Alkoholfreier Genuss im Wein- und Cocktailglas

Nüchtern betrachtet: Was gibt's Neues auf dem Getränkemarkt – in alkoholfrei und bio.

Alkoholfreie Weine
Alkoholfreier Wein ist mehr als nur Traubensaft. Um seinen Geschmack zu verbessern wird ihm aber häufig ebenjener in konzentrierter Form beigemischt. Bild: BIORAMA.

Es ist keine einfache Kiste, die wir da aufmachen. Nach der alkoholfreien Erfolgsgeschichte beim Bier lagen die nächsten Schritte praktisch auf der Hand. Alkoholfreie Weine und Spirituosen hätten das nächste große Ding werden sollen. Hätten sollen. Geschmacklich liegen Wein und alkoholfreier Wein nämlich viel weiter auseinander als Bier und alkoholfreies Bier. So gesehen hat das eine (Bier) mit dem anderen (Wein) nichts zu tun. Null Komma Josef.

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, alkoholfreier Wein sei nichts anderes als die Stufe davor. Also Traubensaft. Dem ist aber nicht so. Alkoholfreier Wein ist fertiger Wein, dem Alkohol entzogen wird. Die Gärung darf der Wein durchlaufen, weil bei diesem Prozess der Fermentation komplexe Aromen entstehen, die den Wein erst zum Wein machen. Dann, und diese Technologie ist mittlerweile über 100 Jahre alt, wird der Wein in einer Entalkoholisierungsanlage einem niedrigen Druck ausgesetzt. Bei sehr geringem Druck, also im Vakuum, verflüchtigt sich der Alkohol im Wein schon bei 30 Grad Celsius. Mit ihm allerdings auch seine besten Aromen. Um dem entgegenzuwirken und um wieder ein wenig Frucht in die Sache zu bringen, setzen einige ProduzentInnen Traubensaftkonzentrat ein. Wir haben ein paar Produkte genauer unter die Lupe genommen und stellen hier recht passable Tropfen vor. Auch ein paar Brüder der sober Gin- und Bitter-Front.

Gustavshof, Holunder Secco alkoholfrei

Bild: BIORAMA.

Der Gustavshof ist ein biodynamischer Weinbaubetrieb in Gau-Heppenheim. Der Holunder Secco ein erfrischendes, floral-fruchtiges Getränk mit spritzigem Kohlensäure-Pfiff und hohem Spaßfaktor. Gefällt vor allem, weil die Süße bei diesem Rosé-Prickler nicht im Vordergrund steht. Jedenfalls ist das Rücketikett sehr aufschlussreich: enthält Wasser, Demeter-Traubensaft, Demeter-Essig, Kohlensäure und einen Auszug aus Demeter-Holunderblüten. Also keinen Wein. Gut so.
gustavshof.de

NOA, Non alcoholic Sparkling Organic

Bild: BIORAMA.

Mit 33 Gramm Restzucker ist der Schaumwein zwar weit entfernt von »trocken«. Aber – zugegeben – er mutet trocken an. Überhaupt verblüfft der Schäumer, weil er dem klassischen Bild vom Sekt überraschend nahe kommt. Klar kann man bei genauem Kosten erkennen, dass es entalkoholisierter Wein mit zugesetztem Biozucker und ebenso zugesetzter Kohlensäure ist. Wäre anders technisch auch gar nicht möglich. Aber das Ergebnis ist richtig gut. Deutliche Steinobstnoten, gelbfruchtig. Sogar ein Hauch von zarter Exotik ist wahrnehmbar. 
bioweinreich.com erhältlich.

Ôpia, Chardonnay Sans Alcool

Bild: BIORAMA.

Wumms. Der Chardonnay ist eine Fruchtbombe. Intensiver Duft nach reifer Birne, grüner Banane, etwas Ananas und die Essenz weißer Blüten. Dazu am Gaumen eine erstaunliche Zitrusfrische und stattliche Süße. Der Blick aufs Etikett gibt Aufschluss: Aromastoffe, Zitronensäure als Säuerungsmittel, Traubenkern- und Hefeextrakt. Pasteurisiert und für die Frische mit etwas CO2 versetzt. Der Wein ist eine Komposition. Keine schlechte Komposition. Aber eine Komposition. Kann man mögen. Muss man aber nicht.
opia-organic.com

Noa, Tempranillo Rosé Organic, Non Alcoholic

Bild: BIORAMA.

