Bio vs. Öko: Die Trends der Biofach

Rundum öko: Naturland führte BesucherInnen seines weitläufigen Stands u.a. auf eine Virtual-Reality-Tour durch den Stall. (Foto: Thomas Weber)

Die beiden großen auf der Biofach wahrnehmbaren Bio-Trends – Convenience Food und ökologisch sinnvolles Packaging – stehen letztlich für die konträren Stoßrichtungen der Branche. Vier Beobachtungen aus Nürnberg

01 Die Branche kämpft mit ihrem Wachstum.
Wenig war auf der Biofach in Nürnberg heuer so offensichtlich wie das Ringen, den enormen Boom auch strukturell zu bewältigen, ohne die Werte der Altvorderen zu verleugnen. Vereinzelt noch hochgekommene Diskussionen über die Listung der Bioland-Verbandsware beim Diskonter Lidl, die Zusammenarbeit des Demeter-Verbands mit Kaufland und die vielbeschworene „Fachhandelstreue“ der Pioniermarken waren die Nachbeben eines passierten Erdbebens, das die Branche zweifellos in ein neues Zeitalter gebracht hat. Einig sind sich die Pro- und die Contra-Fraktion in ihrer Einschätzung, dass die Sache gegessen ist. Und während am einen Ende der Skala die kleinen Hofläden aus dem Boden schießen und es auch für vereinzelte Bioläden zusehends besondere Konzepte brauchen wird, um sich zu behaupten, gehören die Biosupermarktketten wie Dennree/Denns, Alnatura oder die Bio Company zu den Profiteuren des Wachstums. Und eben Lidl, Kaufland und wer da nun noch aller nachziehen wird. Die Branche steckt mitten in einem großen Strukturwandel, der auch vor Biobauern und -Bäuerinnen nicht Halt machen wird.
Ganz praktisch und pragmatisch geht es nun darum: Wer darf liefern, wer nicht. Und wo vielleicht noch Claims abzustecken wären. Bei manchen bleibt die Befürchtung, dass die Verbände und damit die ProduzentInnen von Diskontern über den Tisch gezogen werden könnten.

Provokant: Zur Feier ihres 40. Jubiläums hat die Bohlsener Mühle das Wort Bio durchgestrichen – und durch öko ersetzt. Wohl aus Abgrenzung zum „Supermarktbio“. (Foto: Thomas Weber)

02 Das Wort #öko feiert sein Comeback.
Je breiter die Branche wird, desto stärker differenziert sie sich aus. Und desto wichtiger wird die Differenzierung gerade auch für jene Pioniere, die sich vom „Supermarktbio“ abgrenzen und dem Fachhandelsnetz, mit dem sie groß geworden sind, die Treue halten wollen. Am radikalsten war das in Nürnberg vielleicht am Stand der Bohlsener Mühle zu sehen. Das norddeutsche Traditionsunternehmen, selbst ein Bioland-Partnerbetrieb, feiert sein 40. Bestandsjahr durchaus provokant: Auf einigen Verpackungen hat die Bohlsener Mühle ihr Bio kokett durchgestrichen und pocht auf „Öko seit 1979.“ Die Botschaft ist unmissverständlich: Bio mag die Basis und selbstverständlich sein, doch wir sind besser als Bio, wir sind öko.
Überhaupt kündigt sich ein Comeback des lange als verstaubt empfundenen Öko-Begriffs an. Der Naturland-Verband, engagiert weit über Deutschland hinaus, dort aber zuletzt etwas im Schatten des schillernden Bioland-Verbands, stellt den hedonistischen Werbeslogans der Supermarktketten („Bio für mich“) die Hashtag-Kampagne #ökofürswir entgegen. Hier lautet die Botschaft wohl: Bio mag vielleicht die Milch zu Hause im Kühlschrank sein, die Denkweise aber, der holistische Ansatz der Agrikultur, die das Bodenleben, die Fütterung, Fruchtfolge und auch die Tierhaltung mitdenkt, ist Teil eines Öko-Systems – oder sinnlos.

#ökofürswir als Statement gegen „Bio für mich“ – so lässt sich zumindest die Kampagne des Naturland-Verbands auslegen. (Foto: Thomas Weber)

03 Convenience ist allgegenwärtig.
Keine Überraschung, dass es 2019 wahrscheinlich keinen namhaften Hersteller mehr gibt, der nicht auch zumindest das eine oder andere Convenience-Produkt im Sortiment führt. Vor ein paar Jahren noch heiß diskutiert haben veränderte Lebensrealitäten und Ernährungsgewohnheiten hier Tatsachen geschaffen, an denen keiner in der Branche vorbeikommt. Das Dilemma dabei: Convenience Food schafft tendenziell mehr Verpackungsmüll.

04 Man sucht sinnvolle Verpackungskonzepte.
„Wir wollen weg vom Scheiß Plastik!“ meinte ein Aussteller. Viele andere sehen das pragmatischer, wollen Kunststoffe aber behutsamer einsetzen, forschen, probieren und entwickeln neue Verpackungskonzepte. Haupttreiber dieser Entwicklung ist klar die Erwartungshaltung der KonsumentInnen. Wobei auch ernsthaft bemühte Hersteller klagen, dass sich der es gut meinende Konsument die Sache oft leichter vorstellt als es einem Hygienevorschriften, Transport-, Lager- und Logistikumstände machen.

Dass die Sache kompliziert ist, dieser Bewusstseinsprozess insgesamt erst am Anfang steht und selbst ambitionierten Brands noch das nötige Gespür abgeht, verdeutlicht ein österreichischer Aussteller – engagiert und glaubwürdig im Packaging seiner eigenen Produkte – der den BesucherInnen am Stand seine Verpackungsinnovationen ausschließlich bei eisgekühlten Dosendrinks präsentierte.

Apropos Dosen: Red Bull – im Vorjahr erstmals mit seiner Organics-Reihe in Nürnberg vertreten – war heuer nicht als Aussteller anwesend. The Coca Cola Company hingegen ist 2018 offenbar gekommen, um zu bleiben. Einige ihrer Bio-Getränke waren überaus präsent.

Single-Origin-Rapsöle von Bio Planete – und am Etikett wird der Bauer bzw. die Bäuerin gezeigt, von der die Frucht stammt. (Foto: Thomas Weber)

Weitergedacht in der Bio-Branche wird am 16. und 17. März 2019 beim Biolebensmittelcamp im Morgensternhaus in Fulda.

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