Von Grau zu Grün

…durch Selbstorganisation und kluge Köpfe. Die Annehmlichkeiten einer pulsierenden Großstadt genießen und das mitten im Grünen. Nein, das ist nicht Utopia, sondern das Konzept einer grünen Stadt, wird es mit all seinen Facetten zu Ende gedacht.

»Die Aufteilung in die zwei gegensätzlichen Pole Natur und Stadt ist nicht länger gültig«, schreibt Alija Dürrenberger in ihrer für den Kölner Designpreis 2011 nominierten Diplomarbeit »Stadtnatur«, und sieht man sich ihre Gedanken genauer an, ist die eigene Stadt beim nächsten Spaziergang nicht mehr dieselbe. Überall entdeckt man Grün, das sich in ihre Kategorien einordnen lässt: Dort ein Büschel Löwenzahn am Randstein für die Anarchie, von der U-Bahn aus ein kleines Beet am Straßenrand für die Kultur, säuberlich zugeschnittene Buchsbäume im Museumspark für die Transformation und jenes neu gebaute Haus, dessen Fassade als Artefakt natürlichen Strukturen nachempfunden ist. Von der Wildnis hin zur Abstraktion wird die Beherrschung des Menschen immer intensiver und führt zu neuen Visionen urbanen Grüns.

Von der Wildnis …

Was Dürrenberger in ihrer Diplomarbeit beschreibt, wird in Städten derzeit vor allem in Form von Kultur – sprich urbanem Gärtnern – sichtbar. Politik und Wirtschaft sind zwar wesentliche Gestalter einer Stadt, ihrer Architektur und öffentlichen (Grün-) Flächen, dennoch ist Stadtentwicklung von unten ein mindestens genauso wichtiger Faktor auf dem Weg vom Grau zum Grün. Frauengärten, Gemeinschaftsgärten, Migrantengärten, Guerilla Gardening, Window Farming oder Vertical Gardens – all das sind Beispiele urbaner Gärten, die neben der Produktion von eigenen Lebensmitteln die Stadt begrünen und auch eine soziale Funktion erfüllen. Gemeinsam werden bepflanzbare Orte gesucht, vergessene Gemüsesorten wie Rote Melde oder Linda-Kartoffeln angebaut, Unkraut gejätet und schlussendlich die Ernte unter den Beteiligten gerecht aufgeteilt. Und das erfolgreich, wie die Prinzessinnengärten in Berlin, das Hamburger Gartendeck am Kiez, das Projekt O’pflanzt is! in München oder Guerilla Gardening Längenfeldgasse in Wien vormachen.

Steht am Anfang noch der Traum vom selbst angebauten Tomatensalat, werden ethische und politische Fragen bald genauso wichtig. Woher kommt mein Essen? Wer arbeitet auf den Feldern? Wie ist das mit dem Saatgut? Oder konkret: Wie kann ich neue Flächen in meinem Umfeld bepflanzen? So werden Gärtner zu Pionieren und inspirieren beispielsweise Stadtverwaltungen wie jene in Andernach zur »Essbaren Stadt«, in der statt Tulpen jetzt Mangold und Kürbisse auf den Grünflächen des Schlosses wachsen.

zur Abstraktion

Waren grüne Häuser einst ein unter Glaskuppeln geschützt dargestelltes Zukunftsszenario, sind bepflanzte Gebäude im Sinne Dürrenbergers als Transformation wie Artefakte heute belebbare Realität. Begrünte Dächer und Balkone sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Der malaysische Architekt Ken Yeang beschäftigte sich schon in den 70er Jahren mit ökologischem Hausbau und zeichnet für Gebäude wie den Spire Edge Tower in Gurgaon oder der Erweiterung des Great Ormond Street Children’s Hospital in London verantwortlich. Seine Gebäude imitieren die Kreisläufe der Natur und verhalten sich von der Energiebilanz bis zum Abriss umweltfreundlich. Auch die Fassaden von Patrick Blanc sind mittlerweile weltweit bekannt. In Wels, Wien, Frankfurt, Genf oder Berlin kann man seinen vertikalen Gärten selbst begegnen und immer mehr Begeisterte versuchen, es ihm nachzumachen.

Die grüne Stadt ist also ein Gemeinschaftsprojekt, in der selbstorganisierte Initiativen genauso gestaltend wirken wie visionäre Architekten oder aufgeschlossene Stadtplanerinnen. Für den einzelnen heißt es somit: Hände schmutzig machen! Und das war wahrscheinlich noch nie so wörtlich gemeint.

prinzessinnengarten.net
www.gartendeck.de

www.o-pflanzt-is.de

ggardening.blogsport.eu

www.verticalgardenpatrickblanc.com

www.ldavies.com

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