Wieso zuhause kochen? Ein Student arbeitet am Küchenkonzept von morgen

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Konzepte für Morgen entstehen an vielen Orten. Einer davon ist die FH Wels. Dort entwickelt der Student Mark Hartmann die Idee zu einem Ort, an dem man einkauft, kocht und isst. 

Neulich hat uns in der Biorama-Redaktion eine eMail von Mark Hartmann erreicht. Der 22-Jährige studiert Innovations- und Produktmanagement im oberösterreichischen Wels. Eigentlich stammt Mark aus Norddeutschland. Es war die Verbindung von Technik, Wissenschaft und Design in seinem Studiengang, die ihn nach Österreich führte. Ziel des Studiums ist es, Trends zu identifizieren und passende Geschäftsmodelle daraus zu entwickeln.

„Ich möchte mich in Zukunft gerne Selbstständig machen und am besten irgendwie ein wenig die Welt verbessern,“ hat uns der Student geschrieben. „Dazu achte ich im Alltag immer darauf, wo es etwas gibt was man ändern kann, besser machen kann. Irgendwann kam ich dann auf das Thema Einkaufen, Kochen, Essen. Diese Prozesse gehören zusammen und sind optimierbar.“

So reifte im Studenten Mark Hartmann die Idee zu einer Slow Food Market Kitchen. Und weil auch Studierenden das Feedback von Professoren manchmal nicht ausreicht, hat er sein Konzept an Biorama geschickt, mit der Bitte um Veröffentlichung. Wir haben ihm zu seiner Idee ein paar Fragen gestellt, und bei der Gelegenheit auch gleich beim Ernährungssoziologen Daniel Kofahl nachgefragt, wie er die Erfolgsaussichten einschätzt.

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Bild: Mark Hartmann

BIORAMA: Du arbeitest am Konzept einer öffentlichen Küche, in der man selbst am Herd steht und nennst das Ganze Slow Food Market Kitchen. Was stellst du dir darunter vor?

Markt Hartmann: Darunter stelle ich mir eine Art öffentliche, mit allen Utensilien ausgestattete Küche vor, die in einen verpackungsfreien Supermarkt integriert ist, in dem man alle Zutaten die man zum Kochen von naturbelassenem, regionalem Essen benötigt, findet. Jeder ist willkommen dort einzukaufen, dort zu kochen und zu verweilen. Es soll Mittelpunkt des täglichen Lebens außerhalb der eigenen vier Wände, neben Schule, Studium, Beruf und Alltagsstress, sein. Zudem ist die Slow Food Market Kitchen mit einem intelligenten Rezeptvorschlags- und persönlichem Nährstoffkontroll- System ausgestattet.

BIORAMA: Und an welcher Stelle passt die Slow Food Market Kitchen in den Alltag ihrer Nutzer?

Mark Hartmann: Man hat gerade gearbeitet, hat sich eine Pause verdient, braucht etwas zu essen und muss danach noch etwas erledigen. Oder man möchte sich mit Freunden treffen oder sich vielleicht einfach Zeit für sich selbst nehmen. Dann soll die Slow Food Market Kitchen der richtiger Ort dafür sein.

Dort angekommen kommt das Smartphone in die Tasche. Soziales Miteinander braucht ja keine Ablenkung. Stattdessen nimmst du dir einen der intelligenten Ratgeber. Die sollen per Fingerprint zu starten sein und man erhält darauf Rezeptvorschläge basierend auf der individuellen Nährstoffaufnahme, analysiert anhand der letzten Gerichte und Zutaten die man gegessen hat. Damit soll eine optimale, ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ermöglicht werden. Man kann natürlich auch ganz nach den eigenen Wünschen kochen.

Wenn man alles in der passenden Menge zusammengestellt hat – so wird Abfall durch Verderben vermieden – geht es zur Kasse. Danach kann man entweder nach Hause entweder gehen, oder zu den Küchen vor Ort. Vielleicht hat man nicht einmal mehr eine Küche in der eigenen Wohnung, weil sie sich im Single-Haushalt nicht mehr lohnt.

