Freie Fahrt bei Rot für Radfahrer?

Stimmt, die Stadt im Bild ist Berlin, nicht Wien. (Bild: Flickr, Thomas Hassel, CC BY 2.0)

Stimmt, die Stadt im Bild ist Berlin, nicht Wien. (Bild: Flickr, Thomas Hassel, CC BY 2.0)

Freie Fahrt bei Rot für Radfahrer? Das wird in machen Städten, zum Beispiel in Paris, praktiziert, und in vielen anderen diskutiert. In Wien wäre das undenkbar und tödlich für die Verkehrsteilnehmer auf dem Rad, meint der Verkehrssprecher der Grünen, Rüdiger Maresch im Interview. 

Die Verkehrssituation in Wien ist extrem angespannt. Jeder muss von A nach B kommen, jeder pocht dabei auf sein Recht und es wird wenig gegenseitige Rücksicht aufeinander genommen. Während noch immer viele Menschen in Wien das Auto für ihre täglichen Wege nutzen, gibt es auch immer mehr Gesundheitsbewusste oder schlicht Sparsame, die ihre täglichen Strecken mit dem Rad bewältigen. Und wer selbst viel mit dem Rad in Wien unterwegs ist, kennt die Probleme: rissiger Asphalt, zu enge oder schlecht ausgebaute Radwege und sehr kurze Grünphasen an den Ampeln. Wir haben mit Rüdiger Maresch, Verkehrssprecher der Grünen, darüber gesprochen, ob eine Abschaffung der roten Ampeln für Radfahrer in Wien sinnvoll und möglich wäre.

BIORAMA: Sollte man rote Ampeln für Radfahrer abschaffen?

Maresch: Es gibt in vielen Ländern unterschiedliche Radfahrkulturen und in Österreich ist das Radfahren einfach ein Minderheitenprogramm, anders als in Holland oder in Belgien, zum Teil auch in Frankreich, wo das mit dem Fehlen der roten Ampeln für Radfahrer wohl funktioniert. Bei uns ist das aber schwer umsetzbar. Bei Rot über die Kreuzung fahren ist nun mal verboten und einfach lebensgefährlich, weil Autofahrer natürlich in dem Fall stärker sind.

Warum ist das außerdem schwer umsetzbar?

Es gibt ein schönes Zitat von Knoflacher, welches sagt: „Bei uns kommen die Radfahrer aus der Cockpit- Kultur und benehmen sich wie Autofahrer.“ Das wird nicht immer stimmen, aber das ist manchmal so. bei uns in Österreich geht es nicht um „jemandem Recht geben“, sondern „Recht haben“. Autofahrer benehmen sich auf der Straße, als ob ihnen die ganze Welt gehört und das machen manche Radfahrer leider auch, vielleicht sogar manche Fußgänger. Nur haben die Autofahrer in diesem Fall die größten technischen Vorteile und ich glaube, es ist für Fahrradfahrer und Fußgänger vernünftiger, mehr Platz und mehr Möglichkeiten zu bekommen.

Es fehlt einfach die Radfahrkultur und der Fokus liegt auf dem Autofahren. Radwege sind wenige vorhanden, der Mehrzweckstreifen ist zu nahe an der Autotür, ich habe selbst schon ein paar Mal Bekanntschaft mit der Autotür geschlossen. Vielleicht sind die Rotphasen der Ampeln zu kurz, die Ampeln sind oft nur auf Autos ausgerichtet. Es gibt zwar Radlerampeln, doch bei manchen, wenn ich da drauf drücke, passiert gar nichts. Das Auto nimmt zwei Drittel der Straße ein, den Fahrradfahrern und allen anderen bleibt der Rest. Noch dazu werden viele Kinder von den Eltern in die Schule gebracht, man lernt „das Auto benutzen“. Die fahren nicht mit dem Fahrrad. Ich habe selbst in einer Schule in Floridsdorf unterrichtet und da waren mehr Lehrer mit dem Fahrrad da als Schüler. Und das waren immerhin 1600 Schüler. Wir müssen das Rad fahren erst wieder lernen.

