Crossroads Festival: Fokus und Weitwinkel

Think global, act local: Workshops am Crossroads Festival. Bild: Jakob Isselstein

Think global, act local: Workshops am Crossroads Festival.
Bild: Jakob Isselstein

Das Crossroads Festival geht 2014 in die dritte Runde, um sich mit den gegenwärtigen multiplen Krisen kritisch auseinanderzusetzen. Bei der Auswahl der Filme kann man sich getrost auf das gute Gespür von Josef Obermoser, Kurator und Organisator des Festivals, verlassen.
Vielfach prämierte Dokumentarfilme, mehrere als Österreich-Premieren, zeigen aufrüttelnde Bilder. Doch das bemerkenswerte am Festival ist, das die Besucher anschließend nicht weggeschickt werden, sondern erfreulicherweise auch viele Alternativen und Lösungsansätze aufgezeigt werden, ganz nach dem Motto: Think global – act local.

BIORAMA stellt in einer Serie ausgewählte Themenschwerpunkte des Festivals mit Bezug auf einen jeweiligen Film vor und sprach vorab mit Josef Obermoser.

Crossroads-Organisator Seppi Obermoser. Bild: Gemeinsam lecker essen ist bei Crossroads auch immer angesagt. Oft bringen die Besucher*innen was mit - das heißt dann „Potluck“. 
credits: Jakob Isselstein


Crossroads-Organisator Seppi Obermoser.
Bild: Jakob Isselstein

BIORAMA: Welche Schwerpunkte setzt das Festival in diesem Jahr?

Josef Obermoser: Es gibt heuer recht viele Schwerpunkte. Wir werden uns gemeinsam mit unserem Publikum mit wichtigen „Brennpunkten der sozial-ökologischen Krise“ (22.-27.5.) , mit „zukunftsfähiger Landwirtschaft & Ernährungssouveränität“ (23.-25.5.) und „Mensch-Tier-Beziehungen“ (30.-31.5.) beschäftigen. Darüber hinaus zeigen wir Filme zu den Themen „Krieg und Verweigerung“ (28.5.) und „Migrant*innen & Asylpolitik in Europa“ (29.5.).

Mit den Thementagen werden große Krisenbereiche abgedeckt. Wie ist dein Zugang: Fokus oder Weitwinkel?

Beides. Einerseits zeigen wir viele Filme, die spezifische gesellschaftliche Herausforderungen, wie dieses Jahr etwa den Klimawandel, Landgrabbing oder die Ausbeutung von Tieren, beleuchten. Andererseits sind uns aber auch das „big picture“ und dessen Analyse sehr wichtig. Letztere erfolgt des öfteren im Rahmen von Gesprächen mit Experten im Anschluss an die Filmvorführungen. Um gesellschaftlich etwas bewegen zu können, und das will Crossroads, braucht es definitiv Fokus und Weitwinkel…und vor allem kollektives Handeln.

Bild: Jakob Isselstein

Bild: Jakob Isselstein

Nach welchen Kriterien wählst du die Filme aus? Kommt zuerst der Film oder der Thementag?

Ich würde sagen, da gibt es ein dialektisches Verhältnis. Ich beobachte das gesamte Jahr über die internationale Festivallandschaft und scanne die Programme bezüglich gesellschaftspolitisch relevanter, gut zu Crossroads passender Filme. Nach dem Sichten der vielversprechendsten Filme sehe ich, welche spezifischen Schwerpunkte sich machen ließen. Natürlich habe ich aber einen bestimmten Fokus – entsprechend mir besonders wichtiger Themen. Die Entwicklung der sozial-ökologischen Krise (Klimawandel, Peak Everything, Ökosystemzerstörung, etc.) und der Bereiche Landwirtschaft/Ernährung werden wohl jedes Jahr Schwerpunkte sein. Und besonders wichtig ist es mir, Filme zu zeigen, die Menschen und Initiativen porträtieren, die sich gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zur Wehr setzen und sich für zukunftsweisende Alternativen und ein gutes Leben für Alle einsetzen.

Was erwartet die Besucher und auf was können sie sich schon freuen?

An den zwölf Festivaltagen erwarten das Publikum viele spannende Filme. Verschiedene Diskursformate und Workshops mit kritischen Denkern und Aktivistinnen vervollständigen das Programm. Mit zu den Film-Highlights gehören sicher die Österreichpremieren von Sundance-Gewinner Josh Fox’s „Gasland 2“, Oscar-Nominee „Dirty Wars“ und Jeremy Seiferts „GMO OMG“. „GMO OMG“ läuft am Freitag dem 23. Mai im Rahmen des Schwerpunkttages zum Handelsabkommen TTIP. Der gemeinsame Widerstand gegen dieses Abkommen, das die Demokratie massiv untergraben und US-Konzernen beispielsweise ermöglichen würde, Europa mit Gentech-Lebensmitteln zu überschwemmen, ist extrem wichtig.