BIORAMA: Wieso ist die Zeit reif, dieses Konzept umzusetzen?  

Mark Hartmann: Das Bewusstsein rund ums Essen steigt in der Gesellschaft. Skandale um Fleisch, Gentechnik und Verbraucherbetrug durch Marketingtricks machen den Kunden wachsam. Vegetarier- und Veganer haben es ohnehin schwieriger mit der Inhaltsstoffkontrolle.

Die Esskultur und der Lebensstil befinden sich im Wandel. Die Slow Food Market Kitchen kann all diese Trends verbindet und ihnen im Alltag Rechnung tragen.

BIORAMA: Öffentliche Küchen kennen viele Leute aus Studentenwohnheimen oder Hostels. Die sind häufig nicht sehr appetitlich und schmutzig. Wie kann man das in einer öffentlichen Küche verhindern? 

Mark Hartmann: Durch Personal. Studentenwohnheime und Hostels sind bekannt als die billige Alternative zur eigenen kleinen Wohnungen und Hotels. Um den Preis anbieten zu können muss gespart werden, unter anderem am Reinigungs- und Instandhaltungs- Personal. Die Slow Food Market Kitchen wird da anders. Neben dem üblichen Supermarktpersonal gibt es ein Kücheninstandhaltungsteam, welches nach jedem Gast dafür zuständig ist, dass die Küche dem nächsten Gast gewohnt aufgeräumt, komplett ausgestattet und hygienisch überlassen wird. Der Kunde muss sich da keine Sorgen machen.

Im Preis wird sich das nicht bemerkbar machen. Durch Verpackungsfreiheit kommen die Nahrungsmittel direkt ohne Zwischenhändler in die SFMK und es herrscht kein Wettbewerb zwischen Marken- und No-Name- Produkten. Von allem gibt es nur das Beste zu einem fairen Preis.

Für die Küchenbenutzung wird direkt keine Gebühr verlangt, das könnte Preisbewussten Kunden beim Kochen unter Zeitdruck setzen oder es wird als zu teuer empfunden, was es nicht ist. Stattdessen werden die anfallenden Kosten auf die Lebensmittel verteilt. Diese Cent Beträge sind im Rahmen und fallen im Vergleich zu vergleichbaren Anbietern nicht auf.

BIORAMA: Was sollte Leute dazu veranlassen, außerhalb ihrer Wohnung zu kochen, anstatt im Restaurant zu essen? 

Mark Hartmann: Der Spaß am Kochen, das Gefühl selbst etwas Leckeres zu kreieren, das Miteinander, die Transparenz über die Inhaltsstoffe und natürlich der Preis. Die Market Kitchen wird nicht teurer, als wenn man zuhause alleine kocht. Singlehaushalte kennen das Problem: Möchte man mal eben 1-2 Teller für sich selbst kochen hat man nie die passende Menge an Zutaten zuhause. Entweder zu wenig – was sich am Geschmack bemerkbar macht – oder man hat zum Beispiel zu viele Karotten, welche dann übrig bleiben, in Vergessenheit geraten und dann verderben. Da ist es viel angenehmer die Slow Food Market Kitchen als seinen eigenen, riesigen, immer frischen Vorratsschrank zu sehen, den man mit anderen teilt und sich immer so viel nimmt wie man braucht um dann direkt zu verarbeiten.

BIORAMA: Wenn der Besucher in der Market Kitchen von einem technischen Begleiter durch das Geschäft gelotst wird, geht dann nicht der Spaß am Stöbern und ausprobieren verloren? 

Mark Hartmann: Man ist ja nicht auf ihn angewiesen. Das ist ein Entscheidungshelfer für Unentschlossene. Stöbern und ausprobieren, Feedback und sein entdecktes mit anderen Teilen, ist erwünscht. Nichts desto trotz wird jede Zutat, die man kauft, nach der Kasse unbemerkt vom Nährstoffkontrollsystem verarbeitet und mit deiner täglichen empfohlenen Tagesdosis in Beziehung gesetzt. Jeder hat also Selbstkontrolle über den eigenen Nährstoffhaushalt.

