„Es muss natürlich waidgerecht zugehen“

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Constantin Freiherr Heereman ist einer der prominentesten Vertreter der Landwirtschaft in Deutschland und ein Agrarlobbyist, wie er im Buche steht. BIORAMA hat den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Jagdschutz-Verbandes in dessen westfälischem Schloss zum Gespräch über die Jagd getroffen.

 

BIORAMA: Sie sind Landwirt, Forstwirt, Jäger. Wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit?

Heereman: Wissen Sie, ich kann nur davon leben, wenn ich nachhaltig wirtschafte. Das heisst aber trotzdem, dass ich Erträge erwirtschaften muss. Der liebe Gott streut nicht einfach von oben Geld und alles ist in Ordnung. So geht das nicht. Insofern muss man genau bescheid wissen, worüber man spricht. Man muss das auch gelernt haben. Man kann nicht aus dem holen Bauch heraus Nachhaltigkeit fordern, wie das teilweise zurzeit an der Tagesordnung ist. Die Nachhaltigkeit ist ja sogar – wenn sie so wollen – von der Forstwirtschaft installiert worden. Als Land- und Forstwirt hat man das in sich, und es auch so gelernt. Das heisst, man muss wissen, dass man für die Umweltgestaltung Verantwortung trägt. Und dabei muss man sich, wenn es Probleme gibt, über entsprechende Maßnamen unterhalten. Darüber setze ich mich ja auch gerne mit allen auseinander. Aber es muss sinnvoll sein. Da hapert es im Moment.

Woran hapert es denn genau?

An der Sinnhaftigkeit vieler Forderungen von Umweltschützern. Da wird festgestellt, dass es in manchen Revieren zuviel Wild gibt, und das soll dann weg. Ich weiß das aus vielen Staatsforsten und Kommunalforsten, auch in Österreich. Beispielsweise vom Revier der Bundesforste in den Hohen Tauern, wo ich selbst auch einen Besitz habe – eine Eigenjagd. Da sollen totale Wild-Fütterungsverbote kommen, und es ist den vermeintlichen Umweltschützern ganz egal, wenn die Tiere verenden.

Viele Umweltschützer und Jagdgegner fordern, Wildpopulationen nicht durch Zufütterung künstlich zu erhöhen.

Genau. Es lohnt sich aber oft nicht, sich mit denen auseinanderzusetzen. Die sagen, es gäbe zu viel Wild und deshalb soll es nicht gefüttert werden. Es können dann folglich die Abschusspläne nicht erfüllt werden und so werden dann eben vermehrt auch führende Tiere geschossen, und Tiere, die tragend sind. Das ist unmöglich und da muss ein Aufstand erfolgen. Man kann nicht einfach sagen, wir lassen die Tiere jämmerlich krepieren. Das ist ein Unding. Das sind Dinge, die haben mit Jagd- und Waidwerk, und auch Waidethik überhaupt nichts am Hut.

Hat die Wildfütterung nicht auch zum Ziel, den Wildbestand zu erhöhen, auch wenn das teilweise zulasten des Waldes geht? Da geht es doch auch um wirtschaftliche Jagdinteressen, oder nicht?

Nein. Der Gedanke ist, dass die Tiere nicht verhungern. Das Schießen ist ja nur der letzte Akt. Sie müssen davor ja etwas tun, um Nachhaltigkeit sicherzustellen. Und das tun sie nuneinmal auch nicht nur durchs Schießen.

Beim Thema Jagd gibt es unterschiedliche Auffassungen, die aufeinanderprallen. Wie geht man am Besten damit um?  

Indem man sich vor Ort mal schlau macht, was die Jägerschaft tut. Wir haben vor vielen, vielen Jahren „Lernort Natur“ eingeführt in Deutschland. Da kommen die Kreisjägerschaften an die Schulen, mit Präparaten. Und die Kinder können mal an Waldbesichtigungen oder einer Jagd teilnehmen. Das ist eine gewaltige Öffnung der Jagd, die da geschehen ist. Obwohl sich die Pädagogen zunächst immer gewehrt haben, mitzumachen, weil da ja auch linke Vögel sitzen – ich sag Ihnen das mal in meiner direkten Sprache. Die bringen den Kindern etwas falsches bei. Da stehen einem die Haare zu Berge, dass so viel Nichtwissen massiv Einfluss nimmt, auf die Jagd. Dass wir uns dagegen wehren müssen ist doch klar.