Persönlich besonders am Herzen liegt mir heuer der Schwerpunkt „Mensch-Tier-Beziehungen“. Speziell den Besuch der Österreichpremiere von Mark Pierschels „Live And Let Live“ möchte ich allen sehr empfehlen. Ich lebe ja selbst seit mehr als zehn Jahren vegan, und Marks wirklich gelungene Doku ist die hervorragende filmische Einführung in dieses Thema, auf die ich schon seit langem gewartet hatte. Ich denke, wenn man den Film gesehen hat, kann man gut nachvollziehen, warum sich immer mehr Menschen für eine vegane Lebensweise entscheiden und auf Produkte verzichten, die auf der Ausbeutung und Tötung von Tieren basieren. Live And Let Live kommt übrigens ganz ohne Horrorszenen aus Schlachthäusern oder ähnliches aus. Stattdessen kommen viele spannende Menschen zu Wort. Ich denke es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft den nächsten Schritt tun, ethisch die Speziesgrenze überschreiten, Tiere in unsere Moral Community aufnehmen und dafür Sorgen, dass sie glücklich leben können und nicht mehr von Menschen getötet werden dürfen.

Welche Ziele hat sich das Festival gesetzt und hast du persönliche Ziele, die du uns verraten magst?

Das wichtigste Ziel von Crossroads ist es, Menschen nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Handeln zu inspirieren. Das spiegelt sich natürlich in der Filmauswahl wieder, und wir bieten jedes Jahr mehr zusätzliche Formate (Workshops, Exkursionen, Vernetzungstreffen) an, die recht niederschwellig zum Mitmachen einladen. Es gibt immer mehr Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren möchten und wir bringen sie mit Gleichgesinnten in Kontakt, oder mit Initiativen, die sie interessieren könnten. Crossroads öffnet zwölf Tage lang einen Möglichkeitsraum, in dem das gemeinsame Erreichen positiven gesellschaftlichen Wandels im Zentrum steht.

Gemeinsam essen ist bei Crossroads auch immer angesagt. Oft bringen die Besucher was mit – das heißt dann „Potluck“. 
 Bild: Jakob Isselstein


Gemeinsam essen ist bei Crossroads auch immer angesagt. Oft bringen die Besucher was mit – das heißt dann „Potluck“. 

Bild: Jakob Isselstein

Ist die Finanzierung des Festivals im dritten Jahr einfacher, da es einen Bekanntheitsgrad erreicht hat?

Die Finanzierung ist immer schwierig. Es ergeben sich ab und an neue Finanzierungsquellen, aber viele unserer Partner sind von Kürzungsmaßnahmen betroffen und können Veranstaltungen wie Crossroads daher nicht mehr so großzügig wie vor der Wirtschaftskrise beziehungsweise gar nicht mehr unterstützen. Sehr erfreulich war letztes Jahr, dass wir mit den freiwilligen Unkostenbeiträgen der Festivalbesucher einen erheblichen Teil unserer Ausgaben abdecken konnten. Ich bin gespannt, wie das heuer laufen wird.

Wir freuen uns auf jeden Fall sehr über jegliche Kontakte, die es uns möglicherweise erlauben, neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Wie man uns finanziell und anders unterstützen kann, erfährt man auf unserer Website genauer.

Das Crossroads versorgt die Besucher nicht nur mit Diskurs. Auch kulinarisch wird hier Verantwortung übernommen. Und da dieses Festival keine Konsumveranstaltung ist, wird kein klassisches Catering bestellt, sondern Freiwillige kochen direkt in der Forumküche. Es wird gemeinschaftlich geplant, Gemüse geschnipselt und in den Kochtöpfen gerührt. Mit ein wenig Glück gesellt sich auch ein Referent oder eine Filmprotagonistin dazu und es ergeben sich interessante Gespräche oder gar neue Blickwinkel.

Radio Helsinki, Community Radio Graz, begleitet das Festival als MedienpartnerIn und veröffentlicht die Diskursmitschnitte. Hier zum Vor- und Nachhören: cba.fro.at/series/1425

 

CROSSROADS – Festival für Dokumentarfilm und Diskurs
21. Mai – 1. Juni 2014
Forum Stadtpark, Graz, Österreich
crossroads-festival.org

 

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