„Bauer unser“ – ein filmisches Bekenntnis zur Landwirtschaft

Moderner Melkstand am Hof von Fritz Grojer. Die Automatisierung schreitet voran, auch in der Nutztierhaltung. (Foto: Allegro Film)

Moderner Melkstand am Hof von Fritz Grojer. Die Automatisierung schreitet voran, auch in der Nutztierhaltung. (Foto: Allegro Film)

In „Bauer unser“ porträtiert Regisseur Robert Schabus die österreichische Bauernschaft. So vielfältig die besuchten Bauern, übrigens durchwegs Familienbetriebe, auch sind – in einem Punkt scheint Einigkeit zu herrschen: So kann es nicht weitergehen. Eine sehenswerte Doku.

„Wachse oder weiche“ – Über Jahrzehnte war Österreichs Landwirtschaft geprägt von diesem Leitspruch. 1970 ernährte ein Bauer in Österreich 12 Menschen. 2016 kommen auf jeden Landwirten 80 Menschen. In Deutschland sind es 145 Menschen. Tausende Bauern haben aufgegeben oder wirtschaften heute im Nebenerwerb. Die verbliebenen sind gewachsen, haben sich spezialisiert, ihre Produktion intensiviert. Wobei die Bezeichnung „Landwirt“ in vielen Fällen nicht mehr zutreffend ist – weil viele Bauern kein Land mehr bewirtschaften, sondern Fläche in Form von Futtermitteln importieren.

„Die ganzen österreichischen Schinken sind in Wahrheit Brasilianer, weil an die Schweine brasilianisches Soja verfüttert wird,“ erklärt Benedikt Härlin von der deutschen Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Immer wieder lässt Regisseur Robert Schabus ihn und andere Agrarexperten in „Bauer unser“ zu Wort kommen. Dabei zeigt die Dokumentation gleichermaßen ungeschönt wie unaufgeregt wie es auf Österreichs Bauernhöfen zugeht: Wir hören Bauern und Interessensvertreter, finden uns am Schreibtisch eines Molkereimanagers wieder, werden mit Ansichten von Agraraktivisten wie jenen einer Lobbyistin der Nahrungsmittelindustrie konfrontiert.

Hochspezialisiert auf Schweinemast: Bauer Martin Suette treibt die nächste Schweinegeneration in den Stall. Gewichtszunahme und Futtermengen sind genauestens geplant. (Foto: Allegro Film)

Hochspezialisiert auf Schweinemast: Bauer Martin Suette treibt die nächste Schweinegeneration in den Stall. Gewichtszunahme und Futtermengen sind genauestens geplant.
(Foto: Allegro Film)

Regisseur Robert Schabus bleibt vordergründig unparteiisch. Doch so vielfältig die Bauern, so einhellig der Tenor – vom Biobauern bis zum konventionellen Agraringenieur: So wird es nicht weitergehen. Es läuft etwas falsch.

(c) Allegro Film

Vielleicht ein Schlüsselsatz des Films: „Die ganzen österreichischen Schinken sind in Wahrheit Brasilianer, weil an die Schweine brasilianisches Soja verfüttert wird,“ erklärt Benedikt Härlin. (c) Allegro Film

System der Ineffizienz
Das Mantra der Agrarindustriellen – schneller, billiger, mehr – stellen die meisten von ihnen in Frage. „Viel besser kann ich nicht mehr werden“, bekennt einer, vor der Schaltzentrale, mit der er seinen weitgehend automatisierten Schweinemaststall managt. Auffällig auch: Das System der Förderungen durch die Allgemeinheit stellen die Bauern – obwohl durch die Bank von ihnen abhängig – mehrheitlich in Frage.

