Amphibien-Mobilität

BeTriton: Wohnmobil, Boot und Fahrrad in einem?

Bild: Aigars Lauzis.

Es sieht ein bisschen aus wie ein Lego-Spielzeug, doch hinter dem Projekt BeTriton, das bis vor Kurzem noch Z-Triton hieß und aufgrund der negativen Konnotation des Buchstabens Z, der als russisches Militär- und Propagandazeichen im Ukraine-Krieg eingesetzt wird, kurzerhand umbenannt wurde, steckt nicht nur eine Menge Technik, sondern auch ein jahrelanger Entwicklungsprozess. Begonnen hat er 2013, als der Designer und Firmengründer des lettischen Unternehmens Zeltini, Aigars Lauzis, innerhalb von vier Jahren von London bis nach Tokio radelte und dabei eine Strecke von 31.000 Kilometern zurücklegte. Schnell fühlte er sich mit seinem Tourenrad limitiert – beim Überqueren von Wasser war er auf örtliche Fähren angewiesen und auch das tägliche Aufstellen eines Zeltes nervte ihn. Also kam er auf die Idee, an einem platzsparenden und umweltfreundlichen Gefährt zu basteln, mit dem man sowohl an Land als auch auf dem Wasser reisen kann.

Um das BeTriton an Land zu lenken, braucht man einen Moped- beziehungsweise Autoführerschein. Voraussetzung dafür: ein Mindestalter von 15 beziehungsweise 17 Jahren (bei einer L17-Ausbildung), eine abgeschlossene Fahrausbildung und Geld.

Dreifaltigkeit

Nach einem Prototyp steht 2022 das serienreife Betriton in den Startlöchern. Das 14.500-Euro-Gefährt für Land- und Wasserabenteuer ist vorbestellbar und soll Ende des Jahres erstmals ausgeliefert werden. Es ist einerseits ein dreirädriges E-Fahrrad mit sieben Gängen, Scheibenbremsen und einem 1-Kilowatt-Motor als Unterstützung, kann sich andererseits aber auch in ein Elektroboot mit einem 1,15 Kilowatt starken Motor und mit ein paar weiteren Handgriffen zu einer Übernachtungsmöglichkeit für zwei Personen verwandeln. Für den Umbau des Bikes zum Boot müssen die Reifen von Hand in die vorgesehenen Halterungen hochgehoben, Stabilisatoren an den Seiten des mit bis zu 200 Kilogramm beladbaren Bootes aufgeblasen und angebracht und der Elektromotor aus der Unterseite der Kabine hinausgezogen werden. Die E-Unterstützung reicht entweder für 50 Kilometer an Land oder 20 Kilometer auf dem Wasser, danach muss das BeTriton mit einem 220-Volt-Kabel an den Strom angesteckt werden. Es kann sich aber auch rein mit Muskelkraft fortbewegen, das Bike lässt sich auch ohne E-Unterstützung fahren, am Boot gibt es aufsteckbare Ruder.

Kein Bootsführerschein
ist in Österreich für nicht gewerblich genutzte Boote unter 4,4 Kilowatt Antriebsleistung auf Binnengewässern und Seestraßen notwendig. In Deutschland dürfen prinzipiell Boote mit einer Antriebsstärke von bis zu 11 Kilowatt auf Binnen-Schifffahrtsstraßen führerscheinfrei gelenkt werden.

Spezielle Regelungen gelten in beiden Staaten für den Bodensee und den Rhein sowie in Berlin, Brandenburg und deutschen Landesgewässern.

Amphibisches Wohnmobil

2 Meter lang und 85 Zentimeter breit ist das BeTriton-Wohnmobil, worin laut Hersteller zwei Personen Platz haben. Bild: Lauris Viksne.