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Constantin Bonifatius Herman-Josef Antonius Maria Freiherr Heereman von Zuydtwyck (so steht’s auf Wikipedia)
Bild: privat

Was sind denn aus Jäger-Perspektive die größten Problemfelder?

Das hängt von vielem ab, ob man im Flachland oder im Hochgebirge ist zum Beispiel. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Da gibt es ja in Österreich schon große Unterschiede von Bundesland zu Bundesland. Und je nachdem, wie die politische Meinung gerade ist, gibt es auch wieder ganz unterschiedliche Ansichten und Probleme. Nun sind in Deutschland gerade einige Bundesländer rot-grün regiert. Es ist zum Teil eine Katastrophe, was da passiert.

Inwiefern?

Ja die schießen auch alles tot. Der Minister sagt, das Wild muss weg. Die verkünden falsche Jagdmethoden. Die belassen die Wildbestände nicht in ihrem natürlichen Aufbau, mit Führungstieren, Leittieren, Leitbachen und so weiter. Wenn man in diese Tierverbände einfach hereinhaut, dann ist das etwas schlimmes.

Wird generell zu rigoros geschossen?

Wir haben Ecken, in denen die Bejagung nicht funktioniert. Das gebe ich offen zu. Und da muss man eingreifen und durchgreifen, mit vernünftigen Methoden, die man auch als Jäger vertreten kann. Wir wollen keine Zuchtanstalten und das Waidwerk zu einem Gewerbe deklarieren, wie es die Ökoseite will. Das kommt nicht infrage.

Sie sagen selbst, es gebe Ecken, wo die Bejagung nicht funktioniert. Bei der modernen Jagd ist oft die Rede vom Beitrag zur Biodiversität, von ökologischem Wildtiermanagement. Kann der hobbymäßige Jäger das eigentlich, oder muss die Jagd teilweise in professionelle Hände gelegt werden, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden?

Also schwarze Schafe gibt es überall. Aber wenn ich diesen geringen Prozentsatz mal ausklammere, dann wird schon ordnungsgemäß bejagt. Da haben wir ja auch entsprechende Gesetze. Aber wenn Sie dann dieses Ausarten sich vor Augen führen, dann ist das nicht akzeptabel.

Gibt es bestimmte Jagdformen oder Tiere, bei denen sich die Fehlentwicklungen häufen?

Nehmen sie beispielsweise dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Demnach kann aus ethischen Gründen gefordert werden, die Jagd auf dem eigenen Grund zu untersagen. Das führt natürlich zu Wildansammlungen auf bestimmten Flächen, weil nicht eingegriffen werden darf. Das ist nicht ganz im Sinne des Erfinders, wenn Sie Abschusspläne haben. Da können sie nicht einfach sagen, das beachten wir alles garnicht. Sonst kommen Sie natürlich zu tollen Sachen. Da ist dann plötzlich einer, der sagt, er hätte ethische Bedenken, wenn auf seinem Eigentum gejagt wird, und 100m weiter hat er eine Jagd gepachtet. Man muss das Metier schon kennen. In Nordrhein-Westfalen versuchen wir mit dem zuständigen Umweltministerium zusammenzuarbeiten. Auch mit den unterschiedlichen Verbänden suchen wir das Gespräch, aber da hakt es oft. Dann kommen die mit ihren komischen Ideen. Leute, die es nicht gelernt haben.

Also Menschen mit einer alternativen Auffassung von Umweltschutz, kennen sich oft nicht aus?

Genau. Und da schaden sich auch die Umweltverbände selbst. Beispielsweise bei den Bejagungsarten. Da heisst es, Predatorenbejagung darf nicht sein und soll nicht sein, mit dem Erfolg, dass wir überhaupt keine Singvögel mehr haben. Die sind dann einfach weg. Der Habicht oder der Sperber, der holt sich dann einfach die Schwalbe.

