Die Mär vom Ewigen Eis

Der Jäger des verlorengehenden Schatzes: Die Doku »Chasing Ice« begleitet den Klimaaktivisten James Balog.

Der Jäger des verlorengehenden Schatzes: Die Doku »Chasing Ice« begleitet den Klimaaktivisten James Balog.

Naturfotograf James Balog dokumentiert, was Klima(wandel)-Skeptiker anzweifeln: In Zeitraffer schmelzen die Gletscher Islands, Grönlands und Alaskas dahin wie Butter in der Pfanne. 

Es ist eine simple Idee und eine im Grunde alte Technik, doch sie erfordert robuste Hightech-Ausrüstung, Mittel und Geduld: 2007 bringt der Naturfotograf (National Geographic), Geologe und Abenteurer James Balog auf dem isländischen Sölheim Gletscher Kameras an. Im Fokus: das »Ewige Eis«. Mehrmals tägliche Aufnahmen sollen festhalten, ob und wie die Gletscher tatsächlich schwinden. Schon sechs Monate später, als er begleitet von Regisseur Jeff Orlowski nach Island zurückkehrt, um die Kameras zu kontrollieren und erste Daten auszuwerten, können Balog und seine Mitstreiter kaum glauben, sich nicht im Ort geirrt zu haben – derart drastisch hat sich das Landschaftsbild verändert. Im Zeitraffer aneinandergereiht zeigen die über mehrere Jahre gemachten Aufnahmen schließlich, dass der Gletscher binnen eines halben Jahrzehnts dahinschmilzt wie ein Stück Butter in der Bratpfanne.
Balogs Idee, Veränderung sichtbar – und damit emotional fassbar – zu machen, geht voll auf. Einmal sogar in Echtzeit, als seine Mitarbeiter zufällig filmen, wie binnen Minuten ein Gletschermassiv von der Größe einer Kleinstadt vor ihren Augen implodiert. Aufnahmen wie diese sieht man sonst bloß, wenn sich Hollywood computeranimiert den Weltuntergang ausmalt.

Macht uns zu Augenzeugen des Klimawandels: James Balog.

Macht uns zu Augenzeugen des Klimawandels: James Balog.

Balog war, das erzählt er zu Beginn des Films, selbst vor zehn, zwölf Jahren ein Zweifler, der sich kaum vorstellen konnte, dass die Menschheit einen Klimawandel herbeiführen und auf geologische Dimensionen einwirken könne. In Jeff Orlowskis Doku werden wir nicht nur punktuell Zeugen dieses »geologic scale change«. Insgesamt 23 Kameras haben James Balog und sein Team für ihr eis-Projekt (»Extreme Ice Survey«) in Island, Grönland, Alaska und Montana angebracht.
Auch wenn der Titel »Chasing Ice« aufs Erste stark überzeichnet klingt: Letztlich wird die Jagd nach dem Eis Realität. An einer Stelle musste Balog seine Weitwinkelkamera viermal in Folge verrücken, um den Rückzug zu beobachten und den Gletscher weiter im Blick behalten zu können. Was wir neben gigantischen Schmelzwasserströmen, Cryoconite-Löchern (welche die Schneelandschaft wie Pockennarben überziehen) und eindrucksvollen Momentaufnahmen elementarster Naturlandschaft noch sehen und erzählt bekommen: das Porträt eines leidenschaftlichen Aktivisten und verantwortungsvollen Vaters, der sich nicht scheut, seine Gesundheit der Aufklärungsarbeit zu opfern. Es ist der vielleicht stärkste Moment dieses Films, wenn sich gegen Ende hin James Balog nach seiner dritten Knie-Operation mit Krücken einen Gletscher hinaufplagt. Einmal mehr mit dem Anspruch, sich selbst ein Bild zu machen und bewegende Bilder für die Welt einzufangen.

Im Rahmen der ERDgespräche: Vorführung im Burg Kino
Mittwoch, 15. Mai, 20.30 Uhr
»Chasing Ice«
Burg Kino (Wien 1, Opernring 19)

Eintritt gegen freie Spende!
Weiter Infos auf  erdgespraeche.net

 

Ab Mitte 2013 werden die Film-DVD, Flyer und Unterrichtsmaterialien zu »Chasing Ice« verfügbar sein.
www.chasingice.com
www.extremeicesurvey.org

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