Warum Roboter auf Kamelen reiten

Bild: Flickr, khalidaziz, CC BY 2.0

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Wenn in Arabien Kamele um die Wette laufen, sitzen auf ihren Rücken mittlerweile keine ausgebeuteten Kinderjockeys mehr, sondern eigens dafür entwickelte Roboter.

Wenn der Wüstensand von klappernden Kamelhufen so aufgewirbelt wird, dass man kaum noch etwas erkennen kann, aber dennoch die bedeutendsten Scheichs  von einer Tribüne aus versuchen, dem Geschehen mittels Fernglas zu folgen, dann kann das in vielen Ländern der Arabischen Halbinsel nur eines bedeuten: Die Kamele rennen wieder um die Wette. Kamelrennen haben in Arabien tatsächlich eine lange Tradition, der mittlerweile mit aufwendigen Fernsehübertragungen gefrönt wird. Dabei geht es den reichen Scheichs, die ihre besten Kamele an den Start schicken, aber nicht bloß ums Geld. Zwar gibt es bei jedem Rennen ortstypische Preise wir Luxus-Karossen, Villen oder wertvolle Schwerter zu gewinnen, doch der wahre Preis ist der Ruhm, der dem Besitzer des Gewinner-Tieres gebührt.

Luxus pur für die launischen Rennkamele

Dafür sind die betuchten Männer bereit, einiges zu investieren: Gute Rennkamele sind bis zu zehn Millionen Euro wert und werden gehandelt und bewertet wie Rennpferde. Doch nicht nur die Besitzer, sondern auch die Kamele mit nur einem Höcker – außerhalb der Arabischen Halbinsel als Dromedare bezeichnet – führen ein wahres Luxusleben. So werden sie tagtäglich mit den ausgewähltesten und teuersten Speisen verköstigt: Dazu zählen nicht nur Weizen und Hafer, sondern auch Datteln, Ziegenmilch und erlesenster Honig. Als Gegenleistung vollbringen die Kamele wahre Topleistungen, denn sie laufen mit bis zu 50 Stundenkilometern. Jedoch zum Leidwesen  ihrer Besitzer nur dann, wenn ihnen der Sinn danach steht, sind sie doch als äußerst launisch bekannt. Daher wird auch immer erst unmittelbar vor jedem Rennen entschieden, welches Kamel in der angemessenen Tagesverfassung ist, um mit seinen Artgenossen um die Wette zu laufen.

Bild: Flickr, Chris Fithall, CC BY 2.0

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Kleinkinder als Jockeys missbraucht

So beliebt die als Nationalsport betrachteten Kamelrennen auf der Arabischen Halbinsel auch seit jeher sind, so lange sind sie Menschenrechtsorganisationen wie „UNICEF“ und „Amnesty International“ ein gewaltiger Dorn im Auge. Grund dafür ist, dass das Amüsement der Zuseher viel zu lange über das Wohlergehen der Jockeys gestellt wurde. Da ein Jockey möglichst wenig wiegen soll, um dem Kamel keine allzu große Last zu sein, bevorzugten die Betreiber nämlich Burschen im Alter von drei bis fünf Jahren für diese Tätigkeit. Die Kinder wurden armen Familien aus Ländern wie  Pakistan, Indien, Sri Lanka und Bangladesch für meist nur 20 US-Dollar abgekauft, manchmal gar entführt und zu einem modernen Sklavendasein fern von ihren Eltern gezwungen. Oft wurden sie mit Schlägen zum Gehorsam getrimmt. Um auch weiterhin ein Fliegengewicht zu bleiben, erhielten sie nur eine Mahlzeit pro Tag und auch die stundenlangen Ritte auf den Kamelen waren äußerst abträglich für ihre Gesundheit, da sie zu schweren Wirbelsäulenschäden führten. Mehr als nur nachvollziehbar, dass Menschenrechtsorganisationen versuchten zu intervenieren. Im Jahr 2005 schlussendlich mit Erfolg: Das Mindestalter von Kameljockeys wurde auf 18 Jahre erhöht und die Burschen wurden in ihre Heimat zurückgebracht, wenngleich die Betreiber wohl weniger das Wohl der Kinder als die Förderung des Tourismus aus dem Westen im Kopf hatten.

Bild: Flickr, Pratham Books, CC BY 2.0

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Mit parfümierten Robotern bis ins Ziel

Da jedoch achtzehnjährige oder ältere Jockeys viel zu viel wiegen, um das Kamel als Sieger ins Ziel zu führen, ließen sich die Betreiber der Kamelrennen etwas anderes, viel Spektakuläreres einfallen. Der Zwergenstaat Katar schrieb allen Ernstes die Entwicklung von Robotern, die als Jockeys fungieren sollten, aus. So wollte man einerseits demonstrieren, dass man keine Kinder mehr ausbeutete, andererseits zeigen, dass man technologisch auf dem neusten Stand sei. Eine Schweizer Firma machte schließlich das Rennen um die Renn-Roboter und untersuchte die Temperaturschwankungen und die Umwelteinflüsse in der Wüste sowie die typische Körperform der Kamele.

Bild: Flickr, Omar Chatriwala, CC BY 2.0

Bild: Flickr, Omar Chatriwala, CC BY 2.0

Anhand dieser Informationen wurde ein 70 Zentimeter kleines Männchen entwickelt, das der Wüstenhitze von über 50 Grad Celsius standhält und mit zwei Greifärmchen, in denen es Zügel und Peitsche hält, ausgestattet ist. Gesicht hat es zwar keines, da die bildhafte Darstellung den Regeln des Islam widerspricht, aber dennoch erzielt es bessere Ergebnisse als einst die Kinderjockeys. So bietet sich dank dieser Entwicklung bei Kamelrennen auf der Arabischen Halbinsel heute ein ganz anderes Bild als noch vor etwa zehn Jahren: Statt mageren Kleinkindern reiten nun ferngesteuerte, parfümierte Robotermännchen auf den Wüstentieren. Warum parfümiert? Damit die launischen Kamele die von Menschenhand geschaffenen Roboter nicht sofort wieder abwerfen. Für die reichen Scheichs wird es wohl keinen Unterschied machen.

Bild: Flickr, Omar Chatriwala, CC BY 2.0

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