 Rüdiger Maresch ist Abgeordneter des Wiener  Gemeinderats für die Grünen und Verkehrssprecher seines Clubs. (Bild: Die Grünen Wien)


Rüdiger Maresch ist Abgeordneter des Wiener  Gemeinderats für die Wiener Grünen und deren Umwelt- und Verkehrssprecher. (Bild: Die Grünen Wien)

Noch dazu ist der Asphalt sehr buckelig, die Straßen müssten repariert werden. Auch fehlt es in Wien an Abstellmöglichkeiten und wenn diese vorhanden sind, dann auf dem Gehsteig und nicht auf der Parkspur. Auch sollte ich zuhause die Möglichkeit haben, das Fahrrad abzustellen. Viele haben das Rad in der Wohnung, ich selbst trage es täglich in den ersten Stock hinauf.

Dazu kommt, dass für viele Autofahrer das Autofahren die letzte Freiheit ist. Schauen Sie sich die Autowerbungen an. Das geht so einfach nicht. Es gibt Ampeln, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Polizei und die Autofahrer glauben, dass die Fahrradfahrer sich alles erlauben können. Es ist ein bisschen so wie Sexualneid, gegenüber sexuellen Minderheiten glaubt die Mehrheit immer, die dürfen alles, dem ist aber nicht so. Und angeblich dürfen Radfahrer alles, ungestraft und man ist ihnen neidisch. Und ich glaube das ist der Punkt, warum so viel auf den Radfahrern rumgehackt wird.

Woher kommt diese Einstellung „Immer Recht haben, aber nie Recht geben?

Diese Kultur kommt aus Josephinismus, dem Katholischen, autoritärer Sozialismus spielt eine Rolle und auch der bis 1945 bestehende Faschismus. Die Leute glauben immer, es muss jemand da sein, der ihnen sagt, wie es geht. Anstatt nachzudenken, wie es gehen könnte. Bezüglich dem Verkehr: Es ist alles reglementiert, es gibt so viele Ampeln, Zebrastreifen und so weiter. Und weil eben alles reglementiert ist, geht’s immer ums Recht haben. Ich nehme nicht Rücksicht, ich darf das.

Bild: Flickr, Don Harder, CC BY-NC 2.0

Bild: Flickr, Don Harder, CC BY-NC 2.0

Ein Beispiel, wo das Radfahren in Wien nicht gut funktioniert?

Nehmen wir zum Beispiel die Praterstraße. Dort gibt es jeweils einen Richtungsradweg, wo man nicht einfach nebeneinander fahren und plaudern kann, sondern man muss hintereinander fahren, da einige andere schneller sind und überholen wollen. Da gäbe es zum Beispiel die Lösung, dass die Schnelleren auf der Fahrbahn und die Langsameren auf dem Radweg fahren.

Der Radfahreranteil in Wien ist aber unterschiedlich und abhängig vom Bezirk, im Durchschnitt sind es in Wien circa 6%. Das ist relativ wenig im Vergleich zu anderen österreichischen Städten. Uns ist wichtig, dass viele Radfahrer nicht nur in der Freizeit, sondern zum Beispiel auch mit dem Fahrrad in die Arbeit fahren. Die Innengürtelbezirke haben mittlerweile einen Radfahreranteil bis zu 15%, aber es gibt andere Bezirke, da beträgt der Anteil 3-4%.

Was wäre eine alternative Lösung zum „Abschaffen der roten Ampeln für Radfahrer?“

Was ich mir vorstellen kann, ist, dass man bei Rot rechts abbiegt, das gibt’s bereits in sehr vielen Ländern. Wir werden versuchen die Ampeln zumindest in der Nacht auf Gelbblinken umzuschalten. Es gibt dort keinen öffentlichen Verkehr, man muss als Radfahrer aber trotzdem stehen bleiben. Und bei Rot über die Ampel fahren wird mit Zahlung oder Abmahnung bestraft, auch wenn weit und breit kein Auto in Sicht ist. Daher wäre dieser Schritt vernünftig. Es gibt natürlich auch das Grünblinken, wo dann alle Leute in den Verkehr hineinfahren. Finde ich ganz gefährlich aufgrund der hohen Geschwindigkeiten bei Autofahrern. Noch dazu gibt es auch es gibt auch viele Autofahrer, die bei Rot über die Kreuzung fahren, Fußgänger und Radfahrer sind dabei schwer gefährdet. Mir ist es wichtig dass die Fußgänger am meisten geschützt sind. Es sollte eine Entspannung zwischen allen Verkehrsteilnehmern geben. Man muss ein vernünftiges Maß an Autoverkehr zulassen, das ist gut und das braucht man, aber nicht übergeordnet. Ich brauche nicht riesige Straßen, wo dann überhaupt nichts geht. Außerdem ist Radfahren gesund!

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