BIORAMA: Passen die Digitalisierung des Speiseplans und technologische Selbstkontrolle und Optimierung zu den Ideen von Slow Food oder treffen das Welten aufeinander? 

Mark Hartmann: Ich würde sagen, da treffen und verbinden sich zwei Welten. Slow Food steht laut Definition für genussvolles, bewusstes und regionales Essen und ist das Gegenteil der Fastfood Kultur. Die Digitalisierung des Speiseplanes und die technologische Selbstkontrolle sind lediglich eine technologische Unterstützung zum Erreichen einer optimalen Ernährung. Slow Food an sich entsteht aus dem wichtigsten, guten Zutaten und der Zeit die man sich dafür nimmt.

BIORAMA: Wäre das Konzept mit den Gadgets vielleicht auch für andere Supermärkte interessant?

Mark Hartmann: Sicher können diese Gadgets auch in den allgemein bekannten Supermärkten integriert werden, allerdings ist die Nährstoffkontrolle bei der Fülle an Zusatzstoffen der Fertigprodukte um einiges komplizierter und ob am Ende das gekaufte gegessen wird bzw. von wem kann schwer kontrolliert werden. Zudem fehlt die soziale Komponente und das Erlebnis einer Slow Food Market Kitchen.


Ein interessantes Konzept, dass Mark Hartmann entwickelt. Doch wie gut passt es zu aktuellen Ernährungstrends? Wir haben den Ernährungssoziologen Daniel Kofahl um eine kurze Einschätzung gebeten. Der Experte forscht zu Trends rund ums Thema Essen. Mit ihm haben wir uns schon einmal über Küche der Zukunft unterhalten.

Bild: Daniel Kofahl

Bild: Daniel Kofahl

Biorama: Sind Konzepte, die Gastronomie und die individuelle Auswahl von Zutaten kombinieren, ein Trend der näheren Zukunft? 

Daniel Kofahl: Davon ist eigentlich auszugehen, da es dem Bedürfnis nach Individualisierung Rechnung trägt. In Grundzügen gibt es das ja auch schon vieler Orten, sei es, dass man sich die Pizza nach Wunsch belegen lässt oder dass man bei einem Menü Speisen kombiniert. Früher wurde nämlich in der Gastronomie in der Regel keine Auswahl gegeben, sondern es gab ein festes Tagesgericht und das war es dann. Die sukzessive Zunahme von Auswahlspielräumen ist ein lange andauernder und sich forstsetzender Prozess.

Ganz simpel gefragt: möchten Menschen überhaupt außerhalb der eigenen vier Wände selbst kochen? 

Sicherlich ist das noch eine eher kleine Gruppe der Bevölkerung, die darüber nachdenkt oder dies sogar tun möchte. Allerdings ist die Idee, sogar Wohnungen ganz ohne Küche anzubieten und das Essen, Trinken oder eben das Kochen komplett in den öffentlichen Raum auszulagern nicht neu. Und z.B. für die zunehmende Anzahl an Single Haushalten ist dies auch eine realistische Option, um gerade bei dieser alltäglichen und dennoch gleichzeitig sinnlichen Tätigkeit, wieder öfter zu vergemeinschaften. Geld spart man bei der Miete nebenbei auch noch.

Kochclubs und Kochstudios, die man mieten kann, gibt es einige. Könnten die vermehr eine Rolle im Alltag spielen?

Das ist eine innovative Idee. Nachdem das Essen und Trinken in den letzten Jahrhunderten zusehends vom Privaten in die Öffentlichkeit gewandert ist, und auch das professionelle Kochen stark im öffentlichen Raum präsent ist, warum nicht auch das Kochen von Laien…

Was sind die Stärken und Schwächen des Konzepts?

Seine größten Schwächen könnten in seinem Erfolg liegen: Wenn es wirklich viele Menschen in Anspruch nehmen, wird es wohl erstmal bald einen Mangel an Kochplätzen geben, besonders zu Stoßzeiten.

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