Einfach mal die Nachbarn fragen

Stadtmenschen leben oft unter einem Dach, aber erkennen sich trotzdem auf der Straße nicht. Der Wiener Stefan Theißbacher will das ändern und Nachbarschaften zum Leben erwecken. 

Der österreichische Klima- und Energiefonds belohnt mit seinem Smart City Award gute Ideen für Städte von heute und morgen. Städte begrünen – und das nicht nur im ganz klassischen Sinne – darum geht es dabei.“Greening the City“ lautet daher das Motto des Awards. Urbane Ideen in grün und smart gibt es viele. Einer, der längst Erfolg mit einer Idee für smartes Zusammenleben in Städten hat, ist der Wahl-Wiener Stefan Theißbacher.

„So ein Hausflohmarkt ist schon extrem praktisch“, hat Theißbacher festgestellt. „Ich bin gerade umgezogen und hab darüber nicht nur Geschirr und Kleidung sinnvoll loswerden können, sondern auch angebrochene Lebensmittel.“ Fast in jedem Wiener Haus gibt es einen Platz im Stiegenhaus, an dem Bewohner Dinge, die sich nicht mehr brauchen, ablegen – zur freien Entnahme. Hier funktioniert ein Wohnhaus als Community, ganz untypisch. Denn eigentlich läuft das Zusammenleben in Städten ja ganz anders: Großstadtmenschen leben anonyme Leben in anonymen Häusern mit anonymen Nachbarn – heißt es. Und auch wenn das gar nicht immer und überall stimmt, ist viel dran an der These, dass es in Städten kein Gemeinschaftsgefühl unter den Leuten aus einer bestimmten Straße oder Gegend gibt. Noch schlimmer: Nachbarn erkennen sich nicht einmal als Nachbarn, wenn sie sich nicht gerade zufällig im Hausflur, sondern auf der Straße oder im Supermarkt begegnen.

Miteinander statt nebeneinander

Das ist auch Stefan Theißbacher aufgefallen. Deshalb hat er sich mit ein paar Leuten zusammengetan und den Verein FragNebenan gegründet, der inzwischen zur GmbH geworden ist. Das Ziel von FragNebenan ist es, die Vorzüge von vernetzten Nachbarschaften sinnvoll und effizient zu nutzen, online und offline. Die Online-Plattform soll dabei helfen, das Leben in einer funktionierenden Community für möglichst viele Leute zu erleichtern. „Miteinander statt nebeneinander leben“, bedeutet das für den Gründer und Geschäftsführer, „und zwar mit Leuten, die sich als Bürgerinnen und Bürger begreifen und nicht in erster Linie als Konsumenten. Eine Nachbarschaft wird dann lebendig, wenn man erkennt, was für ein riesiges Potenzial an gegenseitiger Unterstützung es gibt, wie viele gemeinsame Interessen man hat. Wenn man bereit ist, sich ab und an einen Gefallen zu tun und wenn man die Gemeinschaft offen hält für neue Mitglieder.“

Das Kernteam von FragNebenan: Andreas Förster, Stefan Theißbacher, Valentin Schmiedleitner, Mathias Müller (v.l.n.r.) (Bild: Martin Pabis)

Kosten senken, Nutzen erhöhen

Ein simpler Grundgedanke: Wenn Nachbarn sich gegenseitig helfen, profitieren davon alle. Das kann vieles bedeuten. Zum Beispiel kann es bedeuten, sich Dinge gegenseitig zu leihen. Leihen statt Kaufen spart Kosten und Ressourcen. Das wiederum schont das Klima und kann Städte sparsamer und nachhaltiger machen. Aber die Plattform soll mehr als bloß eine Leih- und Tauschbörse für Sparfüchse sein. Inzwischen haben die rund 40.000 Mitglieder von FragNebenan für eine Menge von Beispielen gesorgt, wie man auf die Unterstützung seiner Nachbarinnen und Nachbarn bauen kann. Davon erzählt Stefan Theißbacher gern. Da ist zum Beispiel eine Wienerin, die sich gesundheitsbedingt nicht mehr um ihren Garten kümmern konnte. „Sie hat jemanden gefunden, die das für sie übernimmt. Die eine hat wieder eine Freude mit ihrem kleinen Stückchen Grün, die andere kann kostenlos garteln – und sich das angebaute Gemüse behalten.“ Und er selbst hat seine Nachbarn einfach um Rat gebeten, als er nach seinem Umzug einen neuen Hausarzt brauchte. „Ich habe dreizehn Antworten bekommen und zehn haben mir den gleichen Arzt empfohlen.“

750 Meter Nachbarschaft

In welchem Wiener Grätzel die Plattform bisher am besten funktioniert, kann Stefan Theißbacher nicht genau verraten, denn FragNebenan ist nicht in Grätzeln organisiert. Das Zentrum der Nachbarschaft bildet für jedes Mitglied jeweils das eigene Haus. Darum herum wird dann ein imaginärer Radius von 750 Metern gezogen. So kann man sich über Bezirksgrenzen hinweg mit Leuten vernetzen, die man in 10 Minuten zu Fuß erreichen kann. Besonders gut funktioniert FragNebenan dann, wenn mehr als 300 Leute in der eigenen Nachbarschaft sind. Die meisten Mitglieder hat FragNebenan bisher im fünften, sechsten und siebenten Wiener Bezirk. Das Potenzial, Nachbarschaften als lebendige Communities zu nutzen, gibt es allerdings überall, wo es Nachbarn gibt.


Hier geht es zu Website des Smart City Awards. Die Bewerbungsphase läuft!

[Dieser Artikel entstand im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit dem Klimafonds.]

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