Naturschutz im Geiste von Marx

Vor genau 21 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen. Die Zeit der Wende war aber nicht nur politisch eine turbulente Zeit, auch der deutsche Naturschutz durchlief eine prägende Zeit.

Schon vor der deutschen Einheit war eine der wichtigsten Figuren des deutschen Umweltschutzes der Träger des Alternativen Nobelpreises Michael Succow. Heute bemüht sich seine Stiftung vor allem in Osteuropa und Asien darum, dass neue Schutzgebiete entstehen. Succows Erfahrungen im Kampf für eine intakte Umwelt gehen aber weit in die Zeiten des eisernen Vorhangs zurück.

Naturschutz in der Logik des SED-Regierung

Michael Succow ist neben Kurt Kretschmann wohl eines der Synonyme für den ostdeutschen Naturschutz. Neben dem Engagement von Einzelpersonen fand der Naturschutz in der DDR aber auch auf struktureller Ebene statt. Zum Beispiel gab es da das Institut für Landwirtschaftsforschung. „Vonseiten der Führung hat man uns einige Freiräume gelassen, es gab aber im gesamten Staatsgebiet nur 40 Mitarbeiter,“ erinnert sich Succow, der immer wieder gegen das System der SED-Regierung zu kämpfen hatte, doch er wusste ihre Logik auch in seinem Sinne zu nutzen.

Das System in der DDR hatte, obwohl kommunistisch, im Umgang mit der Natur sehr ähnliche Prinzipien wie der kapitalistische Westen. Die Parteilinie basierte genauso auf dem Prinzip des Wachstums. Die Natur hatte dem Menschen zu dienen. „Die Ökologen der DDR waren deshalb tief bedrückt,“ schildert Succow die Situation. Oft wurden – damit die Regierung nicht provoziert würde – sogar Marx und Engels zitiert um für den Naturschutz zu argumentieren. „Wichtig war dabei aber den Staat nicht in Frage zu stellen. So ist es uns gelungen den Machthabern gewisse Wahrheiten zu vermitteln, am Ende muste aber immer ein sozialistischer Schluss enthalten sein.“

Unbeabsichtigter Naturschutz

Es gab schon während der DDR-Zeit einige Zonen in Ost-Deutschland, die nicht wie der Rest für die intensive Naturausbeutung in Verwendung waren: Ein Streifen an der innerdeutschen Grenze und Sicherheitsräume an der Ostseeküste. Außerdem waren sechs bis sieben Prozent des Landes Militärgebiete der Sowjetarmee. „Insgesamt waren also 12% des Staatsgebiets nicht in Intensivnutzung.“ De facto konnte sich die Natur in diesem Bereich bis zu einem gewissen Grad erhalten. In der politisch unruhigen Zeit vor der Wende, schaffte es Succow dann sehr trickreich, dass diese Gebiete in Nationalparks umgewandelt werden.

Mit Modrow als Ministerpräsident kamen neue Ansätze in die DDR-Politik. Um den bevorstehenden Zerfall der DDR aufzuhalten, versuchte er auch oppostionelle Stimmen an der Regierung zu beteiligen. So gab es vier neue Minister ohne Geschäftsbereich, die aus der Bürgerbewegung kamen. Die Umweltbewegung nutzte diese Offenheit um die erwähnten Gebiete endgültig in Schutzzonen zu verwandeln und energisch ein Umweltministerium einzufordern. In vier Monaten kamen und gingen drei Umweltminister. Succow konnte deshalb als neu ernannter, stellvertretender Umweltminister auch Bekannte aus der Umweltschutzbewegung ins Ministerium holen. „Ich kann mich noch erinnern, dass man zu mir gesagt hat: ‚Succow, Sie haben bei uns alles Freiheiten.‘ Da ist einfach sehr viel in kurzer Zeit passiert. Es war ein beispielhafter Prozess.“

Weitere Erfolge

Auch in anderen Bereichen gab es Erfolge. Zwischen Jänner und Mai 1990 wurden die gesamte industriemäßige Massentierhaltung und sämtliche Kombinate geschlossen. „Das Volk wollte die Quälerei nicht mehr ertragen.“ Auch agro-chemischen Zentren, also Düngerherstellungsbetriebe, wurden geschlossen. „Wir haben uns über Öko-Landwirtschaft informiert und dafür Ökobauern aus dem Burgenland eingeladen. Ganze Dörfer wurden damals öko,“ bei Succow ist die Begeisterung über diese Zeit nicht zu überhören.
In der Zeit nach der Wende nahm Succow eine Gastprofessur an der TU-Berlin an und gründete einen eigenen Studiengang. Im wiedervereinten Deutschland wurde er schnell zu einer der wichtigsten Identifikationsfiguren der Umweltbewegung. Im Jahr 1997 gipfelte die Anerkennung dann in der Verleihung des „Alternativen Nobelpreises“ für seine Bemühungen um große Naturschutzgebiete in Ost-Deutschland, Ost-Europa und Asien.

„Heute gibt es Deutschland noch viel zu tun, es wurde aber auch viel erreicht,“ blickt Succow  auf seine Bemühungen zurück. Es gibt in der ganzen Osthälfte Europas ein Netz von Großschutzgebieten, die es ohne den Einsatz von Succow wohl so nicht gäbe.

Die großen Erfolge der Umweltbewegung sieht Succow aber nicht als Anlass sich zurückzulehnen: „In einer Welt der Wachstumsideologie gibt es im Naturschutz große Probleme. Die Diktatur China zum Beispiel plündert den Kapitalstock Natur völlig aus.“ Trotz der vielen Erfolgserlebnisse scheint der Naturschutz also manchmal leider auch wie ein Kampf gegen Windmühlen: „Ich komme mir oft auch ohnmächtig vor!“

Dass energischer Einsatz aber – auch unter widrigen Umständen – große Erfolge erzielen kann, zeigt die Geschichte von Michael Succow und dem ostdeutschen Naturschutz allemal.

VERWANDTE ARTIKEL