Der Wolf in Österreich: 7 Forderungen an die Politik

Österreich war das letzte europäische Land, in das der Wolf – absehbarerweise – zurückgekehrt ist. Von der Politik fühlen sich Weidetierhalter, Tierschützer und Wolfsforscher allein gelassen. (Foto: Shutterstock)

Bio-Weidetierhalter, Wolfsforscher und NGOs formulieren auf der Biorama Fair Fair in Wien gemeinsam 7 Forderungen an die Politik.

„Der Wolf ist zurück in Österreich. Und jetzt?“ lautete der Titel einer Diskussionsrunde auf der Biorama Fair Fair in der Wiener Creau. Hintergrund des BIORAMA-Talks, an dem sich Bio-Weidetierhalter, NGO-Tierschützer und Österreichs führende Wolfsforscher beteiligten: Seit Sommer 2016 gibt es in Österreich das erste Mal seit über 100 Jahren wieder ein Wolfsrudel – auf dem Gelände des Truppenübungsplatz Allentsteig. Dass der früher erbittert gejagte Wolf auch andernorts zurückkehrt, begeistert Wildnis-begeisterte Zeitgenossen in den Ballungsräumen, verunsichert aber vor allem extensive Bio-Tierhalter. Während intensive Tierhalter ihre Tiere oft ganzjährig in Ställen halten, werden gerade extensiv gehaltene Tiere, die oft auch ökologisch wertvolle Flächen pflegen, leichter Beute des Wolfs. Genaue Regelungen für Schutzmaßnahmen, aber auch für Schadenskompensation fehlen. Ebenso fehle eine österreichweite Information zum Thema Herdenschutz. Von der Politik fühlten sich alle Diskutanten komplett allein gelassen. „Die Politik stellt sich tot und hofft offensichtlich darauf, dass endlich irgendwas passiert – weil dann kann man die Wölfe einfach abschießen lassen“, war in der Creau zu hören.

„Prävention ist für uns Tierhalter wichtiger als Schadenskompensation“, meinte der Waldviertler Bio-Schafhalter Willi Klaffl, „denn Wölfe sollen gar nicht erst auf den Geschmack kommen, dass Weidetiere eine leichte Beute sein können.“ Spontan einigte man sich darauf gemeinsam 7 Forderungen an die Politik zu formulieren – die BIORAMA zusammengefasst hat und welche nun auch vom WWF unterstützt werden.

 

Alle 7 Forderungen von Bio-Weidetierhaltern, Tierschutz-NGOs und Wolfsforschern:

1.  „Wir fordern ein flächendeckendes, österreichweit einheitliches Monitoring mit nötiger finanzieller und technologischer Unterstützung.“

„Alle Wolf-Sichtungen – ob auf Wildkameras dokumentiert, von Jägern oder Landwirten – sind an eine überparteiliche Stelle zu melden. Ein österreichischer Managementplan für den Wolf muss ausgearbeitet, bundesweit einheitlich umgesetzt und auch kommuniziert werden. Als Ausgangspunkt dafür müssen die Grundlagen und Empfehlungen für einen Wolfmanagementplan aus dem Jahr 2012 herangezogen werden.“

2. „Wir fordern eine bundesweit einheitliche Regelung bei der staatlichen Unterstützung sowohl für Herdenschutz von Rindern, Ziegen und Schafen (also die Prävention von Schäden) als auch für den konkreten Schadensfall.“
„Die finanzielle und technologische Unterstützung von Tierhaltern gehört bundesweit einheitlich organisiert. Individuelle Lösungen pro Bundesland werden entschieden abgelehnt. Als Vorbild sehen wir hier Frankreich mit seiner ganzheitlichen, vom Staat finanzierten Regelung. Auch ist es nicht zumutbar, dass die Jägerschaft Wolfsrisse zu entschädigen hat.“

BIORAMA-Talk zum Thema Wolf auf der #Fairfair17, moderiert von Herausgeber Thomas Weber (mit Hut). Spontan formulierten die Diskutanten gemeinsam 7 Wolf-Forderungen an die Politik. (Foto: Micky Klemsch)

3. „Wir fordern eine Abdeckung von Schäden durch eine landwirtschaftliche Versicherung – der Wolf ist als Naturereignis zu betrachten.“
„In den Pyrenäen werden von den dort insgesamt 26 Millionen Schafen jährlich 7.000 Tiere von Wölfen gerissen. Zusätzlich gibt es jährlich 35.000 Risse durch Hunde – während 400.000 Schafe durch Blitzschlag und Abstürze ums Leben kommen. Alle diese Fälle sind von der Versicherung als Naturschäden abgedeckt, bei möglichst wenig administrativem Aufwand für die Tierhalter. Voraussetzung für Ausgleichszahlungen haben auch in Österreich möglichst genau definierte – minimale – Herdenschutzmaßnahmen zu sein.“

4. „Wir fordern eine Kulanzlösung für unklare Schäden.“
„Bei nicht eindeutigen Tierverlusten – also etwa, wenn kein DNA-Nachweis möglich ist, der Klarheit verschafft –, welche aber durch Experten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf einen Wolfsriss hindeuten, braucht es eine Kulanzlösung. Voraussetzung ist auch hierbei ein flächendeckendes Monitoring.“

5. „Wir fordern eine Anpassung der Regularien an die Situation der Wolf-Präsenz.“
„Angepasst gehören etwa im Tierschutzgesetz Tierschutzbestimmungen für Herdenschutzhunde. Auch fordern wir ein Aus für Sanktionen oder gar Betriebssperren durch die AMA, wenn aufgrund der Präsenz des Wolfes vereinzelt Tiere fehlen.“

6. „Es braucht ein Büro für Planung und Kommunikation zum Thema Wolf.“
„Einheitliche Öffentlichkeitsarbeit, die von allen Interessensvertretungen getragen wird, ist dringend nötig. Diese hat mit mehreren Experten ausgestattet zu sein.“

7. „Wir fordern ein Projekt zur Ausbildung und Finanzierung von Studenten und Freiwilligen oder Zivildienern, um Kleinbauern in den Sommermonaten beim Herdenschutz zu unterstützen.“
„In Frankreich werden 250 eigens (für zwei Jahre geschulte) Studenten dafür bezahlt, im Sommer im Rahmen eines dreistufigen Praktikums als Hirten zu arbeiten oder um Bauern beim Herdenschutz zu unterstützen. In Frankreich erhalten diese EUR 600,- monatlich. Nach einem Einführungskurs leisten auch in der Schweiz jedes Jahr viele Freiwillige über den Sommer hinweg einen wertvollen Beitrag bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen. Auch in Österreich wären Biologie-Studenten, Freiwillige oder Zivildiener im Sommer gern gesehene Hilfskräfte.“

Alle sieben Forderungen an die Politik werden getragen von Max Rossberg (European Wilderness Society), Helena Kunes (Biobäuerin, Working Cattle Ranch in Karlstift/Waldviertel), Kurt Kotrschal (Biologe), Lena Schaidl (Wildtierökologin und Jägerin) und Willi Klaffl (Biobauer in Langenlois, Halter von Herdenschutzhunden). Auch der WWF unterstützt alle sieben Forderungen.


Weiterlesen? Seit Jahren schon beschäftigt sich BIORAMA laufend mit der Rückkehr des Wolfs nach Österreich und Deutschland. Eine Übersicht der bereits erschienen Artikel und Interviews zum Thema findet sich hier. Hervorgehoben sei an dieser Stelle das Interview mit dem Vorarlberger Biobauern und Fleischrinderhalter Simon Vetter.

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