# „climategate“ hat die klimadiskussion in eine völlig neue richtung gedreht. nachhaltig.

Der Druck der Blogger, die weltweit – im Gegensatz zu den meisten Mainstream-Medien, die immer noch schweigen oder beschwichtigen – über den „Climategate“-Skandal im November 2009 berichteten, hat Umwälzendes in der Diskussion des Klimawandels bewirkt: Der inzwischen zurückgetretene Direktor der Climate Research Unit (CRU) der Universität von East Anglia in Norwich, Dr. Phil Jones, der im Zentrum der Manipulationsvorwürfe steht, hat diese Woche in einer BBC-Sendung öffentlich eingeräumt, dass es seit 1995 keine signifikante globale Erwärmung gegeben hat. Die von seinem Institut zur Untermauerung der These von einer menschlichen Ursache der globalen Erwärmung verwendeten Daten seien gefälscht gewesen. Außerdem räumte er die Möglichkeit ein, dass die Welt im Mittelalter wärmer als heute war – ein Hinweis darauf, dass die globale Erwärmung keine von Menschen gemachte Erscheinung sein könnte. Von der Website des CRU waren im November nach einem Hacker-Angriff E-Mails bekannt geworden, in denen Jones davon spricht, er hätte „Tricks benutzt, um die Temperaturen der letzten 20 Jahre und deren Rückgang zu verstecken“.

Das späte Geständnis des Dr. Jones bestätigt nur das, was unabhängige Wissenschaftler bereits ohne ihn durch die Auswertung unverfälschter Satellitendaten herausgefunden hatten: Die Erde kühlt seit ca. zwölf Jahren leicht ab. Eigentlich könnte man nun die Kontroverse von Befürwortern und Gegnern der globalen Erwärmungstheorie – nicht zu verwechseln mit dem Wetter da draußen vor unseren Fenstern – als beendet erklären. Doch ganz so einfach ist es nicht: Immer noch emittiert jeder Bewohner eines Industrielands pro Jahr durchschnittlich 2,7 Tonnen CO2 allein für den Warenkonsum, weitere 1,5 Tonnen für Ernährung und 1,3 Tonnen für das Autofahren. „Klimagerecht“ nach dem gleichnamigen Konzept wären allenfalls zwei Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr – für alles zusammen. Trotz aller berechtigten Kritik an Industrie und Wirtschaft sollten wir also auch nach Climategate weiterhin unseren eigenen „Carbon Footprint“ kritisch beobachten. Nun ist aber die CO2-Intensität des Konsums ist in fast allen Industriegesellschaften seit 1990 bereits deutlich zurückgegangen, während die industriellen Gesamtemissionen ungebremst weiter ansteigen.

Mit dem von Dr. Jones & Co. fälschlich untermauerten Klimawandel ist der westliche Lebensstil in eine Gewissenskrise geraten. Ginge es nach den radikalsten Kritikern, sollten wir das Auto am besten ganz stehen lassen – das Konzept einer deutschen Stiftung fordert gar ein persönliches Kohlenstoffbudget auf einer CO2-Kreditkarte, von der bei jedem Tankvorgang ein Betrag abgebucht wird. Völlig unberücksichtigt bleibt bei diesen „Fantasien“ aber, ob im Zuge der Bahn-Privatisierung hunderte Kilometer Schienen stillgelegt werden und die Ticketpreise steigen. Solange in der öffentlichen Debatte über den „richtigen“ Konsum die gegenwärtigen Tendenzen zur sozialen Spaltung und Prekarisierung weithin ausgeblendet werden, bleibt die Strategie der totalen Individualisierung des „Klimaproblems“ fragwürdig. Denn wenn in Krisenzeiten die Existenzangst wächst, sinkt die Aufmerksamkeit für ökologische Probleme. Konsumkritik bedeutet aber immer auch die demokratische Aushandlung einer Vorstellung vom guten Leben für alle. Erst dann, wenn ich tatsächlich eine Wahlmöglichkeit habe, kann ich mich auch „richtig“ entscheiden.

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