Darf gejagt werden? Eine Parforcediskussion

reh

An der Jagd scheiden sich die Geister. Für die Einen ist sie der einzige Weg, die Natur im Gleichgewicht zu halten, für die Anderen eine skandalöse Praxis privilegierter Freizeitsportler.

 

Die Jagd hat mindestens genau so viele Kritiker wie sie passionierte Anhänger hat. Dafür gibt es ethische, ökologische, soziale, politische, moralische, kulturelle und wer weiß wie viele andere Gründe. Manche lehnen das Töten und den Verzehr von Tieren per se ab. Andere betrachten das Hantieren mit Waffen als fragwürdig. Wieder andere halten die Jagd bloß für ein elitäres Statussymbol. Viele fragen sich: Wenn die Jagd doch angeblich so eine wichtige ökologische Rolle spielt, wieso kann sie dann nicht ausschließlich von hauptberuflichen Jägern erledigt werden? Würde es der Umwelt schaden, wenn nicht gejagt würde? Jäger sind davon überzeugt. Viele Kritiker sind der Ansicht, dass die Wildbestände sich auch selbst regulieren würden, würde man nicht durch gezielte Fütterung künstlich dafür sorgen, dass mehr Tiere abgeschossen werden können. Und dann gibt es Menschen, die an der Jagd gut verdienen und Jagdtourismus anbieten. Teilweise werden sogar im Gatter gezüchtete Wildtiere ausgesetzt, um künstlich für lebendige Zielscheiben zu sorgen. Ist das moralisch vertretbar? Über die Jagd lässt sich trefflich diskutieren.

Wer jagt denn da?

Wenn es um die Jagd geht, dann sind Vorurteile und Klischees schnell zur Hand. Über Jahrhunderte war das Jagdrecht ein Privileg des Adels. Und auch wenn der Adel in Österreich schon seit 1919 nicht mehr so heißt: Irgendwie hat sich doch gar nicht so viel daran geändert, dass einige wenige und meist wohlhabende Familien einen sehr großen Teil der Jagdflächen besitzen. Wer sich zur Elite zählen möchte, der tut auch heute im Sinne inkorporierten kulturellen Kapitals nicht schlecht daran, eine Jagdkarte zu besitzen. In Österreich gilt für die Jagd ein Reviersystem. Das bedeutet: Das Recht zur Jagd liegt beim Besitzer des jeweiligen Grunds. Um diesen auch tatsächlich zu bejagen, benötigen Grundbesitzer das Eigenjagdrecht. Kleinere Jagdflächen werden zu Genossenschaftsjagdgebieten zusammengefasst und verpachtet.

Eine Jagdgesellschaft – das hat bis heute den Ruch eines elitären und geschlossenen Zirkels in der Tradition des feudalen Jagdprivilegs. Für eine soziale Selektion bei der Jagd ist weiterhin gesorgt. Eine Jagdkarte zu erlangen, kostet in Österreich rund 1.000 Euro. Für ein Jagdgewehr legt man eine ähnliche Summe auf den Tisch – und dann hat man noch keinen Schuss abgegeben. Soziale Vorbehalte gegenüber Jägern sind allerdings nur eine Facette von Jagdkritik. Bei der Auseinandersetzung mit ökologischen Folgen und Auswirkungen der Jagd lohnt der differenziertere Blick – denn hier gibt es ganz unterschiedliche Ansichten auch innerhalb der Jägerschaft, ebenso bei ethischen Fragen zur Jagd.

Jagdkritik: pauschal bis differenziert

Die Bandbreite an Jagdkritik reicht von fundamentaler Ablehnung bis zur Kritik an bestimmten Formen und Entwicklungen der modernen Jagd. Da wäre zum Beispiel die Sichtweise des Ethikers Andrew Linzey. Der Oxford-Professor, Theologe und Tierrechtler bewertet die Jagd pauschal als ein Verbrechen: »Die Jagd gehört in jene Klasse von immer moralisch unerlaubten Handlungen, wie Vergewaltigung, Kindsmissbrauch und Folter«. Der Tonfall mag überraschen. Im Weidwerk, dem Magazin der österreichischen Landesjagdverbände, machte der Jäger und Publizist Alexander Schwab unlängst auf die vermeintliche Kriminalisierung der Jagd in Europa aufmerksam. Die Verankerung des Umweltschutzes im Strafrecht auf europäischer Ebene – die übrigens scheiterte – sieht er als »radikales Gedankengut« auf höchster Gesetzesebene. Seine Warnung an die Jäger ist deutlich: Die »Spinner« würden auch weiterhin versuchen, die als Sport betriebene Jagd unter Strafe zu stellen – das sei »Ethikhysterie«.