Wirklich effizient ist unser Agrarsystem ohnehin nicht: 40 Prozent der derzeit in der Landwirtschaft produzierten Kalorien werden verschwendet oder gehen irgendwo auf dem Weg verloren (etwa bleiben sie auf den Feldern liegen, weil die industrielle Ernte zu grobmaschig passiert und sich das händische Ernten nicht rechnet). Dabei ließen sich laut FAO derzeit global 12 Milliarden Menschen ernähren – ohne radikale Umstellungen. Einfach nur durch eine sinnvollere Landwirtschaft.

320 brauchbare Eier in 14 Monaten – die muss ein Legehuhn liefern, damit es sich rechnet. (Foto: Allegro Film)

320 brauchbare Eier in 14 Monaten – die muss ein Legehuhn liefern, damit es sich rechnet. (Foto: Allegro Film)

Entfremdung und „artgerechte Tierhaltung“
„Bauer unser“ ist ein Film, der ungeschönt hinter die Marketing-Idylle blickt, die uns auf Milchpackungen, Eierkartons oder Bildern von glücklichen Tieren umwirbt. Robert Schabus nähert sich allen Höfen von oben. Langsam, aus der Vogelperspektive und in Luftaufnahmen. So verschafft er uns Überblick und zeigt Verhältnisse – etwa winzig kleine Wohn-, neben weitläufigen Wirtschaftsgebäuden und Stallungen. Wir bekommen Einblicke in das, was immer wieder als „artgemäße Tierhaltung“ angepriesen wird, tatsächlich aber vor allem ökonomisch optimiert ist. Am einprägsamsten zeigen das die Aufnahmen eines Melkroboters, der in einem vollautomatisierten Stall ohne Stroh enthornte Kühe abtastet oder die Szenen im gerade chemisch gesäuberten Bodenhaltungs-Hühnerstall (bevor die nächste Hühnergeneration geliefert wird, die in 14 Monaten 320 brauchbare Eier liefert).

Alternative Direktvermarktung: Der Vorarlberger Vetterhof kennt seine Kundschaft – und die Konsumenten kennen Bauer und Hof. Hier wird das Bio-Gemüse für die Kisten-Abonnenten verpackt. (Foto: Allegro Film)

Alternative Direktvermarktung: Der Vorarlberger Vetterhof kennt seine Kundschaft – und die Konsumenten kennen Bauer und Hof. Hier wird das Bio-Gemüse für die Kisten-Abonnenten verpackt. (Foto: Allegro Film)

Es sind keine rosigen Bilder und es ist mitunter beklemmend wenn wir von den 600 Bauern hören, die in Frankreich jährlich Suizid verüben. Oder wenn Vermarkter oder Bauernbündler das Eigenmarken-Dilemma schildert. Denn mit seinen Eigenmarken hat der Lebensmittelhandel alles auf den Faktor Preis reduziert und den Produzenten zum austauschbaren Lieferanten degradiert. Und doch gibt es Momente der Hoffnung. Etwa wenn der Vorarlberger Gemüsebauer und Rinderzüchter Simon Vetter stolz darauf ist, ein Bauer zu sein, der seine Kunden kennt und der Entfremdung durch innovative Direktvermarktungsansätze entgegenhält. Oder wenn die Weinviertler Bio-Schafzüchterin Maria Vogt händisch Schafe melkt und frohlockt: „Hey, es geht ja auch ganz anders!“

Ein sehenswerter Film, der Lust macht, Bauernhöfe zu besuchen, heimische Bio-Lebensmittel zu genießen – und auch als Konsument das Bekenntnis abzulegen: „Bauer unser“.

Aktualisierung: Ab 1. September 2017 ist „Bauer unser“ auch auf DVD (im Vertrieb von Hoanzl) oder über Streaming-Dienste verfügbar.


Hinweis: Dieser Text ist die Langversion einer Film-Synopsis, die Thomas Weber als Auftragsarbeit für die Presseunterlagen des Filmverleihs Filmladen verfasst hat. Die Empfehlung entspricht allerdings ganz klar der Meinung des Autors.

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