieten beides an. Bio und konventionell, Fair Trade ist es immer. Mir persönlich ist Bio aber auch sehr wichtig. Wir müssen an unsere Kinder und Enkelkinder denken, an Böden und ans Grundwasser. Ich habe mich sehr darüber gefreut als Präsidentin der neu gegründeten „Christmas tree growers association of organic trees“ vorgeschlagen worden zu sein.

Kein Honiglecken: Die schwächsten Glieder in der europäischen Christbaumindustrie sind georgische Zapfenpflücker. In bis zu 60 Metern Höhe agieren sie oft mangelhaft ausgerüstet und ohne soziales Netz. (Foto: Toppen)

www.fairtreesfund.com

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