Das sind Fehlentwicklungen durch den Naturschutz?

Ja, durch den vermeintlichen Naturschutz. Es gibt ja auch viele gute, anerkannte Naturschützer, mit denen man sich sehr gut auseinandersetzen kann. Oft sind es selbst Jäger. Aber was zurzeit in den Entwicklung ist, ist fragwürdig. Und darum: wehret den Anfängen.

Die Freude am Jagen wird einem schon genommen, wenn man mal selbst eine Jagd veranstaltet, mit 12 oder 15 Gästen. Dann kommen die sogenannten Umweltschützer und ziehen dann zwei, drei Tage vorher lautstark durchs Revier, damit alles beunruhigt wird. Wir haben ein Lehrrevier vom Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen am Niederrhein. Und dort machen wir einmal im Jahr eine Niederwild-Jagd. Da waren die vorher morgens früh um Vier mit Massen in das Revier hineingezogen, haben alles durcheinandergebracht. Die haben wir dann mit der berittenen Polizei erst einmal vorgeführt. Das ist contra legem, was die machen. Das ist nicht erlaubt. Und da muss man durchgreifen.

Bei Fragen von Grundbesitz geht es häufig um die Ablehnung uralter Privilegien. Muss man da nicht mit Widerstand rechnen?

Wieso denn? Das gehört mit zu unserem Beruf. Manchmal muss man dann eben Kante zeigen, das geht nicht anders. Es ist allerdings auch sehr viel Neid dabei, bei den Debatten. Da ist doch schon Neid im Spiel, wenn sie überhaupt einen Grundbesitz haben. Dann sind sie für viele schon ein fürchterlicher Mensch. Ich weiß das doch ganz genau. Ich war 8 Jahre frei gewählter Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Textilindustrie, Landwirtschaft, Bergbau, alles ökonomische Problembereiche, um die ich mich hier gekümmert habe. Und immer hatte jemand etwas gegen Grundbesitzer. Da hat mir letztendlich meine Unabhängigkeit sehr viele gute Dienste erwiesen. Die konnte ich in vertretbare Politik umsetzen, auch in vertretbare Jagdpolitik.

Deutschland gilt als ein Wolfserwartungsland. Der Wolf scheint langsam nach Mitteleuropa zurückzukehren. Würden sie sagen, der Wolf gehört bejagt, wo er stört?

Wenn er Überhand nimmt. Ich denke jetzt nicht nur an die Wildbestände, sondern auch an Schäfer und so weiter. Wenn wirklich massive Schäden auftreten, dann müssen Bejagungsmethoden überlegt werden. Das kann man dann auch Festmachen und sagen: da müssen so- und so viele erlegt werden, oder gefangen werden. Aber wenn die Wölfe kommen, dann muss man sich zuerst einmal ansehen, wie es sich entwickelt. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass man den Wolf sofort erledigen muss, absolut nicht. Obwohl wir Wölfe hier in dieser Region überhaupt nicht gehabt haben. Auch nicht früher, auch nicht zu Urzeiten. Aber, wie gesagt, wie man die Dinge angeht…man könnte so schön in Frieden leben, und auch den Jägern ihre Freude gönnen.

Es gibt das beliebte Argument, dass sich Wildbestände am besten selbst regulieren.

Das geht garnicht. Warum sollten wir natürliche Feinde heranzüchten und nicht die nachhaltige Nutzung der Natur den Revierpächtern überlassen?

Es gibt Arten, bei denen man sich fragt, weshalb sie bejagt werden müssen. Im Hochgebirge beispielsweise Gämsen, andernorts den Fuchs. Weshalb muss man diese Tiere jagen?

Gämsen machen Verbissschäden, aber das ist schon zu vernachlässigen. Die Gamsbestände sind in den letzten Jahren ohnehin zurückgegangen, durch die Gamsreude und was es da alles gab. Was den Fuchs angeht: wenn wir hier den Fuchs nicht mehr bejagen, dann brauchen wir über Fasanenjagd und Hasenjagd überhaupt nicht mehr zu reden. Und so geht es ja nun nicht. Man muss den Fuchs so kurz halten, dass es zwar noch immer Füchse gibt, aber bitte nicht in Massen. Ich will ja als Jäger auch meinen Nutzen. Da lass ich mir doch nicht so schnell durch eine Überpopulation vom Fuchs kaputt machen.