Der Camping-Modus funktioniert sowohl an Land als auch am Wasser. Zur Ausstattung der 2 Meter langen und 85 Zentimeter breiten Kabine gehören ein Beleuchtungssystem, sämtliche USB-Anschlüsse und ein Bluetooth-Radio. Solarpaneele an der Oberseite sorgen für grünen Strom an Bord. Sogar das Kochen einfacher Gerichte soll dank eines Rauchfangs im Inneren des »Amphibien-Wohnmobils« möglich sein, in dem nach Herstellerangaben Platz für zwei Personen ist – was bei 85 Zentimetern Breite allerdings kaum wirklich praktikabel erscheint. Das Fahrgestell ist aus Sperrholz und Hanffaser-Elementen, viele Teile werden außerdem per 3D-Druck aus Biokunststoff hergestellt. Zeltini gibt an, dass das kleine Wohnmobil gekühlt und beheizt werden kann, und bastelt außerdem an einer individuell gestaltbaren Bausatz-Version, die ebenfalls bestellt werden kann und per 3D-Drucker zum Leben erwacht. Will man das BeTriton testen, so gibt es ab Sommer die Möglichkeit, es über die BeTriton-Website für einen Tag um 60 Euro oder zwei Tage (inklusive einer Nacht) um 120 Euro in Lettland zu mieten. Will man das amphibische Gefährt nicht nur mieten, sondern kaufen, müssen VorbestellerInnen tiefer in die Tasche greifen. 14.500 plus 100 Euro Reservierungsgebühr, die laut Hersteller rückerstattet wird, kostet eine Vorbestellung derzeit. Die 14.500 Euro sind allerdings ein Mindestbetrag, denn um mit dem BeTriton in Österreich und Deutschland auf Reisen zu gehen, braucht es zusätzliche kostenpflichtige Dokumente.

Welcome aboard

Über Stock und Stein fährt das BeTriton rechtlich als dreirädriges Kleinkraftrad. Zum Lenken dieser Fahrzeugklasse braucht man in der EU und in Norwegen, Island und Liechtenstein einen B- beziehungsweise einen AM-Führerschein mit der Eintragung 79.02. Für das Lenken eines Elektrobootes gelten länderspezifische Bestimmungen. Grundsätzlich gilt aber sowohl in Österreich als auch in Deutschland: Das BeTriton-Boot mit einer Antriebsstärke von 1,15 Kilowatt – was 1,56 PS entspricht – darf ohne Bootsführerschein gelenkt werden. Im »Boat Mode« darf das BeTriton also jedeR steuern.

All in one: Das Betriton ist ein E-Bike, das sich in ein Boot und ein Wohnmobil verwandeln lässt. Bild: Aigars Lauzis.

Blickfang

Das Betriton sieht ein wenig aus wie ein Spielzug und ist es für viele Menschen wohl auch. Dennoch: Auch wenn man die einzelnen Teile des BeTritons – ein E-Bike, ein Elektroboot und ein kleiner Wohnwagen oder, ob des Platzes, wohl eher ein Zelt – separat in teilweise besserer und günstigerer Ausführung bekommt, so gibt es derzeit kein anderes Gefährt, das Fortbewegung an Land, auf dem Wasser und eine Übernachtungsmöglichkeit in einem ermöglicht. Die Zielgruppe des Unternehmens Zeltini sind Familien gleichermaßen wie Pärchen und alleinstehende NaturenthusiastInnen, die unabhängig von anderen Menschen von Ort zu Ort ziehen wollen. Und das, obwohl das Gefährt im futuristischen Look wohl alle Blicke auf sich zieht. Ob es das Geld wert ist, wird sich zeigen, wenn das BeTriton in Serie produziert und verkauft wird, denn bis jetzt ist jedes Modell eine Maßanfertigung. Vorbestellungen gibt es hauptsächlich aus Europa und den USA. Wie viele es bisher gegeben hat, konnte man bei Zeltini auf Nachfrage nicht mitteilen.

BIORAMA #78

Dieser Artikel ist im BIORAMA #78 erschienen

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