Citizen Science: Wissenschaft betreiben – ohne Uni

Citizen Scientists sind Menschen, die sich in ihrer Freizeit der Wissenschaft widmen. Sie beobachten ihre Umwelt ganz genau und tragen ihre Beobachtungen in einer Datenbank ein. Auf der ganzen Welt gibt es zahlreiche Citizen Science Projekte, die sich auf Beobachtungen von Freiwilligen stützen. Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird diese Form der Forschung immer beliebter. Hier eine Auswahl an spannenden Projekten, die teilweise schon große Erfolge feiern konnten.

Bild: Volkmar Becher, 2014

Bild: Volkmar Becher, 2014, flickr – CC BY-SA 2.0

Mückenatlas 

Wer kennt es nicht: am Abend summt’s und am nächsten Tag hat man rote, juckende Punkte auf der Haut. Stechmücken kommen überall auf der Welt vor und sind oft Überträger von gefährlichen Krankheiten. Weltweit gibt es rund 3500 Mückenarten. Durch größere Reisen oder Importwaren werden sie weltweit verschleppt und siedeln sich manchmal in neuen Lebensräumen an. Lange Zeit gab es kaum Wissen über die Verbreitung von Stechmücken in Deutschland, aber seit April 2012 sammelt der „Mückenatlas“ Stechmücken und wertet tausende Einsendungen von privaten Teilnehmern aus. Die Teilnehmer fangen Stechmücken ein und senden sie per Post an die Forscher – so konnten Verbreitung und Artenzusammensetzung der Stechmücken erforscht werden.

Bild: Johann G. Zaller

Bild: Johann G. Zaller

Roadkill 

Das Projekt „Roadkill“ erfasst Daten von Tieren, die im Straßenverkehr zu Tode kamen. Die Datenlage ist noch relativ dünn, weil es schwierig ist flächendeckend zu forschen. Daher greift man auf „Citizen Scientists“ als Informationsquelle zurück. Jeder kann teilnehmen, einfach ein Foto des Tieres machen, Ort und Zeit der Aufnahme notieren und die Daten in der Online-Datenbank eintragen. Dadurch erkennt man markante Stellen im Straßenverkehr und kann langfristig Lösungen finden. BIORAMA hat mit den Projektinitiatoren schon früher gesprochen: The Killing Road und Projekt Roadkill: Street is Murder.

Bild: Gerwin Sturm, 2010, flickr

Bild: Gerwin Sturm, 2010, flickr – CC BY-SA 2.0

Verlust der Nacht

In „Verlust der Nacht“ geht es um Lichtverschmutzung und um die Auswirkungen auf den Menschen. „Verlust der Nacht“ ist ein fächerübergreifender Forschungsverband, der herausfinden möchte, wie hell die Welt in der Nacht ist. Einerseits arbeiten Forschende an einzelnen Projekten, andererseits können „Citizen Scientists“ auf der ganzen Welt Daten eingeben: sie geben in eine App ein, wie viele Sterne sie zu einem Zeitpunkt zählen. Über einen langen Zeitraum und an verschiedenen Orten der Welt beobachten sie den sogenannten „Skyglow“, die Himmelshelligkeit.

Bild: onnola, 2014, flickr

Bild: onnola, 2014, flickr – CC BY-SA 2.0

Stunde der Wintervögel

Heimische Wintervögel haben es in der kalten und futterarmen Jahreszeit oft nicht leicht, während die Zugvögel über den Winter in Süden ziehen, harren die heimischen Artgenossen den ganzen Winter aus. Das Projekt „Stunde der Wintervögel“ widmet sich diesen Vogelarten und untersucht, wie sich der Winter, der Klimawandel und menschliches Einmischen durch Fütterungen auf die Tiere auswirkt. Es ist ein Forschungsfeld, das bisher noch recht wenig untersucht wurde. Das Projekt beobachtet über einen langen Zeitraum, wie sich die Zahl der Tiere verändert. Jeweils für einige Tage im Jänner sollen Citizen Scientists täglich eine Stunde lang die Vögel zählen. So erfasst das Projekt flächendeckend, wie die Arten verteilt sind und wie stark die Verteilung über die Jahre schwankt. 