Wie halten Sie es eigentlich mit Jägern, die leidenschaftlich Schießen, Trophäen sammeln, Jagdtourismus und die Jagd in fremden Revieren als Sport betreiben?

Ich meine, das sollen alle so halten, wie sie möchten. Es muss natürlich waidgerecht zugehen. Ich bin zum Beispiel vor sieben oder acht Jahren mal eingeladen gewesen auf eine Montería nach Spanien. Da jagen 100 Jäger mit 200 Hunden. Vorher wurde noch gebetet zur Mutter Gottes, dass alle heil wiederkommen.

Das klingt für einen Laien nach einem archaischen Spektakel.

Da hörte man die Kugeln nur so pfeifen. Da sagte ich zu dem Jagdleiter: stellen Sie mich mal unten ins Tal. Da meinte er, da käme kein Wild vorbei. Es kam aber Wild vorbei, vier Hirsche. Und ich dachte mir, die könnte ich wunderbar schießen. Die drehten dann allerdings ab und ich hätte sie nur von hinten schießen können. Ich schoss sie natürlich nicht. Da fragte man mich, wieso ich nicht geschossen hätte, sowas könne man doch ruhig schießen. Als ich dann abends die Strecke sah, und was da für Schüsse abgegeben wurden: schrecklich. Seit der Zeit gehe ich auf keine Montería mehr. Das ist nicht mit Waidgerechtigkeit in Übereinstimmung zu bringen. Wobei es vermutlich auch ordnungsgemäße gibt. Es ist schon eine Verantwortung, vor der sich kein Jäger drücken kann. Man muss schon sehen, dass man die Dinge ordnungsgemäß macht.

Das war also eine Jagd in Spanien. Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen der Jagd in Deutschland und Österreich?

Eigentlich gibt es die nicht. Lediglich von der Struktur halt, weil es ja etwas anderes ist, ob ich im Hochgebirge oder im Flachland jage. Ich bin schon über 40 Jahre in meinem österreichischen Revier, zunächst als Pächter, dann als Eigentümer. Und das war immer eine Erholung, wenn man da hin fuhr. Geordnete Verhältnisse, gute Jäger, gute Mitarbeiter, und der Kampf, dass der Oberförster für zu hohe Wildbestände war, und wir schon darauf achteten, dass es irgendwo Grenzen gibt. Das war immer irgendwie ganz lustig.

In Österreich wie in Deutschland hat die Jagd passionierte Anhänger und Gegner. Daran wird sich wohl kurzfristig nichts ändern. Gibt es ein ganz grundlegendes Missverständnis beim Thema Jagd, das sie gerne aus dem Weg räumen würden?

Mein Anliegen wäre es, dass man jetzt mal endlich nicht nur diese abstrusen Vorderungen hochjubelt, auch in den Medien. Ein Großteil der Grünen, wenn man den nach der Diskussion zum essen einlädt, isst der Wild. Da knarrt dann die Argumentation. Da ist sehr viel Unverständnis, teilweise vorgeschriebenes Unverständnis.

Im Großen und Ganzen sind Jäger Menschen, mit denen man sprechen kann, und die sehr viel tun für den Erhalt der Umwelt. Dass es dazwischen Extremfälle gibt, will ich garnicht leugnen.

Ich freue mich, wenn die Menschen, die bei uns durch den Wald gehen, oder durch die Fluren überhaupt, sich ordentlich verhalten und Freude daran haben, dass alles noch in Ordnung ist, und es eine gepflegte Umwelt gibt, und nicht nur Totholzfelder, die ja modern sind, wie man überall verkündet. Das kann es ja wohl nicht sein.

 

Ad personam:

Constantin Freiherr Heereman von Zuydwyck, geboren 1931, war zwischen 1969 und 1997 Präsident des Deutschen Bauernverbands und zwischen 1995 und 2003 Präsident des Deutschen Jagdschutz-Verbands. Von 1983 bis 1990 saß er für die CDU im Deutschen Bundestag.

 

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