Helles Lachsrosa. Verspielte Süße und locker-flockige Beerenfruchtnoten. Vor allem Erdbeere und Weichsel. Blütenhonig ist auch dabei. Am Gaumen geht die Frucht dann in Richtung Steinobst. Vor allem Pfirsich. Obwohl Tempranillo (eigentlich Spanien), erinnert der Wein an das Kernland aller Rosés: Südfrankreich. Zwar sind 35 Gramm Restzucker eine ziemliche Ansage, wirklich spüren kann man sie nicht. Der Tempranillo wirkt trocken und macht Spaß. Außerdem ist er vegan. Und ziemlich gut.
Bei bioweinreich.at erhältlich.

Ôpia, Cabernet Sauvignon Sans Alcohol

Bild: BIORAMA.

Eigentlich ist Cabernet Sauvignon dunkel. Überhaupt in seiner Jugend. »Dunkles Granatrot mit violetten Reflexen« wäre eine übliche Farbbeschreibung eines Cabernet. Der Ôpia wirkt eher wie ein alter Burgunder. Hell mit deutlicher Randaufhellung und ohne erkennbaren Kern in der Mitte. In der Nase ist er eine veritable Katastrophe. Ein Aroma, das entfernt an Cassis erinnert, dazu Gewürznelken und Vanilleextrakt. Am Gaumen wird die Sache nicht besser. Eine wässrige Mischung von Früchte- und Hagebuttentee.
opia-organic.com

Mondino, Aperitivo Senza

Bild: BIORAMA.

Da macht das Schreiben Freude. Brillantes, sattes und strahlend funkelndes Dunkelrot. Schon der Duft weckt Esprit und Lebensfreude. Feinste Zitrusnoten (die Orangen dafür kommen aus Spanien und von der Amalfiküste), leicht säuerliche Töne (vom reifen Rhabarber), dezente alpine Würze vom Gelben Enzian. Eine durch und durch durchdachte Komposition. Entweder »on the rocks«, also mit nichts als Eis. Oder für diverse Cocktails, wie Negronis oder Mules.  
amaro-mondino.de

Salus, Aperino – alkoholfreier Bio-Aperitif

Bild: BIORAMA.

Eine Spur süßer als der Mondino, aber auch eine Spur fruchtiger. Den Aperino gibt es in den Geschmacksrichtungen Curcuma-Ingwer (gelb) und Johannisbeer-Acerola (rot). Für letzteren haben wir uns hier entschieden. Das Aroma ist klar von Cassis getragen, die Acerola-Kirsche spielt natürlich auch eine Rolle, die 17 Kräuter sind dezente Begleitmusik. Fast Hintergrundrauschen. Auch die Bitternote am Gaumen. Spürbar, aber niederschwellig. Jedenfalls ist der Aperino eine vielfältig einsetzbare Zutat für Cocktails aller Art. Vom einfachen »Spritz« bis zum »spiced tea«. Gern auch hot.
salus.de

Boar, Gnzero Alkoholfreies Destillat

Bild: BIORAMA.

Für GinfreundInnen ist Boar nichts Unbekanntes. Die Destillerie im Schwarzwald brennt passablen Gin und ist für die eine oder andere Innovation bekannt. Stichwort Schwarzwälder Burgundertrüffel, Black Edition oder Gin-Likör. Und jetzt auch Gnzero. Auf seiner Website schreibt das Unternehmen recht prominent: Gnzero ist KEIN GIN. Es ist eine Alternative. Frei von Konservierungsstoffen und künstlichen Zusätzen. Also hat das Destillat keinen Jahrgang, sondern ein Ablaufdatum. Handgeschrieben auf dem Rücketikett. Ein hypothetisches Problem. Denn ein Jahr, so die Mindesthaltbarkeit, überlebt der ohnehin nicht. Zu gut das Gnzero & Tonic mit seinem waldbodenartigen Wacholderton und den aromatischen Koriander- und Thymiannoten.
boargin.de

BIORAMA #76

Dieser Artikel ist im BIORAMA #76 erschienen

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