Jugenddelegierte Rio+20 ziehen Bilanz: Nur noch kurz die Welt retten?

Rio +20: 1 Konferenz, 50.000 TeilnehmerInnen, 2 österreichische Jugenddelegierte und 1.000 neue Erfahrungen.

Eineinhalb Monate bereiteten wir, Raphael und Julia, uns für die UN Konferenz für nachhaltige Entwicklung vor, die von 20. bis 22. Juni 2012 in Rio de Janeiro stattfand. Es war eine stressige, aber auch extrem spannende Zeit. Was uns wirklich erwarten würde, konnte sich keiner von uns recht vorstellen. Wir wussten zwar, dass wir als Jugenddelegierte Teil der offiziellen österreichischen Delegation sein würden, aber was würde das für uns bedeuten?

Nun sind wir seit zwei Wochen in Brasilien und konnten unglaublich viele Erfahrungen sammeln. Alles begann mit dem „Youth Blast“, einer Jugendkonferenz, die als Vorbereitung für die große UN-Konferenz stattfand. Diese zeigte uns einmal mehr, wie viel Engagement und Potential in jungen Menschen steckt. Das, was Politiker auf internationaler Ebene nicht zu schaffen scheinen, gelang hier: Nämlich Einigungen zu erzielen und an einem Strang zu ziehen! Jugendliche aus der ganzen Welt, von Kenia bis Australien, von Mexiko bis Deutschland, diskutierten und arbeiteten zusammen an gemeinsamen Positionen. Diese sollte als Grundlage für unsere Forderungen bei der Konferenz dienen.

Die Vorbereitungsverhandlungen, kurz PrepCom genannt, startete daraufhin und erst einmal mussten wir zugeben, dass wir ziemlich enttäuscht waren. In themenspezifischen Kleingruppen saßen die Delegierten mehr oder minder motiviert um einen Tisch und stritten um den Wortlaut einzelner Textpassagen. Sollte es „could, should oder would“ heißen? Nach zwei Stunden gratulierte die Verhandlungsleitung zur Flexibilität und dem Fortschritt, der erreicht wurde. Immerhin seien schon zwei Paragraphen angenommen worden. Wir beide mussten in diesem Moment einen hysterischen Lacher unterdrücken. Zwar wurden wir schon öfter gewarnt, dass solche Prozesse mitunter frustrierend und langsam ablaufen können, aber es in der Realität zu erfahren, war anfangs etwas deprimierend. Die Spannung muss sich aber zeitweise nicht nur bei uns in Grenzen gehalten haben, da selbst ein Verhandlungspartner währenddessen kurz einnickte.

(c) Jugend-Umwelt-Plattform JUMP

Am nächsten Tag sah die Welt auch wieder etwas anders aus. Wir ließen uns auf den Prozess ein und begannen Interesse für die teils schwierigen politischen Verhältnisse zwischen den einzelnen Staaten zu entwickeln. Wir fragten uns, was wir denn auf internationaler Ebene erwartet hatten, in einem System, in dem wirtschaftliche und nationale Eigeninteressen eine große Rolle spielten und kaum ein Verhandlungspartner denselben kulturellen Hintergrund hatte. Ein Wunder? Immerhin wurden schließlich Maßnahmen beschlossen und kleine Schritte in die richtige Richtung gesetzt.

Richtig mitgerissen wurden wir dann eigentlich, als wir selbst aktiv wurden. Die internationalen JugendvertreterInnen riefen dazu auf, sich für einen Absatz einzusetzen, der die Wichtigkeit von außerschulischer Bildung betonte. Die Situation erschien vorerst aussichtslos, da der Paragraph eigentlich aus dem UN-Dokument gestrichen wurde. Man muss wissen, dass es danach fast unmöglich ist ihn wieder einzubringen, da alle verhandelnden Parteien zustimmen müssen. Und die Zeit, diese von unserem Vorschlag zu überzeugen, drängte! Der Plan war also, die Schlüsselfiguren ausfindig zu machen, die sich noch nicht dafür ausgesprochen hatten, unser Anliegen zu unterstützen. Aber wie findet man unter hunderten Staaten die wichtigsten Player? Und wie sollten wir diese am besten kontaktieren, würden sie uns überhaupt zuhören? Als wir die Liste mit den wichtigsten Namen durchgingen, sprang mir einer ins Auge: Henry aus Ghana. Vor ein paar Tagen hatte uns eine österreichische Delegierte genau diese Person vorgestellt. Er war einer der obersten Verhandlungspartner, sodass der Kontakt zu ihm uns österreichische Jugenddelegierte plötzlich eine wichtige Rolle im Kampf um die Forderung gab. Was die nächsten Stunden geschah, lässt sich am ehesten mit einer Schnitzeljagd vergleichen. Nach langem Hin und Her konnten wir Henry schließlich im riesigen Konferenzzentrum ausmachen und mit ihm sprechen. Er selbst sagte nichts dazu, lächelte geheimnisvoll und verschwand wieder um mit seinen Leuten Rücksprache zu halten. In der Zwischenzeit versuchten wir noch alle mächtigen Nationen zu erreichen. Schlussendlich haben wir die außerschulische Bildung trotz allen Widrigkeiten in den Text gebracht, das zeigt unserer Meinung nach wie wichtig die Jugendbeteiligung in solchen Prozessen ist. Welche Rolle unsere Kontaktperson aus Ghana dabei wirklich spielte, werden wir aber vielleicht nie erfahren…

In den letzten drei Tagen der großen Abschlusskonferenz wurde eigentlich nur noch über den fertigen Text gesprochen, die Zeit der Veränderung und der Forderungen war vorbei. Viele sagen, dass nichts weiter gegangen ist und ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Das Dokument wurde noch im letzten Moment verkürzt, in dem Versuch zu irgendeinem positiven Ergebnis zu kommen. Auch wir Jugenddelegierten sind in gewissem Maße enttäuscht und hätten uns größere Schritte für eine bessere Zukunft gewünscht! Dennoch geben wir die Hoffnung nicht auf und sehen die Konferenz nicht als sinnlos an, denn wir waren wirklich zwei Wochen vor Ort und haben alle Schwierigkeiten und Erfolgserlebnisse miterlebt. Auch kleine Fortschritte sind nämlich Fortschritte und auch von der österreichischen Delegation ist viel harte Arbeit und Engagement in den Prozess eingeflossen. Diese Seite der Medaille soll ebenfalls einmal Beachtung finden. Damit die großen KritikerInnen, die oft von zu Hause aus berichten und allzu vorschnell urteilen, vielleicht einen Moment zum Nachdenken gebracht werden, was denn die Alternative wäre: Nämlich nichts zu tun und das ist für uns keine Option.

 

Julia Isabella Rainer, 19, und Raphael Lueger, 22, wurden im Rahmen des Jugendforums Rio+20 der Jugend-Umwelt-Plattform JUMP und der Bundesjugendvertretung als österreichische Jugenddelegierte ausgewählt. Julia studiert Rechtswissenschaften und Internationale Entwicklung an der Universität Wien, Raphael Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Infos zum Jugendforum Rio+20: www.jugendumwelt.at

 

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