Bildschirmfoto 2014-10-27 um 14.44.12

Rechtlich verankerter Tierschutz als radikales Gedankengut? Tierrechtler als Spinner? Das lässt aufhorchen. Die Kritiker der Jagd schießen verbal oft scharf – doch stehen sie damit ihren diskursiven Opponenten in nichts nach. In der Auseinandersetzung über Jagd geht es um die Meinungshoheit bei ihrer Deutung. Es lohnt sich deshalb der Blick auf Details der Debatte. Wer in seiner Freizeit Jagd betreibt, wird von Kritikern häufig als Hobbyjäger bezeichnet. Passionierte Jäger reagieren darauf empfindlich, schließlich sehen sie die Jagd als einen sinnvollen Beitrag zur Pflege der Natur, als ein gemeinnütziges Ehrenamt. »Wer würde schon ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr als Hobby-Feuerwehrmann bezeichnen?«, schallt die Replik aus dem Revier. Jäger als selbstlose Naturschützer? Fragwürdig.

Was spricht für die Jagd?

Die Jagd wäre kein umstrittenes Thema, gäbe es keine Gründe, die für sie sprechen. Die prominenteste Argumentation lautet, viele Wildtiere hätten ihre natürlichen Feinde verloren und müssten deshalb nun vom Menschen bejagt werden. Wenn nun aber die natürlichen Feinde von Wild durch die Jagd verschwunden sind, legitimiert sich die Jagd dann nicht mit viel Chuzpe durch sich selbst? Christian Nittmann, Unternehmer aus Wien, engagiert sich seit Jahren in der Initiative zur Abschaffung der Jagd.  Er hält die Theorie vom Jäger als Wächter der Populations-Regulierung beim Wild für falsch. »Immer mehr Biologen gelangen zu der Ansicht, dass die Tiere ihre Populationsdichte am besten selbst regeln und Überpopulationen vor allem entstehen, weil bestimmte Tierarten wie Rehe und Hirsche von den Jägern durch Hege und Fütterung besonders gefördert werden. Die Erfahrungen in großen europäischen Nationalparks zeigen: Es geht Natur und Tieren ohne Jagd viel besser.«

Befürworter der Jagd sehen neben dem Schutz vor Überpopulation von Wild, das Schäden am Wald verursacht, zwei weitere gute Gründe, um zu jagen. Durch die Eindämmung von sogenannten Kulturfolgern wie der Aaskrähe oder dem Fuchs würden bedrohte Arten geschützt. Die Jagd trage somit zur Erhaltung der Biodiversität bei. Außerdem liefert die Jagd mit dem Wildbret ein hochwertiges Lebensmittel. Eine Abschaffung der Jagd, würde nach Ansicht von Friedrich Reimoser, Professor für Wildökologie und Wildtiermanagement, eine ganze Reihe an negativen ökologischen Folgen mit sich bringen. Natur ohne Jagd – für ihn »kein sehr rosiges Szenario. Insgesamt ist bei ersatzlosem Wegfall der Jagd mit einem Biodiversitätsverlust und mit zunehmenden Schäden durch das Wild zu rechnen, weil es in der vom Menschen genutzten Kulturlandschaft, in der natürliche Regelmechanismen nicht mehr entsprechend wirksam sind, eine gewisse Steuerung braucht.«

Am Ende steht eine ethische Frage

Dass Jäger in der Natur, die uns in Mitteleuropa umgibt, eine nicht unwesentliche ökologische Rolle spielen, ist eine Realität. Dass Tierschützer das Töten von Wildtieren ablehnen, auch. Dass es auf absehbare Zeit zu einem Ausgleich der Interessen zwischen beiden Seiten kommt, ist unwahrscheinlich. Der Tier- und Umweltschutz allerdings setzt Anhänger der Jagd unter Druck, ihre Passion, ihr Hobby, ihr Ehrenamt und Privileg zu reflektieren und zu rechtfertigen und schließlich auch bei der Jagd Kriterien der Nachhaltigkeit ihren Platz einzuräumen.

Mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch das Bewusstsein vieler Jäger verändert. Ein ökologisch nachhaltiger Zugang ist heute im Jagdrevier keine Seltenheit mehr. Die Jagd als bloßen Schießsport oder Trophäenjagd zu sehen, wird kaum noch zugelassen, auch vom Großteil der Jäger nicht – sicherlich ein Erfolg. Was bleibt, ist die Frage nach dem legitimen Töten. Und die wird bleiben.

 

 

VERWANDTE ARTIKEL