Gene neu gemischt

Das Thema Gentechnik ist viel zu umfassend und viel zu komplex, als dass mit einem »Dagegen« oder »Dafür« alles gesagt wäre. Über eine Disziplin zwischen Hoffnung und Angst.

Österreich ist Vorreiter bei der Kennzeichnung von gentechnikfrei erzeugten Lebensmitteln, Deutschland versucht nachzuziehen. Offensichtlich herrscht Skepsis gegenüber dieser Seite der Biotechnologie. Zu Recht? Welche Risiken bestehen und wo rettet Gentechnik Menschenleben? Zuerst aber:

Was ist eigentlich Gentechnik?

Der Begriff Gentechnik umfasst sämtliche Methoden, mit denen das Erbmaterial lebender Organismen gezielt verändert wird. Im Prinzip ist Zucht auch schon eine Art Gentechnik, weil Erbgut bewusst kombiniert wird; der entscheidende Unterschied: Bei der Zucht können nur nahe verwandte Individuen gekreuzt werden. Bei der Gentechnik werden nicht nur Artgrenzen überschritten, sondern Gene aus allen Ecken des Stammbaums des Lebens kombiniert. Meistens werden Gene des einen Organismus mit Hilfe von Bakterien in das Erbgut eines anderen Organismus eingeschleust. Das Erbgut besteht aus DNA (zu deutsch: DNS= Desoxyribonukleinsäure), jede einzelne Zelle eines Individuums enthält die gesamte Erbinformation. Die DNA enthält den Bauplan aller Proteine, die wiederum den gesamten Stoffwechsel eines Lebewesens steuern. Ein Gen ist ein Abschnitt der DNA, der für ein bestimmtes Protein codiert. Schleust man ein Gen erfolgreich von einem Organismus in den anderen, dann kann der Organismus ein Protein herstellen, das er vorher nicht erzeugen konnte. So bekommt das Lebewesen neue Eigenschaften.

Gentechnik hat zahlreiche Anwendungsgebiete, die inzwischen grob in drei Klassen eingeteilt sind: Grüne Gentechnik umfasst die Landwirtschaft und den Lebensmittelsektor, Pflanzen werden gentechnisch  verändert. Die Rote Gentechnik ist der medizinische Bereich, sie entwickelt neue Diagnosen, Therapien und Arzneimittel. Industriell angewendete Gentechnik wird als Graue Gentechnik zusammengefasst. Hier werden Mikroorganismen gebaut, die Aufgaben in der Industrie übernehmen, beispielsweise Giftstoffe zersetzen. Wikipedia unterscheidet zusätzlich noch Weiße von Grauer Gentechnik, wobei die Weiße Gentechnik für Industrieanwendungen und die graue Gentechnik für Anwendungen in der Abfallwirtschaft steht.

Meilensteine

Möglich ist Gentechnik nur deshalb, weil alle Lebewesen den gleichen genetischen Code teilen – vereinfacht gesagt, spricht das Erbgut aller Lebewesen die gleiche Sprache. Das verdanken wir dem gemeinsamen Ursprung des Lebens, der am Beginn der Evolution stand. Ein menschliches Gen kann also auch in einer Maus seine Funktion erfüllen oder sogar in einer Pflanze. Schon 1977 gelang es, ein Bakterium ein menschliches Protein herstellen zu lassen. Bereits zwei Jahre zuvor waren die biotechnologischen Möglichkeiten so weit fortgeschritten, dass in einer Konferenz die Rahmenbedingungen besprochen wurden, unter denen die weitere Forschung stattfinden sollte. Bei diesem Treffen schufen 140 Molekularbiologen die Grundlagen für die rechtliche Regelung der Gentechnik in vielen Staaten. Seit 1985 sind Pflanzen in den USA patentierbar, 1988 gab es das erste Patent auf ein Säugetier, die Krebsmaus. Das komplette Genom des Menschen gilt seit 2003 als entschlüsselt, das heißt, die Abfolge der Basenpaare in der DNA ist bekannt. Insgesamt enthält das Genom des Menschen rund 20.000 bis 25.000 Gene – wie viele es genau sind, geschweige denn, welche Funktionen sie haben, ist bei weitem noch nicht vollständig geklärt. Die Sequenzierung der DNA wird technisch ständig verbessert und verbilligt, entsprechend nimmt die Zahl der Arten deren genetischer Code  entschlüsselt wurde, immer rascher zu.

Anwendung und Akzeptanz

Auch wenn inzwischen zahlreiche Genome vollständig bekannt sind, ist das mit Gentechnik verbundene Risiko sehr schwer vorherzusagen. Lebewesen sind komplex und bei Weitem nicht alle Vorgänge werden verstanden. Entsprechend ist die Zustimmung zu gentechnischen Verfahren dort am höchsten, wo der direkte Nutzen offensichtlich ist. In der Medizin reicht die Anwendung von der Herstellung von Insulin bis zur Gentherapie. Während die meisten Entwicklungen in diesem Bereich wenig Diskussionsbedarf wecken, verlangen auch hier Randbereiche nach einer intensiven ethischen Debatte. Neue Diagnoseverfahren erlauben es, gesundheitliche Risikofaktoren schon am Erbmaterial abzulesen. Hängt dann der Versicherungsbeitrag von der DNA ab? Erfahren zukünftige Arbeitgeber von einer potenziellen Suchtgefährdung? Strittig ist auch die  Keimbahntherapie, also die gentechnische Behandlung genetischer Defekte bereits während der Embryonalentwicklung. Auf der anderen Seite besteht die Chance, Erbkrankheiten zu besiegen und auch neue Therapien gegen schwere Erkrankungen wie etwa Krebs zu entwickeln.In der Industrie besteht die Hoffnung, einerseits Produktionsprozesse mit Hilfe von Gentechnik zu optimieren und andererseits unerfreuliche Nebenprodukte schonend beseitigen zu können. Auch für die Erzeugung von alternativen Energieträgern spielt die Gentechnik eine Rolle – sie erweitert die Bandbreite an dafür nutzbaren Ausgangsmaterialien.

 

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