Bild: blu-news-org, 2014, flickr

Bild: blu-news-org, 2014, flickr – CC BY-SA 2.0

Meilensteine der motorischen Entwicklung im Kleinkindalter

„Meilensteine“ ist ein Citizen Science Projekt, das die Meilensteine der motorischen Entwicklung im Kleinkindalter erfassen möchte. Die Kleinkinder werden bei ihren motorischen Entwicklungen beobachtet, bis sie sicher und frei stehen können. Eltern tragen dafür die Bewegungsfortschritte ihres Kindes anonym in einer Online-Datenbank ein. Mütter und Väter sind Experten wenn es um die Beobachtung ihres Kleinkindes geht und können so dabei helfen, grundlegende Erkenntnisse über die Bewegungsentwicklung von Kleinkindern zu liefern.

Bild: Olli Henze, 2014, flickr

Bild: Olli Henze, 2014, flickr – CC BY-ND 2.0

Open Nature

Das Schweizer Projekt „Open Nature“ sammelt verschiedene Beobachtungen in der Natur. Von Pflanzen und Pilzen über Tiere bis zu Wetterereignissen und des Farben der Jahreszeiten können Citizen Scientists alle möglichen Beobachtungen zu wichtigen Daten machen. Auf der Website sind die Arten beschrieben, sodass die Beobachtungen ganz einfach eingetragen werden können. Veränderungen werden so über einen längeren Zeitraum sichtbar.

Bild: Sparkling Science Projekt "Pause bitte"

Bild: Sparkling Science Projekt „Pause bitte“

Sparkling Science Programm

Das Sparkling Science Programm will Schulklassen und Jugendliche dazu animieren, sich mit Forschung auseinanderzusetzen. Dazu arbeiten Wissenschaftler im Rahmen von Schulprojekten an aktuellen Forschungsfragen. Schulklassen und Jugendgruppen können selbst Forschungsthemen einreichen, die dann betreut und teilweise sehr gut finanziell gefördert werden. Dieses Programm wurde 2007 vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ins Leben gerufen.

Bild: Harald Henkel, 2012, flickr

Bild: Harald Henkel, 2012, flickr – CC BY-ND 2.0

Tagfalter-Monitoring Deutschland

Beim „Tagfalter-Monitoring“ zählen Freiwillige bei wöchentlichen Spaziergängen an festgelegten Strecken alle tagaktiven Schmetterlinge. Seit 2005 gibt es das Projekt in Deutschland. Die Daten beschreiben die Entwicklung der Falter an verschiedenen Orten Deutschlands und können mit Beobachtungen aus anderen Ländern verglichen werden. In Großbritannien etwa wird schon seit 1976 gezählt.

Bild: UMG

Bild: UMG

Biodiversitätsmonitoring Österreich

Hinter dem schwierigen Wort Biodiversitätsmonitoring verbirgt sich die Beobachtung der Natur mit dem Augenmerk auf Artenvielfalt. Viele Tier- und Pflanzenarten sind bedroht, verschiedene Faktoren können zu ihrem Aussterben führen. Nur wenige, speziell angepasste Arten können in Monokulturen überleben. Intensive Landwirtschaften sind meist keine guten Voraussetzungen für ein artenreiches Landschaftsbild. Das Projekt „Wir schauen drauf“ gibt es seit 2007 und ruft Landwirte und Almbesucher dazu auf ganz genau auf die Landschaft zu schauen. Sie sollen ihre Beobachtungen auf der Plattform mitteilen und Daten zur Lage der Artenvielfalt auf österreichischen Flächen liefern. Die Initiatoren des Biodiversitätsmonitoring wollen auch das Bewusstsein für verschiedene Arten stärken, sodass in Gärten und auf Weiden vielleicht das eine oder andere Fleckchen Blumenwiese stehen bleibt – für den Schmetterling, die Glockenblume und nicht zuletzt für das Auge.

 

Links:

Mückenatlas

Roadkill

Verlust der Nacht

Stunde der Wintervögel

Meilensteine der motorischen Entwicklung im Kleinkindalter

Open Nature

Sparkling Science Programm

Tagfalter-Monitoring Deutschland

Biodiversitätsmonitoring Österreich

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